Unter den „Gärten der Welt“: Ausstellung zeigt 10.000 Jahre Berliner Siedlungsgeschichte

Archäologie ist mehr, als nur in der Erde wühlen. Doch wie genau arbeiten Archäologen und woher wissen sie, wie alt die Dinge sind, die sie finden? Eine Ausstellung der Staatlichen Museen zu Berlin liefert Antworten.
Titelbild
Keramik bei der Grabung in Biesdorf - 1. bis 3. Jahrhundert nach Christus.Foto: ABA Schirmer & Bräunig GbR
Epoch Times30. Juni 2019

Anlässlich der 2014 beendeten 15-jährigen Ausgrabung in Biesdorf geben die Staatlichen Museen zu Berlin mit der Ausstellung „Berlins größte Grabung. Forschungsareal Biesdorf“ einen interessanten Einblick in Tausend Jahre Siedlungsgeschichte des Berliner Bezirks Marzahn-Hellersdorf.

10.000 Jahre Siedlungsgeschichte in einer Ausstellung

Was machen Archäologen auf der Baustelle? Was sich viele angesichts der zahlreichen Großbaustellen der Bundesrepublik schon gefragt haben mögen, bekommt in dieser Ausstellung die Antwort: Sie erforschen die Geschichte unter unseren Füßen.

Berlins größte Ausgrabung fand 1999 bis 2014 bauvorbereitend in Biesdorf statt. Auf gut 13 Hektar Fläche konnten 10.000 Jahre Siedlungsgeschichte an der Wuhle dokumentiert werden, bevor hier erneut Häuser gebaut wurden.

Die Sonderausstellung im Griechischen Hof des Neuen Museums macht erlebbar, wie Forscher arbeiten und präsentiert außergewöhnliche Funde, wie etwa eine steinzeitliche Hirschmaske, die zu den ältesten Funden Berlins zählt, sowie prähistorischen Schmuck.

Kugelfibel, Bronze – 3. Jahrhundert vor Christus. Foto: Staatliche Museen zu Berlin, Museum für Vor- und Frühgeschichte / Cl. Klein

Marzahn-Hellersdorf hat viel mehr zu bieten als Plattenbauten

Biesdorf gehört zum Berliner Bezirk Marzahn-Hellersdorf und ist bekannt für die „Gärten der Welt“ – und für seine Plattenbauten. Archäologen können allerdings beweisen, dass der Bezirk noch viel mehr zu bieten hat. Für den Bau von neuen Häusern in Biesdorf-Habichtshorst wurden in verschiedenen Kampagnen während der Jahre 1999 bis 2014 gut 13 Hektar Fläche ausgegraben, unter denen sich 10.000 Jahre Siedlungsgeschichte verbargen.

Seit der Steinzeit finden sich immer wieder Spuren menschlicher Besiedlung am kleinen Fluss Wuhle. Doch wie weist man diese nach? Woher wissen Forscher, wo sie suchen müssen? Und welche Funde machen Biesdorf so besonders? Auf diese Fragen gibt die Sonderausstellung Antworten. Sie lässt erleben, wie Archäologen forschen, was sie dabei finden und welche Schlüsse daraus gezogen werden können.

Ein Archäologe bei der Dokumentation in Biesdorf. Foto: ABA Schirmer & Bräunig GbR

Seltene Goldmünze des römischen Kaisers Caracalla

Im „Forschungsareal Biesdorf“ gilt es zunächst zu entdecken, was der Forschung schon vor der eigentlichen Ausgrabung aus den Akten heraus bekannt ist. Bereits hier wird die Besonderheit des Ortes deutlich. So wurde 1928 bei Gartenarbeiten in Marzahn eine durchlochte Goldmünze des römischen Kaisers Caracalla gefunden, die aus der Zeit von 211 bis 217 nach Christus stammt.

Funde dieser Art sind in Berlin sehr selten. Zwar ist bekannt, dass es Kontakte zwischen den hier ansässigen Germanen und den Römern gegeben hat, die Anzahl der Funde, die dies belegen, ist bisher jedoch gering. Bei Vorbegehungen der Grabungsfläche in Biesdorf konnten Archäologen zusätzliche Bronzeobjekte bergen, die ebenfalls römisch sind.

Aureus gelocht, Caracalla (reg. 211–217 nach Christus), Gold. Foto: Stiftung Stadtmuseum Berlin. Reproduktion: Dorin Alexandru Ionita

Nächste Station: Mitmachen und Mitentdecken

Wie Archäologen ausgraben, ihre Funde den verschiedenen Zeiten zuordnen und am Ende die Biesdorfer Lebenswelt von 7000 vor Christus bis heute rekonstruieren, zeigt der Hauptteil der Ausstellung. Interaktive Stationen sollen dabei zum Mitmachen und Mitentdecken anregen, sowie die Forschungstätigkeiten besser verstehen lassen.

