In einer Stellungnahme erklärte sich das ZDF folgendermaßen zu dem am 19. Oktober von israelischen Streitkräften gezielt getöteten Mitarbeiter seiner örtlichen Partnerfirma: „Der getötete Mitarbeiter der Firma PMP, die als Dienstleister für das ZDF gearbeitet hat, war dort seit 2013 als Techniker im Bereich der Übertragungstechnik beschäftigt. Er war kein ZDF-Mitarbeiter und in journalistische Fragen nicht eingebunden. Aufgrund seiner Aufgabe gab es auch keine Kontakte zwischen dem ZDF-Studio in Tel Aviv und dem getöteten Ingenieur.“
Das ZDF habe nach dem Angriff die israelische Armee um Aufklärung gebeten. Eigene Recherchen des Studios Tel Aviv hätten keine Anhaltspunkte für eine Mitgliedschaft des Technikers bei der Hamas ergeben.
Die israelischen Streitkräfte legten dem ZDF offenbar eine Woche nach dem Vorfall Unterlagen vor, „nach denen davon auszugehen ist, dass der Ingenieur Mitglied der Qassam-Brigaden war“, verlautbarte der Sender daraufhin. Das ZDF habe die Zusammenarbeit mit der Produktionsfirma Palestine Media Production (PMP) „umgehend bis auf Weiteres eingestellt“, stellt der Sender klar.
Und behauptet: „Nach aktuellem Stand gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass weitere Mitarbeiter von PMP Hamas-Mitglieder sein könnten.“ Auch die israelische Armee habe dem ZDF „keine Hinweise darauf geliefert“. Die Produktionsfirma PMP war laut Angaben des ZDF seit 1996 als Dienstleister für das ZDF tätig.
Wie große TV-Sender im Gazastreifen arbeiten
Der Fall offenbart, wie dünn die Trennlinie zwischen Berichterstattung und Unterwanderung sein kann. Die Produktionsfirma PMP arbeitet auch für das britische Staatsfernsehen BBC und für den katarischen Privatsender Al Jazeera, der für eine Hamas-Nähe in seiner Berichterstattung bekannt ist.
In mehreren arabischen Staaten wurden wegen einseitiger Berichterstattung die Büros von Al Jazeera geschlossen. Selbst die Palästinensische Autonomiebehörde im Westjordanland hat Anfang des Jahres die Verbreitung von Al-Jazeera-Sendungen „wegen provokativer Sendungen“ untersagt, wie der Sender selbst
berichtete.
Grundsätzlich hätte die Zusammenarbeit von Al Jazeera mit der PMP beim Nahost-Korrespondenten Thomas Reichart, dem Leiter des ZDF-Studios in Tel Aviv, ein Warnsignal auslösen können.
Der Journalist und Nahost-Experte von Reporter ohne Grenzen, Christopher Resch, gibt jedoch in einem Gespräch mit Web.de zu bedenken: „Alle Menschen komplett zu überprüfen, die für eine Dienstleisterfirma arbeiten, ist aus meiner Sicht für ausländische Medien im Gazastreifen schlicht nicht möglich. Außerdem war der Mann als Techniker tätig, nicht als Journalist.“
Reporter ohne Grenzen: ZDF berichtet nicht genug über den Hamas-Fall
Allerdings kritisiert Resch, dass das ZDF bislang zu schmallippig reagiert habe. „Es bräuchte mehr Berichterstattung seitens des ZDF zu dem Fall. Es reicht nicht, nur zu sagen, wir haben Dokumente der israelischen Streitkräfte bekommen, die belegen, dass der Mann Hamas-Mitglied war. Man wüsste schon gerne, wodurch das belegt ist und welche Rolle er hatte. […]Dazu steht in den Dokumenten nichts.“
Resch gibt sich außerdem skeptisch gegenüber israelischen Informationen: „Israel ist nun mal, genau wie die Hamas, Kriegspartei. Da ist Skepsis angebracht. Zumal wir seit Beginn des Gaza-Kriegs von der israelischen Armee immer wieder Belege präsentiert bekommen haben, die wir [Reporter ohne Grenzen] und andere Organisationen stark anzweifeln.“
Massive Presserestriktionen Israels
Dass internationale Medien auf die Zusammenarbeit mit Ortskräften angewiesen sind, sei auch auf Israels Gaza-Politik zurückzuführen: „Israel lässt seit Kriegsbeginn so gut wie keine internationalen Berichterstatter nach Gaza. Das hat sich auch mit der Waffenruhe nicht geändert“, erklärt der Reporter.
