Liebeserklärung einer Meisterköchin an Kreta

In ihrem ersten Kochbuch „Aegean“ teilt Marianna Leivaditaki Rezepte, Geschichten und Inspirationen von ihrer Heimatinsel Kreta. Die Schriftstellerin und Dichterin Mary Ann Evens schrieb einst unter dem Pseudonym George Eliot: „Wir hätten die Erde niemals so sehr lieben können, wenn wir keine Kindheit auf ihr gehabt hätten.“ Für die Köchin und Kochbuchautorin Marianna Leivaditaki war die Liebe, die sie als Kind für das Essen und ihre Kultur entwickelte, ausschlaggebend dafür, wer sie als Erwachsene wurde.
Titelbild
Küchenchefin und Kochbuchautorin Marianna Leivaditaki (L) mit ihrem Vater.Foto: Elena Heatherwick
Von 10. September 2021

Fragt man Leivaditaki nach ihrer Kindheit in Chania auf der griechischen Insel Kreta, so erzählt sie von Gärten und Olivenhainen, hausgemachtem Käse und Wein und davon, wie sie den ganzen Tag am Strand herumlief und im Mondschein mit ganzen Sardellen als Köder angelte. Es ist eine Welt, in der Familienessen bis zu 30 Personen umfassen konnten und Essen nie nur ein biologisches, sondern auch ein soziales Bedürfnis war.

Von dieser Welt erzählt Leivaditaki in ihrem ersten Kochbuch „Aegean: Recipes from the Mountains to the Sea“.

Die gebürtige Kretin, die heute Chefköchin des bekannten Londoner Restaurants Morito ist, bezeichnet das Kochbuch vor allem als Tagebuch. „Es ist sehr persönlich, weil es bis in meine Jugendjahre zurückreicht“, sagt sie.

Neben Rezepten für frische mediterrane Gerichte, die den natürlichen Reichtum ihrer Heimatinsel präsentieren, webt Leivaditaki Geschichten und Traditionen aus ihrer Kindheit ein, die ihre Liebe zu gutem Essen vertiefen. Als Leser hatte ich oft das Gefühl, dass sie direkt mit mir in der Küche stand und mir zeigte, wie man einen Tintenfisch grillt oder zubereitet (in ihrer Kindheit hängte man ihn zum Trocknen auf eine Wäscheleine). Ich folgte ihr von der Taverne ihrer Familie zum örtlichen Markt, zum Fischerboot ihres Vaters und aufs Meer. Leivaditaki führte mich mit ihren Worten und Rezepten in ein Land ein, das ich noch nie gesehen hatte.

„Es ist ein Geschenk, seine Geschichten zu Papier zu bringen“, sagt sie. „Meine Familiengeschichten unterscheiden sich nicht unbedingt von denen anderer Kinder, die auf Kreta aufgewachsen sind, aber es sind die Erfahrungen, die meinen beruflichen Werdegang geprägt haben. Für mich sind das die angenehmsten Gefühle – Wärme, Liebe, Schöpfung.“

Früh übt sich

Leivaditakis Vater war Fischer und ihre Mutter führte das Familienrestaurant am Wasser. Von klein auf halfen Leivaditaki und ihre Geschwister im Restaurant, bedienten Tische, nahmen Fisch aus und schälten Gemüse.

Unterhalb der Wohnung von Leivaditakis Familie lebte Theia Koula. Sie war eine Freundin der Familie und für Leivaditaki wie eine Tante. Ihr Haus war umgeben von Granatapfelbäumen, Olivenhainen, Artischockenpflanzen, Bienenstöcken, Hühnern, Ziegen und Kaninchen. Sie und ihr Mann stellten alles von Grund auf selbst her: Käse, Milch, Wein.

„Sie war definitiv diejenige, die mich für alles, was mit Essen zu tun hat, begeistert hat“, sagt Leivaditaki. „Da meine Eltern sehr beschäftigt waren, mit Fischen und dem Restaurant, hatte ich viel Zeit, um in Theia Koulas Küche zu sein. Morgens trank ich griechischen Kaffee und aß Kekse.“

Im Haus von Theia Koula geschahen so viele gastronomisch lehrreiche Tätigkeiten und Leivaditaki wurde in all das hineingezogen. Nach dem gemeinsamen Morgenkaffee sahen sie nach den Hühnern, kümmerten sich um die anderen Tiere auf dem Hof und ernteten Gemüse auf dem Feld. Was Leivaditaki am meisten in Erinnerung geblieben ist, sind die Tomaten.

