Kommunalwahl: Die Hundertjährige, die auszog, um den Stadtrat zu erobern

„Wer etwas ändern will, muss sich dafür einsetzen“, sagt die älteste Kandidatin bei der Kommunalwahl in Rheinland-Pfalz. Lisel Heise kandidiert als Hundertjährige für den Stadtrat ihres pfälzischen Heimatorts Kirchheimbolanden.
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Lisel Heise kandidiert auf Listenplatz 20 - aber wenn viele ihren Namen ankreuzen, kann sie nach vorne rutschen.Foto: Uwe Anspach/dpa
Epoch Times20. März 2019

Politik ist etwas für jedes Alter. Lisel Heise ist kurz nach dem Ersten Weltkrieg geboren, hat vier Kinder großgezogen – und kandidiert als Hundertjährige nun für den Stadtrat ihres pfälzischen Heimatorts Kirchheimbolanden.

„Wer etwas ändern will, muss sich dafür einsetzen“, sagt die älteste Kandidatin bei der Kommunalwahl in Rheinland-Pfalz resolut. Letzter Anstoß für ihr Engagement war die Schließung ihres geliebten Freibads. „Der Zustand ist Idiotie! Mir blutet das Herz“, erzählt sie mit zornigem Unterton. „Das war mein Lebenselixier und ein Kinderzimmer für viele im Ort.“

„Wir für Kibo“ heißt die Initiative, für die Lisel Heise am 26. Mai antritt. Kibo steht für Kirchheimbolanden, einen Ort mit knapp 8000 Einwohnern im Donnersbergkreis. Chef der Gruppe, die derzeit mit einem Mandat im Stadtrat sitzt, ist Thomas Bock. Bei einem Treffen habe die Seniorin von „Spießern“ und „Mief“ im Rathaus erzählt, sagt er. „Die Kandidatur war dann reine Formsache“, sagt Bock. „Viele der heute über 40-Jährigen hatten sie als Lehrerin in der Schule.“

Ihre Kandidatur beeindruckt auch Politprofis. „Das ist ein großartiges Signal. Es ehrt nicht nur unsere Demokratie, wenn sich eine Hundertjährige aufmacht, ein Kommunalparlament aufzumischen“, sagt Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) der Deutschen Presse-Agentur. Die Bewerbung ermutige Seniorinnen und Senioren, dass man sich in jedem Alter für das Gemeinwesen einsetzen könne.

„Ich will den Mund aufmachen, solange ich noch Kraft habe“

Heise führt ein bewegtes Leben, und was für eins. Als Lisel Waltgenbach wird sie am 12. März 1919 geboren. Sie arbeitet als Lehrerin in Künzelsau (Baden-Württemberg), bis sie im Krieg nach Danzig abkommandiert wird, um Umsiedlern zu helfen. Ihren Mann heiratet sie 1942 in seinem Urlaub während des Afrika-Feldzugs. Nach dem Krieg arbeitet Heise wieder als Lehrerin.

Mit einem Mandat im Stadtrat würde sie nach rund 80 Jahren ihrem Vater folgen. „Er hat dort 1938 die Zerstörung der Synagoge kritisiert, was ihm vier Wochen Haft einbrachte. Nur durch den Einfluss eines Bekannten wurde er vor dem KZ bewahrt“, erzählt sie.

Die bewundernswert fitte Seniorin kandidiert auf Listenplatz 20 – aber wenn viele ihren Namen ankreuzen, kann sie nach vorne rutschen. Dies nennt man „kumulieren“. Bock hält es für möglich, dass sie ganz nach vorne kumuliert wird.

Die Landeswahlleitung hat an der Kandidatur nichts auszusetzen. Es existiere kein Höchstalter, und der Gesundheitszustand spiele ebenfalls keine Rolle, betont Sprecher Hans Ulrich Weidenfeller. 100 Jahre seien aber durchaus etwas Besonderes. „Kandidaturen in dieser Altersklasse sind dem Landeswahlleiter bis dato nicht bekannt.“

Die etablierten Parteien betrachtet Lisel Heise mit Skepsis, aber ein Politiker hat ihr imponiert: Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD). „Mir geht’s in erster Linie nicht um den Erfolg – sondern darum, das Richtige zu tun“, sagt sie. „Ich will den Mund aufmachen, solange ich noch Kraft habe.“ (dpa)



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