Rezession in Brasilien: Schrumpfkurs bei der Sambasause in Rio

Krise - das Wort bestimmt den Alltag der Brasilianer. Eine tiefe Rezession: minus 3,7 Prozent 2015 bei der Wirtschaftsleistung; der höchste Verlust an Arbeitsplätzen seit 24 Jahren
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Szene aus dem Karneval in Rio 2015. In diesem Jahr könnte der Umzug etwas kleiner ausfallen.Foto: Eduardo Perez/dpa
Epoch Times1. Februar 2016
Bloß nicht auch noch das Allerheiligste in Misskredit bringen. Rita Fernandes tanzt, im Arm ihre Mutter, 83, die seit 70 Jahren zum Karneval durch die Straßen Rios tanzt.

Hier in der Casarão Ameno Resedá im Stadtteil Catete stimmen sich die zwölf Blocks der Vereinigung Sebastiana auf den Straßenkarneval ein. Alle umarmen sich, eine große Familie. Vom bösen K-Wort keine Spur. „Aber dieses Jahr ist es sehr hart“, sagt Sebastiana-Präsidentin Fernandes.

Krise – das Wort bestimmt den Alltag der Brasilianer. Eine tiefe Rezession: minus 3,7 Prozent 2015 bei der Wirtschaftsleistung; der höchste Verlust an Arbeitsplätzen seit 24 Jahren; von zwei der großen Ratingagenturen ist die bisher siebtgrößte Volkswirtschaft der Welt auf Ramsch-Niveau herabgesenkt worden; eine Inflation von 10,7 Prozent im vergangenen Jahr; massive Proteste gerade in São Paulo gegen Fahrpreiserhöhungen bei Bussen. Vor allem im Supermarkt spüren die Menschen die Preissteigerungen deutlich. Dennoch werden wieder rund eine Million Touristen zum Karneval in Rio erwartet.

Hotels bleiben wohl vorerst von größeren Verwerfungen verschont. Nach Angaben der Stadt wird mit bis zu 85 Prozent Auslastung gerechnet, 2015 waren es 84 Prozent. Und auch wenn einiges etwas kleiner ausfallen wird, bei einem wird nicht gespart: 25 500 Chemie-Klos will die Stadt aufstellen. „Wir werden feiern, wie all die anderen Jahre“, hofft Rita Fernandes. Sicher: die Baterias, die Musikkapellen mit den donnernden Trommelrhythmen, werden wie eh und je alles beschallen, die Tänzerinnen und Tänzer mit farbenfrohen Kostümen die Massen begeistern. „Die Leute werden nichts sehen“, glaubt Rita Fernandes.

„Aber es wird immer schwerer, es zu finanzieren, wir bekommen keinen Centavo von der Stadt.“ Sie müssten selbst mehr aus eigener Tasche dazuschießen, einmal mag das gehen. Kleidung, Wagen, Musik – alles wird etwas weniger. Die Mangueira-Sambaschule wird nur 4000 statt 5000 Tänzer und sechs statt sieben Wagen auf die Straße schicken.

Im Land, das den Karneval mindestens so wie den Fußball liebt, müssen reihenweise Umzüge abgesagt werden: In mindestens 48 Städten fallen sie in diesem Jahr aus, hat die Zeitung „O Globo“ ermittelt, meistens wegen fehlender öffentlicher Gelder. Auch in Rio wurden bisher schon 23 Umzüge abgesagt – aber es soll hier immer noch über 600 Umzüge geben. Viele Sambaschulen müssen vor allem beim Stoff der opulenten Kostüme drastisch sparen. Rios Tourismusbeauftragter Antonio Pedro Figueira de Mello, warnt vor zu viel Schwarzmalerei. „Wir rechnen mit einer Million Touristen, schätzungsweise werden drei Milliarden Real (680 Mio Euro) in die Wirtschaft der Stadt gepumpt“, betont er.

Wer übrigens Müll, zum Beispiel leere Bierdosen, auf die Straße wirft, soll mit bis zu 510 Real (115 Euro) zur Kasse gebeten werden. Aber bei allem Zweckoptimismus: Jetzt macht noch das Zika-Virus Ärger, das im Verdacht steht, bei infizierten Schwangeren Schädelfehlbildungen bei den Babys auszulösen. Im Bundesstaat Rio de Janeiro stieg die Zahl der Mikrozephalie-Verdachtsfälle auf 171. Das Sambódromo, wo ab Ende der Woche Hunderttausende Menschen den Samba-Karneval feiern werden, wird von Leuten in Spezialanzügen mückenfrei gespritzt.

„Es gibt keine Grund zur Beunruhigung. Die Strategie ist die gleiche wie immer“, betont eine Sprecherin der Gesundheitsbehörde – auch in Vorjahren sei das Sambódromo entsprechend geschützt worden, da zu der Jahreszeit die Aedes aegypti-Mücke, die auch das Dengue-Fieber überträgt, sehr aktiv ist. Bisher gibt es keine Anzeichen für größere Stornierungen. Aber je länger das Virus nicht in den Griff bekommen wird, desto stärker müssen die Organisatoren der Olympischen Spiele bangen, ob die erhofften Touristenmassen im August nach Rio kommen. Das wäre ein wirklich schwerer Schlag, schon jetzt gibt es Probleme, das Budget einzuhalten – die Einnahmen werden dringend gebraucht.

(dpa)

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