Triumph für Sokhiev und sein hochmotiviertes Deutsches Symphonie-Orchester

Titelbild
Tugan Sokhiev, Chefdirigent des DSO BerlinFoto: Erik Weiss
Von 23. Dezember 2013

Einen im wahrsten Sinne des Wortes fantastischen Konzertabend erlebten die Zuhörer  des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin und seines Chefdirigenten Tugan Sokhiev am Donnerstag dem 19. Dezember 2013 in der Philharmonie Berlin.
Zusammen mit dem Rias Kammerchor unter der Einstudierung von Michael Alber gestaltete das DSO sein letztes Konzert vor Weihnachten.

„Unweihnachtlich“  und doch stimmungsvoll

Durchaus unweihnachtlich war die Programmgestaltung, die sich unter Sokhievs sensiblen Händen (wieder einmal) als Volltreffer entpuppte. Im ersten Teil erklangen Michail Glinkas „Valse-fantaisie“ für Orchester und Sergej Tanejews Kantate für Chor und Orchester „Johannes Damascenus“. Der zweite Teil gehörte der monumentalen „Symphonie fantastique“ von Hector Berlioz.  Lediglich die sakrale Schwermut der völlig unbekannten Tanejew-Kantate hatte Adventsbezug. Darum gruppierten sich weltliche Klangschönheiten, die mit leichtfüßig verspielter Melancholie bezauberten.

Michail Glinkas „Valse-fantaisie“ eröffnete den Abend. Man erlebte das DSO vom ersten Moment an in höchster Präsenz, voller Spielfreude und mit seinem filigran strukturierten Orchesterklang, jenem Flair von musikalischer Poesie, das dem Orchester seit Amtsantritt des Sokhievs eine wachsende Fangemeinde beschieden hat.
 
Die federnde Eleganz und sanfte Wehmut, die hier unter Führung der Violinen zelebriert wurde, war – als Miniatur zusammengefasst –  ein Versprechen für das, was später bei Berlioz noch kommen sollte.

Klangreise mit Chor: Tanejews Kantate

Das Kontrastprogramm kam mit Sergej Tanejews Kantate „Johannes Damascenus“, ein breitangelegtes Stück Musik, das mit seinen riesige Bögen wie eine klanggewordener Kathedralbau vor den Hörern entstand. Tanejews Werk war das Opus 1 eines überkritischen Perfektionisten und zugleich Russlands erste geistliche Kantate: Konzertante Musik war in der orthodoxen Kirche verboten und auch Chormusik machten liberale Geister dort erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts möglich.

Fiktive Worte eines Verstorbenen

Die Texte stammen aus einem Gedicht von Alexei Tolstoi, einem Cousin Leo Tolstois. Sie sind Gebet und Ansprache zugleich: Der fiktive Redner ist der Heilige Johannes von Damaskus (gestorben im Jahr 754) –  der nach seinem Tod im Alter von 104 Jahren aus dem Grab zu sprechen scheint …

Die drei Sätze beginnen in höchster Schlichtheit mit einem Choralmotiv, das zunächst rein aus der Bratschen, Celli und Holzbläsergruppe kommt, bevor der Rest des Orchesters und der Chor darin einstimmt – eine musikalisches Bild für den langen Lebensweg, der einer Pilgerreise voller Entbehrungen gleicht. Dann kommt es zu überraschenden Übergängen, wie einem Pianissimo-Tremolo der Violinen, das nach dem verhallenden ersten Teil stehen bleibt, um sich zu Teil 2 zu entfalten. Nach einer Fuge kommt es schließlich zu einem apotheotischen Schluss, der die Himmelfahrt des Verstorbenen am Jüngsten Tag imaginiert – doch das Bild zerfließt ins Hier und Jetzt eines Pianissimo-Paukenwirbels: Das „Pilger“-Motiv vom Anfang kehrt wieder, die Lebensreise ist noch nicht zu Ende. Zumindest nicht für die Zuhörer und Musizierenden …

Man erlebte ein Stück, das einem Gänsehaut einjagte und das Publikum in der Philharmonie den Atem anhalten ließ, denn Sokhiev „zeigte“ diese musikalische Architektur mit ihren Übereinanderblendungen von Motiven und Klängen – und dirigierte gleichzeitig einen natürlich atmenden und pulsierenden Klangfluss  auf ein gefühlt unendliches Diminuendo hin.

Berlioz als schillerndes Salongemälde

Kein bisschen oberflächlich gelang im zweiten Teil Hector Berlioz´ größter Hit, die Symphonie fantastique. Sokhiev und sein Orchester gestalteten den Strudel der Leidenschaften, in denen der fiktive „Held“ seine unerreichbare Geliebte anbetet, mit Finesse und Geschmack. Niemals wurde hier nur auf Effekt gespielt, und das, obwohl die „Symphonie“ vor verführerischen Momenten nur so strotzt.

Die Stärke lag hier in den Zwischentönen und einer scheinbar völlig unangestrengten Balance zwischen Poesie und Bombast. Den unerwarteten Höhepunkt bildete denn auch der dritte Satz „Szene auf dem Lande“ mit seinen seelenvollen Holzbläserstimmen, allen voran das Englischhorn- und Oboensolo. Die Oboe erklang räumlich weit entfernt aus der Höhe – und trotzdem harmonierten die beiden Instrumente schlicht perfekt.

Der oft gehörte Klassiker warf das Publikum diesmal nicht mit seiner monumentalen Wucht um, weil er so frisch, quicklebendig und in schillernden Farben daherkam. Ein verdienter Triumph für Sokhiev und sein hochmotiviertes Orchester.

Das Konzert wurde von Arte live mitgeschnitten und ist noch knapp drei Monate im ARTE Live Web als Livestream abrufbar unter den Adressen liveweb.arte.tv und dso-berlin.de



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