Nachdenken über Kultur: Menschenkultur – was uns als Menschen ausmacht

Nachdenken über Kultur. Wir beginnen eine neue Reihe unter anderem mit Beiträgen der Publizistin und Kultur-Mentorin Helene Walterskirchen. Sie rief 2014 die Kultur-Sammel-Edition „Kultur-Magazin Schloss Rudolfshausen“ ins Leben, sie ist auch deren Herausgeberin.
Titelbild
Jeder hat einen natürlichen Antrieb, zu wachsen – nicht nur in der Statur, sondern auch in seinem Wesen, in seinen Anlagen und Talenten. (Helene Walterskirchen)Foto: iStock

Die Menschenkultur ist eine Ursprungskultur und sie ist so alt wie das Menschengeschlecht. Sie ist sowohl eine Individualkultur (Ich Mensch) als auch eine Gruppenkultur (Wir Menschen). Durch unsere Geburt als Menschen treten wir automatisch in die Menschenkulturstruktur ein.

Uns ist vom Anbeginn unseres Lebens bewusst, dass wir Menschen sind, einen Menschenkörper haben und ein Menschenleben führen, ferner, dass wir Teil einer Menschenwelt sind, in der auch andere Menschen leben. Wenn wir „Wir“ sagen, dann meinen wir ausschließlich uns Menschen.

Tiere, z.B. Kühe, Affen, Elefanten usw. oder Pflanzen, z.B. Bäume, sind nicht in unserem Wir-Begriff eingebunden. Sie gehören nicht unserer Menschenwelt, sondern einer anderen Welt an. Kühe sind Kühe und Affen sind Affen. Sie sind anders als wir. Das weiß jedes noch so kleine Kind, das weiß jeder erwachsene Mensch von Natur aus.

Wir Menschen fühlen uns als Menschen und nicht wie Tiere oder Pflanzen. Wir können Tiere oder Pflanzen mögen, aber wir sind und bleiben Menschengeschöpfe. Dieses Wissen und Bewusstsein (Ich Mensch, Wir Menschen) ist kein Zufall, sondern die erste und wichtigste Säule der Menschkulturstruktur.

Mit unserer Geburt treten wir in die vorherrschende Menschenkultur ein und werden darin eingebunden, erhalten Regelimpulse, Verhaltensimpulse, Orientierung usw. Bestünde keine solche Menschenkultur, wüssten wir weder, dass wir Menschen sind, noch wie wir uns als Menschen verhalten sollen.

Nur durch die vorherrschende Menschenkultur empfinden wir von Anfang an eine natürliche Zugehörigkeit zu der uns wichtigen Menschengruppe, von der wir ein Teil sind. Wir können dadurch ein Menschenbewusstsein, eine Menschensprache, ein Menschenverhalten aufbauen, eine menschliche Entwicklung durchlaufen und menschliche Bindungen eingehen.

Durch unser Eingebundensein in die Menschenkultur wissen wir, dass andere Menschen dieselben Grundbedürfnisse haben wie wir: sie haben Hunger wie wir, sie frieren wie wir, sie schwitzen wie wir, sie haben Schmerzen wie wir, wenn sie sich den Fuß brechen oder sich schneiden, sie suchen Geborgenheit, Wärme, Annahme, Liebe wie wir.

Durch die Menschenkultur sind wir zu Empathie fähig, haben wir Mitgefühl mit unseren Mitmenschen, haben wir Verständnis für ihre Situation und ihr Verhalten, können wir ihre Schmerzen und ihre Trauer nachempfinden und fühlen wir den natürlichen Impuls, ihnen zu helfen.

 

Marmorstatue des griechischen Philosophen Sokrates                                                     Foto: iStock

Die vorherrschende Menschenkultur macht uns nicht nur bewusst, dass wir Menschen sind, sondern auch, dass wir etwas mit in dieses Leben bekommen haben, das sich „besondere Fähigkeiten“ oder „Talente“ nennt. Jeder von uns.

Der eine kann von Natur aus gut mit Pflanzen umgehen, der andere Menschen heilen, der nächste ist der geborene Lehrer für seine Mitmenschen, und wieder ein anderer kann mit Tönen so geschickt umgehen, dass daraus Symphonien entstehen, die die Seelen der Menschen berühren und veredeln. Dies ist nicht etwas, worauf man stolz sein muss, sondern etwas völlig Natürliches, in dem die ursprüngliche Aufgabe, die jeder Mensch für sein Leben hat, begründet liegt.

