Wenn Wände träumen könnten

Wie die Tapeten von De Gournay eine fast verlorene Kunst am Leben erhalten
Titelbild
Die Künstler von De Gournay malen jedes Motiv von Hand mit einer Zwei-Pinsel-Technik: ein Pinsel für Pigmente, der andere für Wasser. Es dauert Stunden, diese Technik auszuführen – und Jahre, sie zu beherrschen. Fotos: Mit freundlicher Genehmigung von de Gournay
Von 22. Juni 2022

Mit der richtigen Dekoration kann der einfachste Raum in eine atemberaubende Wunderwelt verwandelt werden. Die Kunsthandwerker von „De Gournay“, dem berühmten britischen Unternehmen für luxuriöse Inneneinrichtung, haben Spaß daran, solche Erlebnisse zu kreieren. Mit ihren handgemalten und maßgeschneiderten Tapeten lassen sie eine vorindustrielle chinesische Kunstform wieder aufleben – es ist ein mühsamer Prozess, der die schönsten und eindrucksvollsten Tapeten der Welt hervorbringt.

Die Geschichte des Unternehmens De Gournay startete in den frühen 1980er–Jahren, als Claud Cecil Gurney einige antike Chinoiserie-Tapeten in seinem Londoner Familienhaus restaurieren wollte. Die Restauration gestaltete sich allerdings nicht so einfach, wie er dachte. Die von der industrialisierten Massenproduktion überholte Technik der Chinoiserie-Malerei war in China, wo er nur einen einzigen Lieferanten ausfindig machen konnte, im Begriff auszusterben. Aus Angst vor dem Verschwinden dieser Kunstform suchte Gurney nach Künstlern, deren Eltern und Großeltern in den alten chinesischen Pinselführungstechniken ausgebildet worden waren. Techniken, die für die Chinoiserie-Aquarellmalerei unerlässlich sind. 1986 bildete er ein kleines Team, bestehend aus fünf Künstlern – De Gournay war geboren.

„Erdem“ auf Adam Grey gefärbter Seide. Fotos: Mit freundlicher Genehmigung von de Gournay

Das Familienunternehmen, das heute weltweit bekannt ist, hat sich mittlerweile auch auf andere historische und zeitgenössische Stile handgemalter und handbestickter Wandverkleidungen verlegt sowie auf feines Porzellan und handgeschnitzte Möbel. Die prächtige Chinoiserie-Kollektion bleibt jedoch nach wie vor das Herzstück des Unternehmens.

Die Chinoiserie ist ein europäisches Phänomen des 18. Jahrhunderts. Sie resultiert aus der Faszination für den Osten, ausgelöst durch die Seidenstraße und den Seehandel, wo Gewürze, feines Porzellan, faszinierende Bilder exotischer Kreaturen, Architektur und Kleidung nach Europa gebracht wurden. In einer Zeit, in der die Reisemöglichkeiten begrenzt waren, erlaubte die Fantasie Einblicke in andere Welten. Die Chinoiserie ist zutiefst fantastisch – sie zeigt bezaubernde Landschaften und üppige Gärten voller fantasievoller Flora und Fauna, von Pfingstrosen bis zu bunten Pfauen.

Detail von „Erdem“ auf goldgelb gefärbter Seide. Fotos: Mit freundlicher Genehmigung von de Gournay

Als Gurney das Unternehmen gründete, verfolgte er zwei Ziele: die Wiedereinführung der Chinoiserie-Tapeten in die europäische Einrichtung und ihre Herstellung anhand authentischer chinesischer Techniken aus dem 18. Jahrhundert. So wie manch antike europäische Tapeten die Zeit überdauern konnten, werden die Tapeten von De Gournay aus langlebigen Materialien und mit Techniken hergestellt, die Jahrhunderte überdauern sollen.

Eine typische Tafel besteht aus zwei Lagen handgeschöpftem Xuan-Papier – traditionelles chinesisches Reispapier – die laminiert und mit Seide kaschiert werden. Die Aquarellfarben für den Hintergrund werden mithilfe großer Pinsel aufgetragen. Noch im feuchten Zustand werden die Papier- und Seidenschichten geknickt, flach gezogen und getrocknet, wodurch im Papier deutliche Spuren und Farbkleckse entstehen.

Jede Tapete wird zunächst von Hand in Miniatur gezeichnet, um die Proportionen genau zu bestimmen. Sie ist auf die Maße eines bestimmten Raums zugeschnitten. Die Künstler arbeiten in Teams: Zunächst werden die Entwürfe mit Bleistift skizziert, danach wird mit Aquarellfarben gemalt, wobei eine im 12. Jahrhundert perfektionierte Technik zum Einsatz kommt, in der mit zwei Pinseln gemalt wird. Ein Pinsel wird für das Pigment, der andere für das Wasser verwendet; zusammen erzeugen sie erstaunliche Farbverläufe. Später werden mit einem dritten Pinsel feine Details hinzugefügt. Die Fertigstellung einer Tafel dauert etwa 80 Stunden.

„Portobello“ auf Blue Grey India Teepapier, mit Innengestaltung von Brittany Bromley. Fotos: Mit freundlicher Genehmigung von de Gournay

In der chinesischen Pinselmalerei wird jeder Strich bewusst gesetzt und nicht verändert. Es bedarf jahrelanger Ausbildung und Übung, um diese Technik sicher zu beherrschen. Die Meister von De Gournay bilden Lehrlinge aus und fördern sie. Weniger erfahrene Künstler beginnen mit dem Malen einfacher Gestaltungselemente wie Zweige und Blätter und lernen erst später, wenn sie Selbstvertrauen gewonnen haben, das Malen komplexerer Elemente wie Vögel und Blumen. Das Wachstum des Teams ist ein organischer Prozess.

Erstaunliche Kunstfertigkeit, Technik und Sorgfalt machen jede De Gournay-Tapete einzigartig. So wie ein Couture-Kleid nach exakten Vorgaben angefertigt wird, wird jede Tapete so zugeschnitten, dass sie perfekt in einen Raum passt. Und so wie ein feines Stück Porzellan Zartheit mit Beständigkeit verbindet, kombiniert jede sorgfältig hergestellte Tapete ätherische Schönheit mit dauerhafter Qualität.

„The Colony“ auf rosa edo-Papier, exklusiv für die Lobby des Colony Hotels in Palm Beach, Florida, entworfen. Inspiriert von der ursprünglichen Wandmalerei in der Lobby des 1947 eröffneten Hotels, zeigt das Design die in Südflorida heimische Flora und Fauna. Fotos: Mit freundlicher Genehmigung von de Gournay



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