„Ihre Tomaten waren einfach der Wahnsinn“, erinnert sie sich. „Sie waren die hässlichsten Tomaten, die man je gesehen hatte – uneben und unförmig. Aber wenn man das Feld betrat, wurde man von ihrem süßen Geruch überwältigt. Sie war sehr vorsichtig, welche Tomaten sie pflückte – nur die, die sehr reif waren.

„Der ganze Garten roch nach ihren Tomaten. Ich habe schon seit Jahren keine solchen Tomaten mehr gerochen.“

Dann gingen sie zurück ins Haus, setzten sich um den massiven Holztisch und bereiteten Gemüse zu, kochten Kanincheneintopf oder machten einen Salat zum Mittagessen.

Leivaditakis Erfahrungen mit Theia Koula steht stellvertretend dafür, was die Esskultur auf Kreta ausmacht: Gemeinschaft. „Essen ist nicht nur ein biologisches Bedürfnis“, sagt sie. „Es ist die Zeit, um zu plaudern, Zeit mit Freunden und Familie zu verbringen, Probleme anzusprechen – und das alles geschieht bei Tisch. Bei den Mahlzeiten geht es um Essen, aber nicht um ein menschliches Bedürfnis. Es geht darum, Essen zu teilen und Zeit miteinander zu verbringen.“

Gemeinschaft fern der Heimat finden

Als Leivaditaki älter wurde, fühlte sich Kreta allmählich klein und langweilig an. Sie wollte weg von der Insel und ließ die griechischen Strände hinter sich, um in Canterbury, England, zu studieren. Als sie dort ankam, war sie schockiert: „Erstens, weil ich völlig einsam war und zweitens, weil ich einfach nicht verstand, was die Leute aßen“, sagt sie.

Ihre Mitbewohner aßen die typische College-Kost: Nudeln mit Tomatensauce aus der Dose. „Ich wusste nicht, dass man Nudeln kochen und in eine Dose füllen kann, die dann zwei Jahre lang haltbar ist.“

Sie stellte fest, dass das gemeinsame Essen in England nicht den gleichen Stellenwert hatte wie auf Kreta. Die meisten ihrer Freunde aßen allein in ihren Zimmern. Aus Heimweh nach ihrer Kultur begann Leivaditaki, Freunde einzuladen, um mit ihnen gemeinsam zu essen.

So kochte sie jeden Tag. Als sie schließlich in ihr erstes Haus nach dem Studentenwohnheim einzog, führte sie den Brauch der offenen Tür ein. Ihre Freunde wussten, dass sie jederzeit zum Abendessen willkommen waren. Nach und nach schuf sie in ihrem Freundeskreis eine Kultur, in der das gemeinsame Essen zu einem Teil des Lebens wurde. Und dabei ging es nicht um Nudeln aus der Dose: „In England gibt es fantastisches Essen, man muss nur wissen, wo man es findet.“

Heimkehr

Zu dieser Zeit begann Leivaditaki an ihrem Studienfach, der forensischen Psychologie, zu zweifeln. Sie ging auf Reisen, um einen klaren Kopf zu bekommen, und bereiste Frankreich und Spanien mit dem Fahrrad.

Unterwegs wurde das Essen und die Zubereitung von Speisen zu einem zentralen Thema. Am Ende dieser Reise betrachtete Leivaditaki die Art und Weise, wie sie ihre Reise um das Essen herum aufgebaut hatte. „Ich dachte: Das ist es. Ich muss das wirklich weiter ergründen.“

Als sie auf ihre Jahre in England zurückblickte, wurde ihr klar, dass das Kochen und das gemeinsame Essen mit anderen zum zentralen Thema ihres Lebens geworden war. Sie beschloss, dieser Leidenschaft nachzugehen. So kehrte sie in das Restaurant ihrer Familie auf Kreta zurück und übernahm die Küche.

In den zwei Jahren, die sie dort verbrachte, merkte Leivaditaki, wie viel Freude ihr das Kochen der Gerichte ihrer Kindheit machte. Sie verliebte sich wieder in ihre Insel: in die frischen, reichhaltigen Lebensmittel vom Land und aus dem Meer. Das Kochen, nicht die Psychologie, ist das, wofür Leivaditaki geschaffen ist. Den Menschen durch Essen Freude zu bereiten, ist ihre Lebensaufgabe.