Archäologie-Studenten der Freien Universität Berlin werden regelmäßig kleinere Ausgrabungen innerhalb der Sonderausstellung vorführen. Hierfür steht ihnen ein eigener Bereich zur Verfügung, in dem sie eine Blockbergung freilegen.

Dabei handelt es sich um archäologische Objekte, die in einem Block aus Erde geborgen wurden, damit ihre Ausgrabung später im Labor detaillierter dokumentiert werden kann, als das unter freiem Himmel möglich ist. Die genauen Daten der Live-Ausgrabungen werden zu Beginn der Ausstellung bekannt gegeben.

Bronzeschmuck in Widderkopf-Form, Bronze – um 100 vor Christus. Foto: Staatliche Museen zu Berlin, Museum für Vor- und Frühgeschichte / Cl. Klein

Der spektakulärsten Fund aus Biesdorf ist etwa 9000 Jahre alt

Als spektakulärsten Fund aus Biesdorf kann man eine steinzeitliche Hirschmaske bezeichnen, die vermutlich einem Schamanen für Rituale diente und in die Zeit um 7000 vor Christus datiert. Damit zählt die Maske zu den ältesten Funden Berlins. Sie ist aus dem Geweih eines Rothirsches geschnitzt. Vergleichbare Funde sind weltweit nur von sehr wenigen Orten bekannt.

Am Beispiel der Hirschmaske wird in der Sonderausstellung eine Forschungsstrategie präsentiert, die dem besseren Verständnis der Herstellung von bestimmten Objekten dient: die Anfertigung einer Replik. In Kooperation mit dem Museumsdorf Düppel (Stadtmuseum Berlin) wurde eigens für die Sonderausstellung mittels selbst hergestellter Feuersteinwerkzeuge eine Replik der Hirschmaske angefertigt.

Hieraus generieren Forscher neues, praktisches Wissen zur Herstellung derartiger Objekte. Darüber hinaus steht die Replik nun für Besucher zur Verfügung, die selbst erleben können, wie schwer sich solch ein Geweih auf dem eigenen Kopf anfühlt.

Hirschmaske, Geweih/Knochen – 9000 bis 8000 vor Christus. Foto: Staatliche Museen zu Berlin, Museum für Vor- und Frühgeschichte / Cl. Klein

Wasserquellen von der Bronzezeit bis in das Mittelalter

Ein essentieller Teil des Lebens in Biesdorf ist über alle Zeiten hinweg der Bau von Häusern und Brunnen. Archäologen konnten während der neuen Grabungsarbeiten die erstaunliche Anzahl von 84 Brunnen verschiedener Bauformen aus der Bronzezeit bis in das Mittelalter hinein dokumentieren.

Die Ausstellung zeigt mit einem sogenannten Lackprofil das Bild, das ein Flechtbrunnen im Boden hinterlässt. Wie das Flechtwerk anfertigt wurde, können Besucher am erstmals organisierten „Tag der lebendigen Archäologie“ am Sonntag, den 6. Oktober 2019, miterleben.

In Zusammenarbeit mit dem Museumsdorf Düppel wird die Replik eines Brunnens für die Sonderausstellung fertiggestellt. Das Rahmenprogramm wird durch weitere archäologische Erlebnisse ergänzt. Der fertige Brunnen ist im Anschluss als Teil der Ausstellung zu sehen.

Brunnen während der Ausgrabung in Biesdorf. Foto: ABA Schirmer & Bräunig GbR

Das „Forschungsareal Biesdorf“ zeigt sich insgesamt als eine aktive Ausstellung, die die Archäologie Berlins erlebbar macht. Die Ergebnisse der Entdeckerstationen innerhalb der Ausstellung werden am Ende zusammengefasst. Hier wird deutlich, wie die verschiedenen Forschungsaspekte das Wissen bereichern und zu einer 10.000-jährigen Geschichte des Ortes führen, die von Besuchern zuvor selbst entdeckt werden konnte.

Daten zur Ausstellung:

Ausstellung: Berlins größte Grabung – Forschungsareal Biesdorf. Eine Sonderausstellung des Museums für Vor- und Frühgeschichte – Staatliche Museen zu Berlin in Kooperation mit dem Landesdenkmalamt Berlin

Ausstellungseröffnung: Dienstag, 1. Oktober 2019, 19 Uhr

Ausstellungszeitraum: 2. Oktober 2019 – 19. April 2020

Ort: Museumsinsel Berlin, Neues Museum: Bodestraße, 10178 Berlin

Öffnungszeiten: Mo, Di, Mi, Fr 10 – 18 Uhr, Do 10 – 20 Uhr, Sa + So 10 – 18 Uhr

Haarnadel mit Punktverzierung, Knochen – 1. bis 3. Jahrhundert nach Christus. Foto: Staatliche Museen zu Berlin, Museum für Vor- und Frühgeschichte / Cl. Klein



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