Warum im Jetzt zu leben die beste Zukunft bringt

Viele der Augenblicke, die unser Leben ausmachen, gleiten einfach an uns vorbei – ohne dass wir sie überhaupt wahrnehmen. Dabei sei das im Jetzt leben viel besser für unsere Zukunft, als für die Zukunft zu leben, meint die Psychologin Nancy Colier.
Titelbild
Es gibt nur wenige Dinge, die wir mehr genießen als die Momente, in denen wir ganz in dem aufgehen, was wir tun.Foto: molchanovdmitry/iStock
Von 27. August 2021

Im Jetzt zu leben ist der Kern aller Achtsamkeitslehren und des Wohlbefindens. Doch was bedeutet es, „präsent zu sein“?

Wahrscheinlich würden wir alle unterschiedliche Antworten auf diese Frage geben. Wichtig ist, zu wissen, was Präsentsein für uns in der Praxis bedeutet. Und vielleicht auch, warum wir überhaupt im Jetzt leben wollen.

Wenn wir ganz präsent sind, fühlen wir uns mit dem Leben und allem, was dazugehört, verbunden. Wir sind Teil des Augenblicks, wir befinden uns in ihm. So gibt es auch einen Drang in uns, das Leben direkt zu erleben und unsere Erfahrungen tiefer zu verstehen, als wir es durch irgendeine Idee, ein Konzept oder Erinnerung je könnten.

Wir wollen im Fluss sein, ganz in einer Tätigkeit aufgehen, bis zu dem Punkt, an dem die Trennung zwischen dem Handelnden und dem Tun verschwindet, ebenso wie jegliche Vorstellung von Zeit. Letztlich wollen wir zu einem Zustand des Einsseins zurückkehren, an den wir uns auf einer psychischen Ebene zu erinnern scheinen.

Unmittelbar wollen wir im Jetzt leben, weil die Erfahrung, nicht präsent zu sein, sich unbefriedigend anfühlt. Wir fühlen uns leer, unerfüllt und unwirklich – wie Geister in unserem eigenen Leben, an denen das ganze Abenteuer vorbeizieht.

Nicht präsent zu sein ist so, als hätte man eine Eintrittskarte für das tollste Abenteuer aller Zeiten gewonnen und sich entschieden, nicht daran teilzunehmen. Wir wollen präsent sein, um am Spiel teilzunehmen, solange sich uns diese wunderbare Gelegenheit bietet.

Beim Im-Jetzt-Leben sollten ein paar grundlegende Sachen beachtet werden. Vor allem geht es darum, zu spüren, was in dem Augenblick mit unseren Sinnen passiert. Es bedeutet zu fühlen, was unser Körper empfindet, innerlich und äußerlich; zu sehen, was wir sehen, zu riechen, was wir riechen, zu schmecken, was wir schmecken, und zu hören, was wir hören – wie es gerade geschieht. Es bedeutet, die Gefühle und Empfindungen durch unseren Körper zu erfahren und nicht mit unserem Verstand zu analysieren.

Präsent zu sein ist, wenn man weder an die Vergangenheit denkt noch die Zukunft plant. Es bedeutet, diesem Augenblick mit unseren Sinnen Aufmerksamkeit zu schenken, ohne zu urteilen oder zu kommentieren.

Präsent zu sein erfordert nicht die Abwesenheit von Gedanken. Im Jetzt zu leben, bedeutet nicht, dass der Geist nicht mehr denkt –
Gedanken an sich hindern uns nicht daran, präsent zu sein.

Gedanken passieren, sie können immer wieder kommen, egal wie präsent wir sind. Mit Gedanken präsent zu sein, bedeutet, zu wissen, dass Gedanken auftauchen, aber (und hier kommt das große Aber) ohne sich mit diesen Gedanken zu identifizieren. Mit anderen Worten, wir bemerken zwar, dass Gedanken da sind, aber wir lassen uns nicht in ihre Geschichten und Inhalte hineinziehen; wir gehen nicht in den Kaninchenbau, in den sie uns locken.

Im Jetzt zu leben, bedeutet, sofort zu fühlen, was mit dem Körper und den Sinnen geschieht. Dazu gehört auch, darauf zu achten, was im Geist geschieht, unsere Aufmerksamkeit auf das Jetzt zu richten, ohne zu versuchen, diesen Augenblick in eine gewünschte Richtung zu lenken.

