Der Westen trifft Japan

Vom schrecklichen Handschlag und dem beredten Schweigen
Titelbild
Mit respektvoller Höflichkeit überwindet das Kaiserpaar auch die Abneigung der Japaner vor dem Händeschütteln.Foto: POHLING/JAPAN PHOTO
Von 24. Oktober 2005

Ein lascher Händedruck einer schweißnassen Hand – keine Begrüßung, die einem Europäer imponiert, aber in Japan sollte man daraus keine vorschnellen Schlüsse auf den ängstlichen Charakter seines Gegenübers ziehen. Japaner begrüßen sich nie mit Handschlag und empfinden den Körperkontakt als „schrecklich“. Große japanische Exportfirmen bereiten deshalb ihre Mitarbeiter in besonderen Kursen auf das Händeschütteln vor.

Von japanischen Sitten und Gebräuchen und den dahinter stehenden Lebensanschauungen berichtet ein Japanbuch der besonderen Art. „Erfolgreiche Verhandlungen mit Japanern“ aus dem Hemmer-Verlag dürfte nicht nur für Geschäftsleute interessant sein, sondern auch für Interessierte an japanischer Denk- und Lebensart.

Der Firmenbesuch einer imaginären deutschen Firma in Japan ist das Thema der Autoren Ralf Linke und Yukiko Bischof-Okubo, anhand dessen sie ihre profunde Sachkenntnis dem geneigten Leser zur Verfügung stellen. Selbst wer niemals in solche Geschäftsbeziehungen eintreten wird, der kann dieses Buch mit Vergnügen lesen. Der Appendix nimmt in diesem Fall mit profundem Hintergrundwissen die Hälfte des Buches ein und beschreibt humorvoll, aber dennoch voller Respekt, das japanische Leben. Das reicht vom Schulsystem über die Firmenkultur und das Familienleben bis zu den Karaoke-Bars und den Geisha-Parties.

Die Autoren schildern auch viele der missverständlichen Situationen, hier eine davon: „Sie kommen hochzufrieden von einer Geschäftsbesprechung mit einer befreundeten japanischen Firma zurück. Das Treffen war kurz und prägnant. Ihre Gesprächspartner haben ihren Vorschlägen mit ‚Ja’ zugestimmt. Das von Ihnen geschriebene und verteilte Protokoll der Besprechung wird Ihnen am nächsten Tag von einem blassen Mitarbeiter mit vielen Entschuldigungen zurückgegeben: ‚In diesem Meeting wurde keinem der von Ihnen aufgelisteten Vorschläge zugestimmt.’ Sie sind fassungslos. Solche Pannen lassen sich vermeiden, wenn man die Besonderheiten der japanischen Arbeits- und Denkweise berücksichtigt.“ Was die Autoren dazu sagen, sei hier nicht verraten.

Ausgrenzung durch das Team – eine Horrorvision

Auch die Interna japanischer Firmenkultur gestatten einen tiefen Einblick in das Sozialverhalten: „Feedback-Gespräche zwischen dem Beurteilten und dem Beurteiler sind in japanischen Betrieben nicht vorgesehen. Der Mitarbeiter stellt nie die Frage: ‚Warum hat mein Vorgesetzter mir dieses Mal einen so niedrigen Bonus gegeben?’ Er könnte damit kritische Kommentare seines Vorgesetzten herausfordern. Der Vorgesetzte würde in einem Bewertungsgespräch mit seinem Untergebenen kein Wort der Kritik über die Lippen bringen. Das Kritisieren eines anderen Menschen führt nach japanischer Sicht zu dessen Gesichtsverlust und stört die Harmonie der Gruppe. Verbale Kritik am Gegenüber ist in Japan kein kulturkonformes Verhalten und unterbleibt deshalb.

Intensives Feedback erhält der Mitarbeiter jedoch aus dem täglichen Umgang mit seinem Vorgesetzten und durch dessen Körpersprache. Feedback zu seiner Leistung erhält der japanische Mitarbeiter ebenfalls von den Mitgliedern seiner Gruppe. Das ‚Team’ duldet keine Faulenzer. Es würde ihn ausgrenzen. Die Ausgrenzung durch das Team ist für jeden Japaner eine Horrorvision.“

Die japanische Gruppe stützt aber auch den Leistungsschwachen, weil jeder einmal in diese Situation geraten kann. Jeder hilft dem Schwachen und weiß, dass er selbst Hilfe bekommen wird, wenn er sie braucht. Aus japanischer Sicht ist es die Pflicht des Leistungsstarken, mit seinen besonderen Fähigkeiten auch in der Gruppe einen besonderen Einsatz zu liefern. Hat er genügend Jahre in einer Firma verbracht und so seine Sozialkompetenz bewiesen, wird er auch früher befördert als ein schwächerer gleichaltriger Kollege.

Raum und Zeit – und langes Schweigen

Das Bewahren einer Konsensgesellschaft – mit langen Zeiträumen, die gebraucht werden, um auf allen Ebenen zum Konsens zu kommen – trifft nun auf westliche Vorstellungen der Konkurrenzgesellschaft und der schnellen Entscheidungen. Kein Wunder, dass man sich miteinander nicht immer behaglich fühlt. Die Autoren vermeiden jedoch klug jede Bewertung, sie stellen nur – japanisch höflich – die verschiedenen Sitten nebeneinander.

Auch das Schweigen und schweigen können gehört zu den Tugenden der Japaner. Während uns das minutenlange Schweigen peinlich wird, braucht der Japaner diese Zeit, um wirklich den anderen wahrzunehmen. Daraus gewinnt er die notwendigen Erkenntnisse, wie man gemeinsam zu Lösungen kommt.

Der Leser erfährt natürlich auch, warum es für einen ‚Westler’ unerlässlich ist, bei einer Einladung sein Können auf der Bühne einer Karaoke-Bar zum Besten zu geben und warum ein „Nein“ in Japan tatsächlich peinlich wirkt.

Ralf Linke und Yukiko Bischof-Okubo: Erfolgreiche Verhandlungen mit Japanern; Hemmer Verlag; 28,- Euro; ISBN 3-9806979-2-4



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