Stadtbummel mit Zeitgeist

Von 18. September 2007

Kennen Sie das auch? Sie sind gerade beim Shopping, entdecken ein Juwel von einer Boutique nach der anderen, waren mit der Freundin innerhalb von drei Stunden schon vier Mal einen Kaffee trinken. Nicht weil Sie es so dringend nötig hatten, sondern schlicht der Cafés wegen. Eines trendiger als das andere. Einmal nostalgisch mit alten, durchgesessenen Armlehnsesseln und abblätterndem Lack und einer Rose auf dem Tischchen. Dann wieder poppig bunt, mit Aroma-DJs und greller Musik dazu, mal drapiert mit allerhand Kitsch oder Betten zur Entspannung und Vollspektrumlampen, schließlich wieder kühl und schlicht. Hier wechseln die Kulissen schneller als unsere Gedanken. Das ist der feine Unterschied zum Kaffeeklatsch zu Hause, auch wenn man dort den Kaffeevollautomaten mit der neuesten Technik stehen hat.

Mit jedem neu eroberten Kaufhaus wechseln wir die Stimmung, sogar die Identität, kommen uns vor wie Hollywood-Schauspieler oder Top-Managerinnen, eben Leute von Welt. Bedient wird das Gefühl, well-being, innen wie außen, tausend Urlaubsorte gleichzeitig, ohne fliegen zu müssen, ohne Buchung oder Planung. Wir geben uns ganz dem Augenblick hin, der Szene mit ihren Düften, Farben, Spielereien. Der Griff zum Lippenstift, der gekonnt aus der goldenen Designerhülle gleitet, wird zur magischen Handlung. Die Modewelt kreiert uns gleichsam – samt Givenchy-Glanzpuder im Schmuckkästchen mit Polsterdeckel. Wir erwachen wie von Zauberhand zum Leben, genießen das Spontane, diese ungeheure Leichtigkeit des Seins.

Dann ein flüchtiger Blick in eine andere Welt, eher einer momentanen Unkonzentriertheit zuzuschreiben. Oder einem Sprung im holografischen Gedächtnis? Ziemlich viele Menschen hier in der Fußgängerzone, die Outfits teilweise nicht allzu vorteilhaft, die Schminke nicht dem Typ entsprechend. Unglaublich! Wo es doch Magazine gibt und interaktive Multimediaportale für all die traurigen, noch nicht wissenden Seelen, zum problemlosen Management der Lifesyle-Philosophie. Wir Kunstmenschen sind längst selbst schon Magazin, passgenau eingegossen in die für uns erschaffene Matrix. Programmiert auf die Umgestaltung sämtlicher mit dem eigenen Körper zusammenhängender materieller Substanzen, hin zur perfektionierten Ästhetik.

Zwischen Plüsch und weich schwebender Kunstfaser bei Karstadt im Fünften Stock dann wieder dieser leichte Anflug einer unangenehmen Regung. Einige dieser so langweilig normal anmutenden Personen haben im Nostalgie-Café Platz genommen. Wo aber bleiben der zur aktuellen Stimmung gehörige Charme und das feine Plaudern, das Unsereins aus dem Effeff zelebriert? Bei längerem Nachdenken die zutiefst einleuchtende Erkenntnis: Manche konnten vielleicht den Schritt zur Globalisierungs-Kultur nicht mitgehen, leben aber immer noch unter uns. – Oder haben wir etwas verpasst?



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