Gemeinsame Außenpolitik der EU kommt voran – aber ohne Verfassung geht es nicht

Javier Solana macht die Außenpolitik der EU in aller Stille immer bedeutender - so lange, bis er irgendwann einmal vielleicht nicht nur EU-Außenminister ist, sondern sich auch so nennen darf.
Titelbild
Solana, der große Vereiner. (AP Photo/Michael Probst)
Von 20. März 2007

Er sieht aus wie der Inbegriff des zerstreuten Professors. Das ist kein Zufall: Javier Solana Madariaga (14.7.1942) war in seinem ersten Leben Professor für Festkörperphysik an der Universität Madrid. Seine Anzüge sind oft etwas zerknittert, die Hemden zu groß – unklar bleibt, ob er einen Bart trägt oder immer nur schlecht rasiert ist. Aber er scheint es, stets hellwach, zu mögen, auf den ersten Blick falsch taxiert zu werden. Der Spanier ist ein Charme-Bündel: Das Faltengesicht, das manchmal an Walter Matthau in seinen komischsten Filme erinnert, lächelt und lacht mehr als das in Brüssel üblich ist. Javier Solana verkörpert die Außenpolitik der Europäischen Union.

Offiziell lautet sein Titel seit der Ernennung im Oktober 1999: «Generalsekretär des Rates der Europäischen Union, Hoher Vertreter für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik». In den Medien wird er gerne als Chefdiplomat oder EU-Außenbeauftragter abgekürzt. Der unhandliche Titel illustriert das Dilemma der EU: Einen gemeinsamen Außenminister gibt es (noch) nicht, jedenfalls nicht vor dem ungewissen Tag des Inkrafttretens der neuen Verfassung. Dennoch hat Solana in aller Stille in der Europäischen Union eine neue Außenpolitik geschaffen, die viel diplomatisches Geschick und Durchsetzungsvermögen auf dem schwierigen Brüsseler Parkett bezeugt. Kaum etwas hat sich in den vergangenen sechs, sieben Jahren so sehr weiter entwickelt wir die EU-Außenpolitik.

«Ein Eiertanz» sei das, sagt ein EU-Diplomat. Denn die Außenpolitik ist bisher immer nationales Terrain im Kreis der 25 (ab 2007: 27) EU-Regierungen gewesen. Nicht nur, dass die nationalen Interessen höchst unterschiedlich sind. Zwei EU-Regierungen sitzen auch als ständige Mitglieder im UN-Sicherheitsrat: Frankreich und Großbritannien. Und London und Paris wollen sich dort nicht in eine EU-Disziplin zwängen lassen. Zudem hat die «Big Bang»-Erweiterung der Union um zehn Mitglieder vom Mai 2004 das Finden von gemeinsamen Positionen erschwert. Ob es der Irak-Krieg ist, das Waffenembargo gegen China oder beispielsweise in der Energiepolitik: Stets gibt es viele Meinungen und Interessen in der Europäischen Union, oft auch Streit.

Mittendrin auf der Suche nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner ist stets Javier Solana. Manchmal schafft er es, mit einer Mischung aus Beharrlichkeit und List, Bewegung in erstarrte Fronten innerhalb der Union zu bringen. Dabei mag ihm sein Kommunikationstalent helfen. Solana gilt als der größte Umarmer und Anfasser der Europäischen Union. Immer eine Hand auf irgendeine Schulter gelegt, manchmal Hand in Hand mit einem anderen Politiker schreitend, sieht es immer so aus, als treffe er gerade mal wieder alte und besonders gute Freunde.

Seit Solana den neuen Posten in aller Stille weiträumig ausfüllt und seine Kompetenzen im real existierenden Leben teilweise selbst definiert hat, hat sich mehr verändert als in den Jahrzehnten zuvor. Langsam ging es voran. Die EU wollte die Fähigkeit haben, dort, wo die NATO als Ganzes nicht eingreifen mag oder kann, autonom zur Krisenbewältigung aktiv zu werden. Ein heikles Unterfangen: Zunächst misstrauisch von der NATO beäugt, ging es in der EU darum, bei Nicht-NATO-Mitgliedern wie beispielsweise Irland und Österreich Ängste vor dem Entstehen einer Ersatz-NATO auf kaltem Wege auszuräumen. Und die USA machten sich Sorge um die Frage, ob die Europäer sich auf einen eigenen Sonderweg begeben wollten.

Mittlerweile sind viele Ängste beseitigt. Im Alltag jedoch ist die außenpolitische Stimme der EU nicht immer zu hören, immer wieder übertönt von den nationalen Außenpolitikern. «Effektiver, schlüssiger und besser erkennbar» müsse die Außenpolitik werden, fordert EU- Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Alle Meinungsumfragen zeigten, dass die Bürger «ein Mehr an gemeinsamer Außenpolitik der EU wollen. Im globalen Maßstab stellt sich die EU als größter Handelsblock unverhältnismäßig klein dar.» Ohne Verfassung allerdings geht das nicht. Bis zu deren Verabschiedung muss Solana weiterhin als «Hoher Vertreter» durch die Welt reisen, als Handelsreisender in Sachen EU-Außenpolitik.



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