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Kontroverse um Workshops

Weiße Kinder ausgeschlossen? – Stein des Anstoßes auf dem Evangelischen Kirchentag

Der Evangelische Kirchentag in Hannover will ein Raum für gesellschaftliche Debatten sein. Doch zwei Workshops zum Thema Rassismus und Empowerment sorgen für heftige Kontroversen. Kritiker sprechen von einer Ausgrenzung weißer Kinder und warnen vor einer ideologischen Spaltung innerhalb der Kirche.

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Insgesamt gibt es bei dem Evangelischen Kirchentag in Hannover rund 1.500 Events an mehr als 60 Orten.

Foto: Moritz Frankenberg/dpa

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Lesedauer: 8 Min.

Am Mittwoch, 30. April, hat in Hannover der diesjährige Evangelische Kirchentag begonnen. Während sich der Rückgang der Mitgliederzahlen der Evangelischen Kirche in Deutschland auch im Vorjahr weiter fortgesetzt hatte, erwartet der unabhängige Veranstalter bis zum 4. Mai täglich eine sechsstellige Anzahl von Besuchern.
An etwa 60 Orten sind rund 1.500 Veranstaltungen geplant. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sieht den Kirchentag als „Ort, an dem wir die Fragen stellen, die uns gerade auf den Nägeln brennen“. Einige der angekündigten Programmpunkte haben schon im Vorfeld für Kontroversen gesorgt.

Veranstaltung auf dem Kirchentag soll Selbstbewusstsein von BIPoC-Kindern stärken

Dazu gehören unter anderem zwei Veranstaltungen, die für Samstag angekündigt sind und die von der Initiative Beyond Bias Box organisiert werden. Die erste, die von 11 bis 15 Uhr im Haus der Jugend stattfinden soll, steht unter dem Titel „Werde mutig und stark“. Es handelt sich dabei um eine „Empowerment“-Veranstaltung, die darauf ausgerichtet sein soll, das Selbstbewusstsein von Kindern aus sogenannten BIPoC-Zusammenhängen zu stärken.
Die Abkürzung BIPoC steht für „Black, Indigenous, and other People of Color”. Der Verwendung dieses Begriffes liegt die Annahme zugrunde, dass Afroeuropäer, Angehörige indigener Völker oder andere Menschen mit nicht weißer Hautfarbe durch die Mehrheitsgesellschaft in Europa einem höheren Risiko ausgesetzt sind, aufgrund von Vorurteilen oder kollektivem Verhalten benachteiligt zu werden.
Der angebotene Workshop richtet sich, wie es auch in der Ankündigung heißt, „ausschließlich an Black, Indigenous und Kinder of Color“. Durchführen werden ihn die wissenschaftliche Mitarbeiterin Collet Wanjugu Döppner und die Antirassismustrainerin Beate Lamohr.

Aufforderung zur Abgrenzung?

Die Vorgabe, dass sich der Workshop ausschließlich an BIPoC-Kinder richtet, wurde vor allem in sozialen Medien zum Gegenstand von Kritik. Buchautor Rainer Zitelmann schreibt auf Facebook, es würde auf dieser Veranstaltung „weißen Kindern der Zutritt ausdrücklich verboten“. Auch „Bild“ äußert sich in dieser Weise und schlagzeilt: „Kirchentag schließt weiße Kinder aus“.
„Viele Christen“, so heißt es in dem Beitrag, „fragen sich, ob Hautfarbe und Herkunft plötzlich darüber entscheiden, wer Gottes Mut zugesprochen bekommt – und wer nicht“. Es entstehe der Eindruck, dass der Kirchentag sich von der Idee des christlichen Universalismus entferne. Außerdem werde an nicht weiße Kinder dadurch die implizite Botschaft kommuniziert, dass sie „anders“ seien und sich abgrenzen sollten.
Der rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Günter Krings, zeigt gegenüber dem Springer-Medium zwar Verständnis dafür, dass „gerade ein Kirchentag auch immer politisch ist“. Allerdings wünsche er sich als evangelischer Christ, dass man „politische Botschaften aus der Heiligen Schrift und nicht nur aus einer linken politischen Grundhaltung ableitet“. Viele Veranstaltungstitel deuteten jedoch auf eine „Aufteilung der Gesellschaft in Minderheiten und Einzelgruppen“. Dies entspreche nach seinem Verständnis nicht dem Verkündigungsauftrag der Kirchen.