Ausnahmen würden nur für sogenannte „embeded Journalists“ genehmigt, also Reporter, die unter Aufsicht der israelischen Armee und in deren Begleitung berichten. Vor der Veröffentlichung müsse das Filmmaterial vorgelegt werden. Kontakt mit der palästinensischen Bevölkerung sei auf diesen Touren auch „nicht vorgesehen“. Manch einer der „Embeds“ habe deshalb im Nachhinein entschieden, nichts zu veröffentlichen. Aufgrund dieser harschen Restriktionen fordert Reporter ohne Grenzen Israel dazu auf, mehr ausländische Journalisten nach Gaza zu lassen. „Sie wären einfach ein zusätzliches Korrektiv“, zeigt sich Resch überzeugt.
Sorgfaltspflicht eines Auslandskorrespondenten?
Über die Produktionsfirma PMP ist im Internet wenig zu erfahren. Auch bisherige Wikipedia-Einträge über PMP in mehreren Sprachen wurden gelöscht.
Bekannt ist: Die PMP liefert Videomaterial, Schaltmöglichkeiten und lokale Kontakte und ist für ausländische Sender oft die einzige Quelle aus dem Gebiet. Doch wenn solche „Partner“ zugleich Teil der Hamas-Strukturen sind, kann jedes übertragene Bild Teil einer gezielten Inszenierung der Terrororganisation werden, ohne dass dies dem westlichen Journalisten oder den Endverbrauchern, den Zuschauern, auffällt.
Daher stellt sich die Frage nach der Sorgfaltspflicht des ZDF-Korrespondenten Reichart vor Ort.
ZDF-Korrespondent erklärt, wie er über Gaza berichtet
In einem ausführlichen Video auf Instagram vom 13. Juli 2025 erklärt Reichart, wie das ZDF in Tel Aviv arbeitet. Seine Einlassungen, wie er über die Lage im Gazastreifen berichtet, sind äußerst aufschlussreich und „sprechen für sich“, wie Armin Laschet (CDU), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, den gesamten ZDF-Hamas-Vorfall bezeichnete.
Hier ein paar Zitate Reicharts: Die israelische Regierung lasse ihn nicht nach Gaza einreisen oder nur selten in Begleitung von israelischem Militär. „So, wie alle internationalen Korrespondenten, darf ich nicht allein frei in Gaza berichten.“ Und weiter: „Was wir im Gegensatz zu allen anderen Sendern haben, sind Kollegen in Gaza, mit denen wir seit vielen Jahren zusammenarbeiten und die für uns drehen und Interviews führen, die sozusagen unsere Augen und Ohren in Gaza sind.“
Diese „Kollegen“ schicken dann das besprochene Material nach Tel Aviv, „wo wir daraus die Stücke für unsere Nachrichtensendungen machen“, erklärt Reichart. Von einer Überprüfung dieser „Kollegen in Gaza“ spricht Reichart nicht. Vielmehr sagt er, diese „Kollegen“ „gehen erhebliche Risiken ein“. Diese Mitarbeiter seien es, „mit deren Hilfe wir Euch Geschichten erzählen können, die ganz nah dran sind an dem, was gerade in Gaza passiert“.
Sind Social-Media ein Mittel zur Überprüfung?
Nach Informationen von „BILD“ prüft nun das ARD-Studio in Tel Aviv seine Kontakte im Gazastreifen. Ein Sprecher erklärte gegenüber der Zeitung, anders als das ZDF arbeite der „Bayerische Rundfunk“, der für das ARD-Studio Tel Aviv verantwortlich ist, nicht mit einer lokalen Produktionsfirma zusammen, sondern mit „Einzelpersonen“. Diese würden unter anderem mittels ihrer Social-Media-Profile überprüft.
Doch reicht das?
Auch das ZDF hatte unmittelbar nach der Tötung des Partnermitarbeiters mitgeteilt, es gebe „keine Anhaltspunkte“ für seine Hamas-Mitgliedschaft. Wenige Tage später belegte das israelische Militär das Gegenteil.
Was die Überprüfung mittels Social-Media angeht, verfügt zumindest der staatliche Auslandssender „Deutsche Welle“ (DW) über Erfahrung und hat mehrfach Konsequenzen bezüglich Mitarbeiter und Programmanteile gezogen.
Im Jahr 2021 gab DW etwa bekannt, dass sie ihre Partnerschaft mit dem jordanischen Fernsehsender Roya TV einstellt. Anlass war „das Bekanntwerden von antisemitischen Kommentaren in Sozialen Medien“. Im Dezember 2021 hatte sich der Sender von fünf Mitarbeitern seiner Arabisch-Redaktion und freien Journalisten getrennt. Sie sollen zuvor antisemitische und antiisraelische Äußerungen gepostet, die Einträge aber später gelöscht haben.
Wenn dem DW solche Fälle mehrfach aufgefallen sind, stellt sich die Frage: Hätte auch das ZDF seine Partner und Dienstleister besser überprüfen können?