Viele von uns, mich eingeschlossen, haben mit dieser feineren Seite der Präsenz zu kämpfen. Tief in uns gibt es den Drang, etwas aus unseren Augenblicken zu machen, unser Leben in eine positive Richtung zu lenken, um das zu erreichen, was wir wollen.

In diesem Augenblick betrachtet ein Teil von uns, manchmal unbewusst, die Gegenwart als einen Meilenstein auf dem größeren Weg unseres Lebens. Wir leben geradlinig, wobei das Jetzt untrennbar mit einer vorgestellten Zukunft verbunden ist.

Diese Geradlinigkeit hat eine subtile, manchmal nicht wahrnehmbare Energie, die uns ein wenig vom Leben abhält. Sie hält uns davon ab, etwas mit dem Leben zu tun, etwas daraus zu machen, das uns nützt. Da unser „Jetzt“ ständig mit der Zukunft verbunden ist, können wir nicht darauf vertrauen, dass es sicher ist, wirklich loszulassen und uns ganz diesem Augenblick hinzugeben.

Voll und ganz im gegenwärtigen Moment zu sein, bedeutet, da zu sein, ohne zu verlangen oder zu erwarten, dass dies zu etwas anderem führen wird. Es bedeutet, hier zu sein, ohne diesen Moment ausnutzen zu wollen, um eine bestimmte Identität zu fördern oder zu zeigen, dass wir etwas sind oder auch eben nicht sind.

Mit tiefer Präsenz zu leben, bedeutet, darauf zu vertrauen, dass das Leben erfüllend ist und dass wir zufrieden sein werden, wenn wir uns einfach von Augenblick zu Augenblick darauf einlassen.

Es bedeutet zu glauben, dass das Leben wie eine Perlenkette – aus vielen Jetzt aneinandergereiht – gut gelebt werden kann. Auf diese Art präsent zu sein, bedeutet, die Vorstellung loszulassen, wir seien die Regisseure unseres eigenen Lebens und müssten es nutzen, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen.

Wenn wir unseren Sinnen Aufmerksamkeit schenken, ohne zu urteilen, zu bewerten oder ein Ziel zu verfolgen, werden wir erfahren, dass indem wir uns um das Jetzt kümmern, wir unsere Zukunft am besten sichern und unsere Ziele am erfolgreichsten erreichen können.

Im Gegensatz zu allem, was uns gelehrt wird, können wir ein freudiges Leben am besten erreichen, wenn wir auf das Jetzt achten – und dann auf das darauffolgende Jetzt und so weiter. Diese Wahrheit können wir nur in der Praxis erfahren. Auf das Jetzt zu achten ist alles, was wir wirklich tun müssen.

Wie man das Präsentsein üben kann

Nehmen Sie sich jeden Tag ein paar Minuten Zeit, um den Fokus vom Kopf auf den Körper zu verschieben. Spüren Sie, wie sich das Hier und Jetzt anfühlt. Lassen Sie Ihre Aufmerksamkeit mit Ihrem Körper im Einklang stehen. Merken Sie, wie Ihre Aufmerksamkeit zu Ihrem eigenen körperlichen Sein zurückkommt. Nehmen Sie das Gefühl der Erleichterung, der Ruhe, der Freude oder was auch immer auftaucht, wahr, wenn Sie Ihrem Körper Ihre volle Aufmerksamkeit schenken. Spüren Sie das „Aaah, ja, ich bin hier zu Hause“.

Im Laufe eines Tages werden Sie den subtilen Drang wahrnehmen, den gegenwärtigen Augenblick als Mittel zum Zweck zu leben, in jenem Moment etwas zu sein oder zu tun. Schauen Sie, ob Sie diese Absicht loslassen können. Üben Sie sich darin, sich dem Jetzt hinzugeben – ohne Gedanken oder Pläne für die Zukunft.

Versuchen Sie, im Jetzt zu leben und so zu tun, als ob es wirklich nichts anderes gäbe. Lassen Sie es zu, den ganzen Tag nur eines von sich selbst zu verlangen: im Jetzt zu leben. Betrachten Sie es als ein Experiment, ob es ausreicht, sich um den gegenwärtigen Moment zu kümmern, um ein gutes Leben zu führen.

Nancy Colier ist Psychotherapeutin, interreligiöse Seelsorgerin, Autorin, Referentin, Workshopleiterin und Verfasserin mehrerer Bücher über Achtsamkeit und persönliches Wachstum.

Dieser Artikel erschien im Original auf The Epoch Times USA unter dem Titel: Why Paying Attention to This Moment Creates Your Best Future (deutsche Bearbeitung von as)



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion