Zu Goethes Todestag am 22. März 1832, der sich zum 186. Male jährt

Goethes Lebensspuren und Lebensäußerungen betrachten und bestaunen bewirkt oft genug auch, dass wir unsere eigenen Spuren daneben sehen und vergleichen.
Titelbild
Wolfgang von Goethe in Weimar.Foto: Sean Gallup/Getty Images
Von 22. März 2018

Wer sich mit Goethe beschäftigt, wer ihn liest, auf seinen Spuren unterwegs ist, der gleicht oft genug einem Kinde, das seine Füße in die großen Fußabdrücke eines vorausgehenden Erwachsenen setzt.

Goethes Leben, Wirken, Denken und Lieben hinterließen vielfältige Abdrücke, wie sie z.B. in Weimar oder in Dornburg, einem seiner wichtigen Rückzugsorte, konserviert sind. Durch all das Gedruckte,  museal Konservierte und Aufbereitete aus seinem irdischen Lebenskreis – wirkt da nicht  e i n e  große, alles tragende, vorwärtstreibende  und beispielgebende Kraft, die dieses Leben immer wieder so faszinierend erscheinen lässt?

Was ist das für eine erstaunliche Kraft, die in Goethe, in seiner Seele wirkt?

Begeben wir uns auf eine Spurensuche, die hier nur andeuten und anreißen will:

Goethes Todestag jährt sich heute, am 22. März, zum 186 Male.

Was bedeutete der Tod für Goethe?

Mit abstrakten, philosophischen oder theologischen Spekulationen über ein Leben nach dem Tode hielt sich Goethe zurück, ja er tat dies spöttisch ab:

Die Beschäftigung mit Unsterblichkeitsideen ist für vornehme Stände und besonders für Frauenzimmer, die nichts zu tun haben. Ein tüchtiger Mensch aber, der schon hier etwas Ordentliches zu sein gedenkt, und der daher täglich zu streben, zu kämpfen und zu wirken hat, lässt die künftige Welt auf sich beruhen und ist tätig und nützlich in dieser.  Ferner sind Unsterblichkeitsgedanken für solche, die in Hinsicht auf Glück hier nicht zum besten weggekommen sind …“. (Zu Eckermann am 25. 2. 1824)

Aber im völligen Gegensatz dazu stehen viele andere Äußerungen in Gesprächen oder Briefen. Zum Beispiel schreibt Goethe noch kurz vor seinem Tode an seinen Altersfreund, den Musiker Karl Friedrich Zelter:

Und dann darf ich Dir wohl ins Ohr sagen: ich erfahre das Glück, dass mir in meinem hohen Alter Gedanken aufgehen, welche zu verfolgen und in  Ausübung zu bringen wohl eine Wiederholung des Lebens gar wohl wert wäre …“.

Goethe, der rastlos Tätige, Forschende, Sammelnde, Betrachtende, Rezipierende, Reisende, der Minister, Jurist, Theaterdirektor, Vorsitzender unzähliger Kommissionen des Weimarer Herzogtums, ein großer Kommunikator in Gesprächen und Briefen, der Dichter, der Freund und Liebende … unglaublich und erstaunlich vielfältig, aber auch höchst widersprüchlich sind die Facetten der goetheschen Geistseele, deren unaufhörliches Tätigsein für Goethe die Quelle seines Glaubens an sein unsterbliches Wesen ist:

Lange leben, so schreibt er an Zelter, heißt viele überleben, so klingt das leidige Ritornell unseres vaudevilleartig hinschludernden Lebensganges wirken wir fort, bis wir, vor- oder nacheinander, vom Weltgeist berufen, in den Äther zurückkehren! Möge dann der ewig Lebendige uns neue Tätigkeiten, denen analog, in welchen wir uns schon erprobt, nicht versagen! Fügt er sodann Erinnerung und Nachgefühl des rechten und Guten, was wir hier schon gewollt und geleistet, väterlich hinzu, so würden wir gewiss nur desto rascher in die Kämme des Weltgetriebes eingreifen. Die entelechische Monade muss sich nur in rastloser Tätigkeit erhalten; wird ihr diese zur andern Natur, so kann es ihr in Ewigkeit nicht an Beschäftigung fehlen.

In seinem letzten Brief, geschrieben an Goethes Todestag, dem 22. März 1832, (dieser Brief erreichte Goethe nicht mehr) erwidert Zelter:

Es wäre recht artig, wenn man von Jahrhundert zu Jahrhundert an die Oberwelt zurückkehren könnte, welches Korn aufgegangen und fortgegangen ist?