Bei dem einen ist es die Aufgabe des Gärtners, beim anderen die Aufgabe des Arztes, beim nächsten die Aufgabe des Lehrers und wieder beim anderen die Aufgabe des Musikers. Alles zum Wohle der großen menschlichen Gemeinschaft und nicht, um sich zu profilieren, um reich dadurch zu werden oder sonst einen persönlichen Nutzen daraus zu ziehen.

Die vorherrschende Menschenkultur vermittelt uns zudem das Wissen, dass wir unsere Existenz einerseits unseren irdischen Eltern verdanken und andererseits einem höheren Schöpfer, d.h. Gott. Wir und das Leben, das in uns pulsiert, sind nicht durch uns selbst entstanden, sondern sind das Resultat übergeordneter Mächte und Kräfte.

Wir wissen, dass der Atem, der permanent in uns ein- und ausfließt, dass der Herzschlag, der ohne unser Zutun unablässig schlägt, uns bei unserer Geburt gegeben wurden und uns in der Stunde unseres physischen Todes wieder genommen werden. Wir sind uns bewusst, dass die Dauer unserer Lebensspanne von höheren Mächten und Kräften, sprich von Gott, abhängt und dass wir keinen Einfluss darauf haben. Wir können uns so gesund ernähren wie wir wollen, wir können die besten „Langlebigkeits-Pillen“ einnehmen, irgendwann jedoch wird das Ende kommen.

Eine weitere Säule in der vorherrschenden Menschenkultur ist das Thema der Entwicklung und Entfaltung des Menschen. Jeder hat einen natürlichen Antrieb, zu wachsen – nicht nur in der Statur, sondern auch in seinem Wesen, in seinen Anlagen und Talenten. Es ist ein natürliches Bedürfnis der Menschen sich von der Raupe zum Schmetterling zu entwickeln. Oder wie die Möwe Jonathan (in dem Buch von Richard Bach) immer höher zu fliegen bis man in himmlischen Dimensionen ankommt.

Die Motivation zur menschlichen Entwicklung und Entfaltung liegt nicht darin, sich gegenüber anderen zu erhöhen und als etwas Besseres zu empfinden, sondern in der natürlichen Sehnsucht und Freude daran, den ungeschliffenen Diamanten, der man selbst ist, zu schleifen, bis er zu einem funkelnden Kristall wird, der am Ende des Lebens in die Schatzkammer dieses Universums eingeht, dort jedoch nicht mehr als ein Staubkorn ist.

 

Thailand, ein Markt auf dem Fluß mit einem malerischen Angebot                                            Foto: iStock

So leitet uns die Menschenkultur durch unser Leben und alles wäre wunderbar, wenn es nicht das Ego, den Egoismus und die Egozentrik gäbe, die diese Kulturstruktur vergiftet hat und permanent weiter vergiftet mit seiner Machtgier, seinem Neid, seiner Ichsucht, seiner Geldsucht, seiner Ruhmsucht, seinem Hass und seiner Rivalitäts- und Feindessicht und daraus resultierend auch mit seiner Minderwertigkeit und seinem brennenden Ehrgeiz.

Das Ego des Egozentrikers möchte mehr sein als andere, möchte etwas Besseres sein, demonstriert laufend: „Ich bin klüger, erfolgreicher, gebildeter, attraktiver, reicher.“ Es setzt alles daran, sich von anderen abzuheben, eine bessere und höhere Position zu erreichen, mehr Macht zu bekommen und zu haben, erfolgreicher zu sein und mehr zu besitzen als andere.

Parallel dazu blickt es verachtend auf die Masse seiner Mitmenschen. Durch das Ego bzw. die Egozentrik spaltet sich die Menschenwelt in unterschiedliche gesellschaftliche Welten: die Welt der Dummen, Armen, Ungebildeten, Sklaven, die Welt der Klugen, Gebildeten und Wohlhabenden, die Welt der Erfolgreichen, Reichen und Mächtigen und ganz oben im Gefüge der Gesellschaftsschicht die führende Elite dieser Welt, bestehend aus Geburtsadel, Geldadel und Machtadel. Dieses Gefüge besteht auch heute noch.

Seitdem heißt es zwar immer noch „Ich Mensch“ und „Wir Menschen“, aber aus der Sicht des Egos und der Egozentrik: „Ich Mensch des Geldadels“ und „Wir Menschen des Geldadels“ oder „Ich Mensch der Akademikerwelt“ und „wir Menschen der Akademikerwelt“. Wer denkt schon heute, wenn er sagt „Ich Mensch“ und „Wir Menschen“ an die Gesamtheit aller Menschen dieser Welt, also an das, was man „Menschheit“ nennt.

