„Unter Beschuss“

Ex-Nachrichtenoffizier kritisiert in seinem Buch mutlose deutsche Politik in Afghanistan
Titelbild
Foto: privat
Von 11. Februar 2010

Ein kurze Begrüßung, dann klare deutliche Worte eines ehemaligen Bundeswehrsoldaten … Es ist Mittwochabend, ein überschaubarer Veranstaltungsraum gut gefüllt in Berlin-Mitte, der Gast Marc Lindemann, 33 Jahre, zweimal als Nachrichtenoffizier mit dem deutschen Kontingent in Afghanistan, stellt sein vor kurzem erschienenes Buch vor, das offen die deutsche Politik kritisiert und sie für die jetztige Situation verantwortlich macht.

Seine Aufgabe damals im Einsatz, so sagt er, war die Kontaktaufnahme mit der lokalen Bevölkerung, das Erkennen ihrer Sorgen und das Erfassen der Bedrohungslage. So fuhren sie als kleines Einsatzteam in verschiedene Dörfer, wo ihnen die  Dorfältesten ihre Lage schilderten. Vielerorts das selbe Bild, die Not groß.

Die relevanten Informationen im Gespräch mit den Dorfältesten wurden aufgenommen. Informationen, die den zivilen Aufbau betrafen, je nach Art an Nichtregierungs- und Hilfsorganisationen weitergeleitet, die daraus die nötigen Konsequenzen ziehen konnten. Im Anschluss geschah jedoch nur selten etwas, sagt Lindemann.

Und genau hier setzt seine Kritik an, dass gerade in der relativ „ruhigen“ Phase in den nördlichen Gebieten nach dem Militärschlag der Amerikaner im Jahr 2001, die deutsche Armee in viel zu geringer Truppenstärke vor Ort war und der zivile Wiederaufbau nur zögerlich durchgeführt wurde. Dadurch änderte sich die positive Grundstimmung der Einheimischen gegenüber den deutschen Soldaten.

Anfangs hoffnungsvoll nach den vielen Jahren des Krieges, sah die Bevölkerung keine grundlegende Veränderung. Sie sah, dass ihnen die Soldaten nicht helfen konnten. Das erleichterte den Taliban, erneut Einfluss unter der Bevölkerung zu gewinnen und gegen Bezahlung neue Kämpfer anzuwerben, denn an Geld mangelt es den „Aufständischen“ nicht. Der Opiumanbau in Afghanistan expandiert. Mittlerweile stammen 92 % des weltweiten Aufkommens an Rohopium von dort. Der Drogenhandel floriert wie nie zuvor.

Marc Lindemann – emotional, anklagend – kritisiert in seinem Buch gezielt insbesondere die deutsche Politik und macht sie verantwortlich für die Lage in dem Einsatzgebiet der deutsche Truppen.

Die Bundeswehr sollte helfen Afghanistan zu stabilisieren. Doch das Bild in der Öffentlichkeit vom bewaffneten deutschen Wiederaufbauhelfer am Hindukusch hat sich geändert. Insbesondere nach dem von der Bundeswehr befohlenen Luftangriff auf zwei entwendete Tanklastwagen am 4. September 2009 in der Nähe von Kundus, bei dem auch zivile Kräfte getötet oder verletzt wurden, werden kritische Stimmen in der Öffentlichkeit lauter. Das eingeschränkte Bild vom Einsatz, das in Deutschland vorherrscht, so Lindemann, und die fehlende Anerkennung durch die Gesellschaft, wie auch das mutlose Handeln der Politik mache viele Bundeswehr-Soldaten wütend.

Das Buch gibt Einblick in die aktuellen Verhältnisse Afghanistans aus einer stark soldatisch gefärbten Sichtweise. Ob seine gewonnenen Standpunkte immer inhaltlich und moralisch gerechtfertigt sind, lässt manchen Zweifel übrig. Auch in Hinsicht auf den Luftangriff am 4. September, den er klar verteidigt. Sie sind interessant die klaren offenen Aussagen des Bundeswehrsoldaten der Reserve, da sie vermutlich Gedanken und Sichtweisen vieler Soldaten widerspiegeln. Somit kann das Buch helfen, das Denken und Erleben der Bundeswehrsoldaten im Einsatz zu verstehen. Ein kritischer Blick des Lesers sollte dabei jedoch nicht fehlen.

Zum Buch:

Marc Lindemann

Unter Beschuss – Warum Deutschland in Afghanistan scheitert
288 Seiten,  € 18,95 [D];

Erschienen:

Januar 2010
Econ Verlag
ISBN-10: 3430300460
ISBN-13: 9783430300469

Foto: privat


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