Gericht gibt erstmals Staat Verantwortung für Schäden durch Epilepsie-Medikament

Nach tausenden Fällen von Missbildungen bei Neugeborenen durch ein Epilepsie-Medikament hat ein französisches Gericht erstmals dem Staat die Mitverantwortung dafür gegeben.
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Pharmakonzern Sanofi.Foto: IROZ GAIZKA/AFP via Getty Images
Epoch Times2. Juli 2020

Nach tausenden Fällen von Missbildungen bei Neugeborenen durch ein Epilepsie-Medikament hat ein französisches Gericht erstmals dem Staat die Mitverantwortung dafür gegeben. Das Verwaltungsgericht im Pariser Vorort Montreuil verurteilte den französischen Staat am Donnerstag zu Entschädigungszahlungen zwischen 20.000 und 290.000 Euro an drei Familien, deren Kinder mit Missbildungen auf die Welt kamen, nachdem ihre Mütter während der Schwangerschaft das Medikament Depakine eingenommen hatten.

Nach Auffassung des Gerichts sind auch der Pharmakonzern Sanofi, der das Medikament hergestellt und vertrieben hatte, sowie die Ärzte, die es verschrieben haben, für das Drama für tausende Eltern und Kinder mitverantwortlich, wenngleich in einem geringeren Ausmaß.

Depakine wird seit 1967 in Frankreich zur Behandlung von Epilepsien und bipolaren Störungen eingesetzt. Es enthält den umstrittenen Wirkstoff Valproat, der bei der Einnahme durch Schwangere zu Missbildungen, Autismus und geistigen Behinderungen bei deren Kindern führen kann. Einer Studie zufolge sind zwischen 15.000 und 30.000 Kinder davon betroffen.

Gefahr seit 1983 bekannt

Nach Einschätzung des Gerichtsgutachters wussten die Behörden bereits seit 1983 von den Gefahren einer Missbildung und seit 2004, dass das Medikament auch für Autismus und Lernbehinderungen verantwortlich sein könnte. Das Gericht befand nun, der Staat sei seiner Aufsichtspflicht nicht nachgekommen.

Geklagt hatten drei Familien, deren fünf Kinder heute zwischen elf und 35 Jahre alt sind. Die Entschädigungen richten sich vor allem nach dem Geburtsdatum. In dem Fall eines 1985 geborenen Opfers folgten die Richter den Einschätzungen des Gutachters, wonach die Gefahren von Autismus zu dem Zeitpunkt den Behörden noch nicht bekannt waren.

Die Kläger wollen deshalb in Berufung gehen. Zwar begrüße sie die Verurteilung des Staats und auch der Ärzte, sagte Marine Martin vom französischen Verband Apesac, der insgesamt 7500 Opfer vertritt. „Aber ich bin wütend, weil 80 Prozent der vor 2004 geborenen Kinder von einer Entschädigung ausgeschlossen sind“.

Gegen Sanofi läuft ein weiteres Ermittlungsverfahren wegen „schwerer Irreführung“ und „fahrlässiger Körperverletzung“. Doch muss es nach dem französischen Rechtssystem nicht notwendigerweise zu einem Prozess kommen. Der Pharmariese weist jedes Fehlverhalten vor sich. Er gibt an, die Gesundheitsbehörden bereits ab den 80er Jahren auf die Risiken seines Medikaments hingewiesen zu haben. (afp/sua)



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