Inspiration aus der Ferne

Mit dieser neu gewonnenen Klarheit kehrte Leivaditaki nach England zurück. Diesmal jedoch mit der Absicht, in einem Restaurant zu arbeiten. Sie begann als Kellnerin und arbeitete sich bis zur Chefköchin des Morito hoch, wo sie weiterhin ihr Erbe ehrt und durch ihr Essen Gemeinschaft schafft. Sie bringt traditionelle Zutaten und Rezepte aus ihrer Kindheit auf Kreta ein: gegrilltes Kaninchen mit Romanesco, Tintenfisch, Kichererbsen und grüne Paprika sowie kretische Bio-Würstchen.

Mit „Aegean“ spricht Leivaditaki eine Einladung an Leser aus, die weit von London oder Kreta entfernt sind. Das Buch ist in drei Hauptabschnitte unterteilt: Meer, Land und Berge, mit saisonalen Rezepten wie ganzem, über Holzkohle gegrillten Fisch, Sommersalat mit kretischem Ziegenkäse und Gerstenzwieback, sowie gebratenem Kaninchen mit Rosmarin und Essig. Ein abschließender Abschnitt, „Für danach“, enthält Leckereien wie Grießkuchen und Loukoumades, traditionelle griechische Krapfen, die in Honig getränkt sind.

Leivaditaki möchte die Menschen in die Küche holen und ermutigt die Leser, die Rezepte selbst auszuprobieren. Auch wenn einige der Rezepte auf den ersten Blick abschreckend wirken mögen, weil man mit Tintenfisch, Meeräsche oder Kaninchen nicht vertraut ist. Doch sind sie so gut erklärt und köstlich fotografiert, dass man sich traut, sie auszuprobieren. Auch bekanntere Gerichte sind dabei. Beim Lesen des Rezepts für Tomaten-Oregano-Krapfen mit geschlagenem Feta vermochte ich die Tomaten von Theia Koula fast riechen.

„Ich möchte, dass dieses Buch inspiriert“, sagt Leivaditaki. „Sie dürfen als Leser in Ihrer eigenen Küche Neues entdecken.“

Rachael Dymski ist Autorin, Floristin und Mutter von zwei kleinen Mädchen. Derzeit schreibt sie einen Roman über die deutsche Besatzung der Kanalinseln und bloggt auf ihrer Website RachaelDymski.com

Zucchini-Feta-Krapfen

In den Sommermonaten raspelten wir in unserem Restaurant jeden Abend etwa 24 Pfund Zucchini für diese Krapfen. Es war unglaublich, wie viele davon bestellt wurden. Im Originalrezept haben wir nur Feta verwendet, aber die Zugabe von etwas Hartkäse macht sie noch besser. Sie sind ein perfekter Snack nach einem langen Tag am Strand.

Foto: Elena Heatherwick

Für 4 bis 6 Personen

4 große Zucchini

1 große rote Zwiebel, gewürfelt

1 EL Olivenöl

1 große Handvoll frischer Minzblätter, gehackt

1 Handvoll frischer Dill, gehackt

100 g Feta, zerkrümelt

100 g kräftiger Hartkäse, wie Manchego, Pecorino oder Parmesan, grob gerieben

4 EL Mehl (eventuell etwas mehr), plus extra zum Bestäuben

2 Eier

1 TL getrockneter Oregano

Reichlich 3/4 Tasse Pflanzenöl zum Braten

Meersalz und frisch gemahlener schwarzer Pfeffer

Die Zucchini mit der groben Seite einer Küchenreibe raspeln, salzen und 10 Minuten abtropfen lassen.

Die rote Zwiebel in dem Olivenöl glasig dünsten. Die Zucchini auspressen, um überschüssiges Wasser abzugießen, und in eine Schüssel mit der Zwiebel geben. Minze, Dill, Feta und Hartkäse hinzufügen. Mehl und Eier hinzugeben und alles miteinander vermengen. Mit Oregano, Salz und Pfeffer würzen. Die Masse sollte recht locker sein, aber fest genug, um die Krapfen zu formen.

Erhitzen Sie das Öl, bis es heiß ist, aber nicht raucht. Prüfen Sie dies, indem Sie etwas von der Mischung hineingeben – sie sollte sofort Blasen werfen. Nehmen Sie einen großen Esslöffel der Mischung, wälzen Sie sie in Mehl und frittieren Sie die Krapfen im heißen Öl, bis sie goldbraun sind. Den Vorgang wiederholen, bis die gesamte Mischung aufgebraucht ist.



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