In den „Wahlverwandtschaften“ aber ließ Goethe Ottilie im Nachsinnen über Gespräche über den Sinn von Friedhöfen und Grabsteinen sagen: Ist denn alles, was wir tun, für die Ewigkeit getan? Ziehen wir uns nicht morgens an, um uns abends wieder auszuziehen? Und warum sollten wir nicht wünschen, neben den Unsrigen zu ruhen, und wenn es auch nur für ein Jahrhundert wäre. Wenn man die vielen versunkenen abgetretenen Grabsteine erblickt, so kann einem das Leben nach dem Tode doch immer wie ein zweites Leben vorkommen, in das man nun im Bilde, in der Überschrift eintritt und länger darin verweilt als in dem eigentlichen lebendigen Leben. Aber auch dieses Bild, dieses zweite Dasein verlischt früher oder später.

Aber am Ende der „Wahlverwandtschaften“ bricht doch wieder Goethes schon sehr früher Glaube durch: So ruhen die Liebenden nebeneinander. Friede schwebt über ihrer Stätte , und welch ein freundlicher Augenblick wird es sein, wenn sie dereinst wieder zusammen erwachen.

Hier klingt – wie in vielen anderen Äußerungen Goethes – seine Überzeugung an, dass sich die Geistseele immer wieder verkörpert, wie er es beispielsweise im Folgenden sprichwörtlich ausdrückte:

Heute geh ich. Komm ich wieder,

singen wir ganz andere Lieder.

Wo so viel schon hoffen lässt,

ist der Abschied ja ein Fest.

(Gedichte, Ausgabe letzter Hand 1827, Sprichwörtlich)

Schon der junge Goethe, in den Zeiten seiner leidenschaftlichen Liebe zu Charlotte Buff, trug den Gedanken an die Wiederverkörperung in sich, der im letzten Gespräch vor seiner Trennung zwischen ihm Charlotte und deren Verlobten Kästner aufbrach.

In der Begegnung mit Charlotte von Stein aber wird ihm die Wiederverkörperung nun untrügliche Gewissheit:

 „… Sag, was will das Schicksal uns bereiten?

Sag, wie band es uns so rein genau?

Ach, du warst in abgelebten Zeiten

meine Schwester, oder meine Frau …“.

Später wird Goethe an Frau von Stein prosaisch schreiben: Wenn ich wieder auf die Erde komme, will ich die Götter bitten, dass ich nur einmal liebe, und wenn Sie nicht so feind dieser Welt wären, wollt ich um Sie bitten zu dieser lieben Gefährtin. (Brief vom 2.3.1779 an Ch. v. Stein)

Und zwei Jahre später heißt es an die Geliebte: Wie gut ists, dass ein Mensch sterbe, um nur die Eindrücke auszulöschen und gebadet wiederzukommen.

An den leidenschaftlichen Liebesbegegnungen und Beziehungen zu Charlotte Buff und Charlotte von Stein entzünden und formen sich Goethes Unsterblichkeitsgedanken, die zugleich die Überzeugung in sich tragen, dass die Geistseele oder „entelechische Monade“, wie Goethe sie später wiederholt bezeichnete, sich immer wieder verkörpert.

Des Menschen Seele

Gleicht dem Wasser.

Vom Himmel kommt es,

Zum Himmel muss es,

Und wieder nieder

Zur Erde muss es,

Ewig wechselnd

Kommen wir zurück auf die Frage vom Anfang: Was war, was ist das für eine erstaunliche Kraft, die in und durch Goethes Seele wirkte?

Im obigen Gleichnis des „Gesangs der Geister über den Wassern“ ist es – unausgesprochen – die Sonne, die den Kreislauf des Wassers impulsiert. In Goethes Leben ist diese Kraft, die ihn durch und durch bestimmt, die sein Wesen ausmacht, die Liebe Liebe in all ihren Ausprägungen und menschlich-vielfältigen Formen – von der Leidenschaft des „Werther“, der innigen Frauenverehrung gegenüber Charlotte von Stein oder der Fürstinnenmutter Anna Amalia, der sinnlichen Liebe zu Christiane, der tätigen, dichtenden, forschenden und sammelnden Liebe zu Mensch und Natur wie sie Goethe gegen Ende seines Lebens in der „Marienbader Elegie“ zum Ausdruck bringt:

In unsers Busens Reine wogt ein Streben

Sich einem Höhern, Reinern, Unbekannten

Aus Dankbarkeit freiwillig hinzugeben …“

Für Goethe war dieses Streben mit dem Ablegen des Körpers im Tode nicht zuende.

Für ihn war gewiss, dass er … „schon tausendmal dagewesen und hoffte, wohl noch tausendmal wiederzukommen.

Mag Goethe für viele auch scheinbar tot sein – wir aber leben hoffentlich wirklich.



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