Kirchentag bietet gleich im Anschluss Veranstaltung für weiße Erwachsene an

Weder der Kirchentag selbst noch die Beyond Bias Box hat sich bislang zu der Kritik geäußert. Allerdings stellt es in der Arbeit mit manchen Gruppen einen gängigen Ansatz dar, exklusive geschützte Räume – sogenannte „safe spaces“ – zu schaffen. Diese sollen den Betroffenen ermöglichen, frei über ihre Erfahrungen zu sprechen, ohne sich rechtfertigen oder erklären zu müssen. Dadurch soll es leichter werden, gezielte Unterstützung im Kontext individueller Herausforderungen mit Rassismus und kultureller Ausgrenzung zu bieten.
Nach diesem Prinzip funktionieren unter anderem Selbsthilfegruppen oder Einrichtungen wie Frauenhäuser oder viele Jugendzentren. Ein solcher Ansatz dürfte auch hinter dem Konzept der für Samstag geplanten Veranstaltung stehen. Offen bleibt, inwieweit der öffentliche Rahmen eines Kirchentages diesem Ansatz entgegenkommen kann.
Neben dem Angebot „Werde mutig und stark“ bietet die Beyond Bias Box im Anschluss den Workshop „Kritisches Weißsein – Ein Einstieg: How to be an ally?“ an. Dieser richtete sich an „Erwachsene, die nicht von Rassismus betroffen sind“. Durchführen wird ihn die Erzieherin Christiane Johanna Emmi Knetsch.

„Critical Whiteness“ – Was ist darunter zu verstehen?

Ihr Angebot steht unter dem Banner der sogenannten Critical Whiteness. In dem Workshop plant sie, darüber zu sprechen, „was Allyship bedeutet – und wie ihr eine antirassistische Haltung ganz konkret in euren Alltag integrieren könnt“. Das Konzept der „Kritischen Rassentheorie“ (CRT) und der „Critical Whiteness Studies“ (CWS) untersucht behauptete oder empirisch belegte Zusammenhänge zwischen Rassenzugehörigkeit und systemischen Ungleichheiten.
Die Theorien fokussieren sich im Wesentlichen auf zwei Narrative. Das eine ist jenes des Bias, das darauf abzielen soll, auf „weiße Privilegien“ aufmerksam zu machen und das Bewusstsein dafür zu wecken. Das andere ist das „Development-Narrativ“. Dieses soll Wege finden, Ressourcen zur Stärkung benachteiligter Minderheiten zur Verfügung zu stellen.
Das Narrativ bezüglich der „weißen Privilegierung“ bezieht sich auf in bestimmten Bereichen wahrnehmbare systemische Vorteile. So sei die Wahrscheinlichkeit, dass Weiße Opfer von anlassloser oder exzessiver Polizeigewalt werden, empirisch geringer. Auch die Armut sei im Durchschnitt in BIPoC-Communitys höher.
Allerdings stellt – und dies wird an der CRT häufig kritisiert – die Rassenzugehörigkeit nicht den einzigen Faktor dar, der Ungleichbehandlungen und systemische Nachteile erklärt. So wachsen in den USA deutlich mehr afroamerikanische als weiße Kinder ohne Vater auf, was in allen Bevölkerungsgruppen ein Risikofaktor für fehlende Bildungserfolge und Kriminalität ist.
Neben dem Workshop, der sich speziell an BIPoC-Kinder richtet, gibt es am Freitag auf dem Kirchentag auch einen Stand zum Thema „Stark, beherzt und solidarisch gegen Kinderarmut“. Dieser hat offenbar auch unterprivilegierte Kinder und Jugendliche aus der Mehrheitsbevölkerung im Blick.

Welche Politiker auf der Gästeliste stehen – und welche nicht

Kirchentagspräsidentin Anja Siegesmund hatte angesichts der von der Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) ausgelösten Debatte über die politische Rolle der Kirche gesagt: „Ja, es braucht eine Kirche, die sich auch politisch äußert und Haltung zeigt.“
Klöckner hatte Mitte April gewarnt, die Kirche riskiere, beliebig zu werden, wenn sie ständig zu tagesaktuellen Themen Stellungnahmen abgebe und nicht mehr die grundsätzlichen Fragen von Leben und Tod im Blick habe. „Dann wird sie leider auch austauschbar“, sagte sie der „Bild am Sonntag“.
Am Samstag wird Klöckner am Kirchentag teilnehmen. Zu den weiteren Gästen des Kirchentages zählen der geschäftsführende Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei einem seiner wohl letzten Termine im Amt, dessen Vorgängerin Angela Merkel (CDU) sowie der frühere Bundespräsident Christian Wulff.
Vertreter von AfD und BSW wurden nicht eingeladen.
Mit Material der Nachrichtenagenturen
Reinhard Werner schreibt für die Epoch Times zu Wirtschaft, gesellschaftlichen Dynamiken und geopolitischen Fragen. Schwerpunkte liegen dabei auf internationalen Beziehungen, Migration und den ökonomischen Folgen politischer Entscheidungen.

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