Täuschte eine unzüchtige Nonne ihren eigenen Tod vor, um dem Kloster zu entfliehen?

Im Mittelalter - sechs Jahrhunderte vor heute - legt eine Frau namens Joan von Leeds ein Gelübde ab, dass sie auf ewig an Gott und ein Kloster in York binden sollte. Doch irgendwann beschließt die Nonne diesem Leben entfliehen zu wollen und täuscht ihren eigenen Tod vor.
Titelbild
Ein mittelalterliches Dokument enthüllt die Geschichte einer unzüchtigen Nonne namens Joan von Leeds.Foto: Mit freundlicher Genehmigung des Borthwick Institute for Archives der University of York
Epoch Times26. Februar 2019

In einem Brief an den Dekan von Beverley, der um 1318 datiert, erwähnt Erzbischof William Melton ein „skandalöses Gerücht“, das er hörte. Er beschreibt das schändliche Verhalten einer Nonne mit dem Namen Joan von Leeds. „Der Dekan von Beverley war für das Gebiet  Yorkshire etwa 64 Kilometer östlich von York verantwortlich“, sagte Jones.

Die Archivarin und Historikerin Sarah Rees Jones entdeckte die Geschichte bei der Erforschung der Register der Erzbischöfe von York. Diese Dokumente zeichneten die Geschäfte der Geistlichen von 1304 bis 1405 auf. Im Rahmen eines Projekts der Universität York wollen die Forscher nun deren Inhalt online zugänglich machen.

Brief eines Erzbischofs aus dem 14. Jahrhundert

In dem Brief heißt es, dass Joan „unverschämt die Anständigkeit der Religion und die Bescheidenheit ihres Geschlechts beiseite geschoben hatte. Aus einem bösartigen Geist, der eine körperliche Krankheit simulierte, gab sie vor, tot zu sein. Sie fürchtete nicht um die Gesundheit ihrer Seele und mithilfe ihrer zahlreichen Komplizen fertigten die Übeltäter mit böswilliger Absicht eine Attrappe in Gestalt ihres Körpers, um die treuen Gläubigen zu täuschen. Und sie schämte sich nicht, ihre Beerdigung in einem heiligen Raum unter den Ordensleuten dieses Ortes zu organisieren.“

„In dem Brief bittet er den Dekan um Hilfe bei der Suche nach Joan und verlangt, dass sie in ihr Kloster in York zurückkehrt“, sagte Jones zu Live Science. „Der Fall wurde in das Register der Erzbischöfe aufgenommen, was im Mittelpunkt unseres Projekts steht“, fügte sie hinzu.

Die Register sind Teil von 16 schweren Bänden, die die Beamten des mittelalterlichen Erzbischofs auf seinen Reisen bei sich trugen. Nach dem englischen Bürgerkrieg im Jahr 1600, wurden sie in London gelagert, bevor sie im 18. Jahrhundert in das Diözesanregister in York gebracht wurden.

Eine Attrappe verhalf der Nonne zur Flucht

Um unerkannt fliehen zu können, schuf Joan anscheinend eine Art Puppe, den die anderen Nonnen an ihrer Stelle begraben sollten. „Meine Vermutung ist, dass sie so etwas wie ein Leichentuch benutzt und es mit Erde gefüllt hat. Daher bekam es ein Dummy-ähnliches Aussehen“, so Jones. „Die Menschen wurden gewöhnlich in Leichentüchern begraben.“

In dem Brief heißt es, dass die Nonne aufgrund ihrer „fleischlichen Begierde“ fliehen wollte. Doch diesbezüglich können Jones und ihre Kollegen nur spekulieren.

„In moderner Hinsicht kann es bedeuten, dass sie die materiellen Freuden des Lebens in der weltlichen Welt genießen und ihr Gelübde der Armut aufgeben wollte. Es kann aber auch bedeuten, dass sie eine sexuelle Beziehung führen und ihr Gelübde der Keuschheit aufgeben wollte“, schrieb die Historikerin in einer E-Mail an Live Science. „Wir wissen, dass auch andere religiöse Menschen ihre Berufungen aufgegeben haben, um zu heiraten oder ein Erbe anzunehmen.“

Ein mittelalterliches Dokument enthüllt die Geschichte einer unzüchtigen Nonne namens Joan von Leeds. Foto: Mit freundlicher Genehmigung des Borthwick Institute for Archives der University of York

In den Registern könnten weitere faszinierende Geschichten schlummern

In den Registern werden nach Angaben der Universität weitere faszinierende Geschichten zu finden sein. Nicht nur, weil sie bislang wenig untersucht wurden, sondern auch, weil die Register die täglichen Aktivitäten der Erzbischöfe aufzeichneten. Diese Menschengruppen führten damals ein ziemlich interessantes Leben.

„Auf der einen Seite führten sie diplomatische Arbeit in Europa und Rom durch und rieben die Schultern der VIPs des Mittelalters“, sagte sie in einer Erklärung. „Aber sie waren auch vor Ort, um Streitigkeiten zwischen den gewöhnlichen Menschen zu lösen, Priorate und Klöster zu inspizieren und eigensinnige Mönche und Nonnen zu korrigieren.“

Auch die fromme Arbeit konnte zu dieser Zeit sehr gefährlich gewesen sein, da der Schwarze Tod damals durch Europa fegte. Die Priester waren diejenigen, die die Kranken besuchen und die letzten Riten durchführten, bemerkte sie.

Mit viel Glück wird die restliche Geschichte von Nonne Joan gelüftet

Rees Jones und ihre Kollegen hoffen, mehr über einige der bedeutendsten Erzbischöfe zu erfahren, darunter auch Melton. William Melton führte 1319 eine Armee von Priestern und Bürgern an, um die Stadt York gegen die Schotten zu verteidigten.

Ein weiterer Erzbischof, Richard le Scrope, schloss sich dem so genannten Nordaufstand gegen Heinrich IV. an, für den er 1405 hingerichtet wurde. Die Aufzeichnungen, sagte Rees Jones, können seine Motivationen für das Mitmachen offenbaren. Vielleicht kommt auch die restliche Geschichte der entflohenen Nonne ans Tageslicht und ob sie ins Kloster zurückgebracht wurde, oder nicht.

Archivar Gary Brannan und Professor Sarah Rees Jones studieren die mittelalterlichen Register der Erzbischöfe von York. Foto: Mit freundlicher Genehmigung des Borthwick Institute for Archives der University of York



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion