Mammutprozess um beispiellose Mordserie von Ex-Krankenpfleger Niels H. startet

Der bereits in zwei Prozessen für mehrere Taten rechtskräftig verurteilte frühere Krankenpfleger soll über Jahre hinweg Intensivpatienten in zwei Krankenhäusern in Oldenburg und Delmenhorst getötet haben, ohne dass ihn jemand aufhielt.
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KrankenhausFoto: über dts Nachrichtenagentur
Epoch Times28. Oktober 2018

Am kommenden Dienstag beginnt im niedersächsischen Oldenburg der Mammutprozess um die wohl beispiellose Mordserie des ehemaligen Krankenpflegers Niels H.. Dem bereits wegen Mordes und anderer Delikte zu lebenslanger Haft verurteilten Mann werden 99 weitere Taten vorgeworfen, ein 100. mutmaßlicher Mord ist zur Anklage gebracht und könnte später in den Prozess eingebunden werden.

Der bereits in zwei Prozessen für mehrere Taten rechtskräftig verurteilte frühere Krankenpfleger soll über Jahre hinweg Intensivpatienten in zwei Krankenhäusern in Oldenburg und Delmenhorst getötet haben, ohne dass ihn jemand aufhielt. Nach Erkenntnissen der Ermittler verabreichte er ihnen zwischen 2000 und 2005 eigenmächtig Medikamente, um Herz-Kreislauf-Stillstände auszulösen und sie anschließend wiederzubeleben. Viele starben.

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der heute 41-Jährige aus einer Art Geltungssucht handelte. Der Angeklagte habe seine „Fähigkeiten im Bereich der Reanimation gegenüber Kollegen und Vorgesetzten präsentieren“ wollen, betonten die Ermittler bei der Vorstellung ihrer Anklageschrift. Demnach halten sie es auch für möglich, dass er mit seinen Taten „Langeweile“ bekämpfen wollte.

Verschleppte Ermittlungen

Der Fall H. hält Öffentlichkeit und Ermittler bereits seit Jahren in Atem. Der Umfang der Verbrechensserie kam nur stückweise ans Licht. H. war von 1999 bis 2005 auf Intensivstationen an Kliniken in Oldenburg und Delmenhorst tätig. 2005 wurde er entlassen und wegen des konkreten Verdachts, einen Patienten getötet zu haben, festgenommen.

Für diese Tat verurteilte ihn das Oldenburger Landgericht bereits 2008. Danach blieb es erst einmal ruhig. Nach weiteren Hinweisen und Ermittlungen folgte 2014 und 2015 ein Prozess wegen weiterer fünf Taten, in dem der völlig verschlossene H. gegenüber einem Gutachter überraschend 30 Morde einräumte. Erst daraufhin wurden die Ermittlungen ausgeweitet und systematisch vorangetrieben.

Eine eigens eingerichtete Sonderkommission „Kardio“ untersuchte alle Sterbefällen an früheren Arbeitsstätten des Pflegers. Im Zuge der rund dreijährigen Ermittlungen wurden auch die Leichen von mehr als 130 verstorbenen Patienten exhumiert und auf Reste der verschiedenen von H. eingesetzten Medikamente untersucht. Das Ergebnis dieser Bemühungen ist der nun beginnende neue Prozess.

Wut der Angehörigen

Bei den Angehörigen ist die Wut über die jahrelange Untätigkeit der Kliniken und der Justiz  groß. So kam bei den Ermittlungen heraus, dass Kollegen Verdacht schöpften, aber niemand die Polizei einschaltete. Inzwischen sind auch ehemalige Klinikverantwortliche angeklagt.

Die Staatsanwaltschaft sah zumindest bis zu H.s Geständnis kein Anlass für weitergehende Untersuchungen. „Die Ermittlungen in dem Mordfall wurden aktiv von der Staatsanwaltschat verweigert, verhindert, verschleppt, verschlampt“, kritisiert Christian Marbach, Enkel eines von H. ermordeten Patienten. 126 Angehörige werden sich als Nebenkläger an dem Prozess gegen H. beteiligen, der aus Platzgründen in einer Veranstaltungshalle stattfindet.

Sicherheit in Krankenhäusern

Der Fall H. löste auch Debatten über die Sicherheit in Kliniken aus, Patientenschützer forderten Verbesserungen. Niedersachsen verschärfte gerade sein Krankenhausgesetz. Kliniken im Land müssen künftig anonyme Meldesysteme einführen und Stationsapotheker beschäftigten, um eine bessere Kontrolle über die Ausgabe von Medikamenten zu haben. H. etwa bediente sich für seine Taten problemlos an unterschiedlichen hochwirksamen Arzneien.

Unklar bleibt, ob der neue Prozess das ganze Ausmaß der Taten von H. abbildet oder seine Mordserie am Ende noch umfangreicher sein könnte. Trotz intensivster Ermittlungen gelang es auch der Soko „Kardio“ nicht, ein verlässliches Gesamtbild zu erstellen. Viele Patienten wurden feuerbestattet, Obduktionen waren unmöglich.

Und auf die Ausführungen von H. ist nur bedingt Verlass, wie die bisherigen Ermittlungen und Prozesse zeigten. Zu seinen Motiven äußerte er sich nie wirklich, von vollständigen Geständnissen war er weit entfernt. „Die tatsächliche Anzahl der Opfer kann man nicht wirklich beziffern“, betont der Leiter der Soko „Kardio“, Arne Schmidt. Die Staatsanwaltschaft will weitere Überraschungen im Fall H. nicht ausschließen. „Mit ihm weiß man nie“, heißt es dort.    (afp)



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