Denn die Spaltung der Menschheit besteht nicht nur innerhalb des Gesellschaftsgefüges, sondern auch anderer Bereiche: Rassen, Nationalitäten, Religionen, politische Gruppierungen usw. Aus dem einstigen „Ich bin“ und „Wir sind“ wurde im Laufe der Jahrhunderte und Jahrzehnte „Ich bin Christ“ und „Wir sind Christen“ oder „Ich bin Japaner“ und „Wir sind Japaner“. Es gibt kein gesamtes Menschenzugehörigkeitsgefühl mehr, sondern nur noch ein gruppen- oder nationalitätenzugehöriges Gefühl.

 

Blaskapelle in Gaißach, Bayern, im Einklang einer Gruppe                                                           Foto: iStock

Durch den Einfluss des Egos und der Egozentrik rivalisieren nicht nur Menschen der verschiedenen Gruppen miteinander, sondern auch die Gruppierungen selbst. Juden stehen in Rivalität zu Moslems, Amerikaner in Rivalität zu Russen, Marxisten in Rivalität zu Kapitalisten, Schwarze in Rivalität zu Weißen, Proletarier in Rivalität zu Patriziern usw.

Und wo Rivalität ist, ist der Schritt zu Kampf und Krieg nicht weit. Worum es in der Rivalität geht: Wer die größere Macht hat, wer die bessere Taktik hat, wer der Erfolgreichere ist, wer der Stärkere ist, wer den anderen besiegen kann, wer das meiste Geld und Gold hat.

Es ist eine bekannte Tatsache, dass das Ego des Egozentrikers über Leichen geht, dass es kein Gewissen hat, keinen Anstand hat, kein Gefühl bzw. Mitgefühl hat – ja, nicht einmal einen Funken. Alles, was ihm und seinem ehrgeizigen Machtstreben im Wege besteht, wird ausgeräumt, durch üble Nachrede und Verleumdung, durch Ehrverletzungen, bis hin zu falschen Behaupten und Anklagen, die die Existenz und den Ruf anderer ruinieren.

Mit ihrem Geld, ihrer Macht und ihrem Einfluss können sie sich alles kaufen, auch Zeugen, Polizei und Gerichte. Ihre Absichten sind klar: sie wollen die Menschen zerstören und sie wollen die Menschheit zerstören, sie wollen ihnen die Geborgenheit nehmen, die Orientierung nehmen, die Sicherheit nehmen, das Selbstbewusstsein nehmen, und vor allen Dingen: sie wollen ihnen die Würde nehmen.

Es ist unfassbar, aber wahr: Es gibt Menschen der sogenannten Macht- und Geld-Elite, die die Masse der Menschen hassen, sie versklaven und sogar eliminieren wollen. Dies mag bewusst machen, wie gefährlich das Ego, der Egoismus und die Egozentrik der Menschen ist!

Und doch gibt es auch heute in unserer Menschenwelt noch Menschen, die die ursprüngliche Menschenkultur leben und ihre Werte verbreiten. Sie setzen sich für die Würde der Menschen ein, dafür, dass sie eine Orientierung haben und sich entwickeln und entfalten können, so wie es dem göttlichen Plan entspricht.

Woran man sie erkennt? An ihrer Menschlichkeit, ihrem strahlenden, hellen Licht in den warmen Augen, durch das man tief in eine saubere und ethisch korrekte Seele schauen kann, an ihrem würdevollen Leben und Verhalten, in dem die Todsünden und Wurzeln des Übels keinen Platz haben.

 

Auf ins Leben                                                                                     Foto: iStock

Dieser Artikel erschien zuerst auf www.helene-walterskirchen.de/menschenkultur-was-uns-als menschen-ausmacht 

Die Autorin, Publizistin und Kultur-Mentorin Helene Walterskirchen rief 2014 die Kultur-Sammel-Edition „Kultur-Magazin Schloss Rudolfshausen“ ins Leben, sie ist auch deren Herausgeberin. Als völlig unabhängiges und neutrales Kultur-Informations-Medium zeigt es die Kulturwurzeln, die Kulturentwicklung und die Kulturgrundlagen, auf denen das Leben der Menschen basiert. Das „Kultur-Magazin Schloss Rudolfshausen“ erscheint in der Regel zweimal jährlich. Bisher gab es 8 Printausgaben des Kultur-Magazins. Seit 2018 gibt es das Kultur-Magazin auch als Online-Ausgabe in verkürzter Form. www.helene-walterskirchen.de/



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