Schlaflosigkeit wird oftmals nur geträumt

Leiden Sie unter Schlaflosigkeit? Forscher aus Freiburg meinen, in Wirklichkeit wird nachts weniger wachgelegen als die Leidtragenden annehmen. Um den Gründen auf die Spur zu kommen, wurden die Studienteilnehmer aus der Traumphase aufgeweckt, um ihnen Fragen zu stellen.
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Die Sterblichkeitsrate erhöht sich um 13 Prozent, wenn die Schlafdauer sechs Stunden unterschreitet.Foto: iStock
Von 11. August 2019

Bei der Zeitumstellung auf die Sommerzeit macht es sich schon bemerkbar. Bereits diese eine fehlende Stunde beeinträchtigt die Leistungsfähigkeit am darauf folgenden Tag. Wenn nun mehrere schlaflose Nächte aufeinander folgen, kann dies mitunter körperliche Schäden mit sich bringen.

Betroffene wissen um die Mühen nach einer schlaflosen Nacht, dadurch entsteht zusätzlicher Druck. Die Last „schlafen zu müssen“ und „zur Ruhe kommen zu müssen“ verwandelt die Nacht zu einer Quälerei.

Doch nicht alles ist ein „Schlaf-Problem“, nicht jedes „Nachmittagstief“ ist ein Erschöpfungszustand und nicht jedes nächtliche Erwachen ist anormal. Stefan Seidel vom Schlaflabor der Universitätsklinik für Neurologie der MedUni Wien/AKH Wien differenziert folgendermaßen: „Von Einschlafstörungen sprechen wir, wenn man regelmäßig nachts länger als 30 Minuten zum Einschlafen braucht.“

Was behindert den Schlaf?

Ein Hauptproblem für den Schlaf ist die Zunahme von Stressbelastungen in der Familie und bei der Arbeit. Hinzukommt, dass die permanente Bestrahlung durch blaues Licht von Smartphone & Co die Melatonin-Ausschüttung vermindert, was uns zusätzlich den Schlaf raubt. 30 Prozent der Schichtarbeit leiden unter Schlafmangel und 20 Prozent der Manager, Führungskräfte und Politiker sind ebenfalls regelmäßig unausgeschlafen.

Fazit: Alle Gesellschaftsschichten Deutschlands leiden unter Schlaflosigkeit. Die Folgen der Schlaflosigkeit sind nicht zuletzt unsoziales Verhalten und gesellschaftlicher Rückzug.

Die deutsche Schlafgesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) ist der Meinung, die „moderne Industriegesellschaft“ sei verantwortlich für die weite Verbreitung von Schlafstörungen. Führungskräfte würden unter anderem dazu verdonnert werden, mehr Leistung zu erbringen – bei vergleichsweise weniger Schlaf.

Schlaflosigkeit hat sich in den letzten Jahren verfünffacht. Schichtarbeiter und Führungskräfte sind am meisten davon betroffen. Foto: iStock

Schlafmangel beeinflusst die Entscheidungsfreudigkeit

Durchschnittlich weniger als 5 Stunden Schlaf bekommen Politiker und Spitzenmanager. Die Volksvertreter Deutschlands gehören somit in Sachen „Unausgeschlafenheit“ zu den Spitzenreitern. Marathonsitzungen für Politiker, unaufhörliche Entscheidungsfindungen für Alleinerzieher und das beharrliche Wissen darüber, Entscheidungsträger zu sein, verlangen geistige Flexibilität und Konzentration.

Doch genau hier mangelt es übermüdeten Menschen. Und plötzlich werden unvorteilhafte Kompromisse bei etwaigen Verhandlungen eingegangen, die Stunden zuvor eine strikte Ablehnung erfahren hatten. Die Folgen der Erschöpfung sind weitreichend. Zeitgleich zum Schlafmangel werden die Erwartungen an jeden Einzelnen immer höher.

Die Volkskrankheit und ihre Folgen

Die fehlende Konzentrationsfähigkeit von übermüdeten Menschen erhöht das Unfallrisiko. Schichtarbeiter haben beispielsweise ein achtfach höheres Unfallrisiko auf dem Nachhauseweg. Schlafentzug erhöht auch die Sterblichkeitsrate und verursacht bei Betrieben Produktivitätsverluste.

Das Mortalität von Menschen, die durchschnittlich weniger als sechs Stunden schlafen, erhöht sich um 13 Prozent. Das Centers for Disease Control and Prevention (CDC) in den Vereinigten Staaten erklärte daher den unzureichenden Schlaf zu einem Public Health Problem.

„Volkskrankheiten wie Übergewicht, Herzerkrankungen, Bluthochdruck, Blutzucker, Infekte und psychische Störungen wie die Depression werden durch Schlafmangel begünstigt“ – so Hans-Günter Weeß, Leiter des Schlafzentrums am Pfalzklinikum Klingenmünster bei Landau und Vorstandsmitglied der DGSM.

Der Experte meint weiter: „Die moderne Schlafforschung macht es deutlich: Schlaf ist das wichtigste Regenerations- und Reparaturprogramm des Menschen. Trotzdem stehen mehr als 80 Prozent der Deutschen morgens mit dem Wecker auf und beenden das wichtigste Regenerationsprogramm des Menschen vorzeitig, bevor es alle seine Aufgaben erfüllt hat. Der Mensch ist das einzige Lebewesen auf unserem Planeten, welches seinen Schlaf künstlich vorzeitig verkürzt und nicht ausschläft.“

Schlaf ist das wichtigste Regenerations- und Reparaturprogramm des Menschen. Foto:iStock

Schlaflosigkeit ist nur ein Alptraum

Nächte, in denen scheinbar die ganze Zeit wachgelegen wird, könnten nur eingebildet sein. Denn häufig hinterlässt die Unterbrechung der Schlafphasen nur das Gefühl, nicht geschlafen zu haben.

Forscher der Universitätsklinik Freiburg gehen noch einen Schritt weiter, sie meinen: Schlaflose Nächte finden meist nur im Traum statt. Tatsächlich würde den Schlaflosen nur ein Fünftel vom Schlaf fehlen

Dieses Wissen würde zwar die Situation für die Betroffenen nicht weniger belastend machen, jedoch hilft es neue Ansätze für die Behandlung zu finden.

Für einer Studie hatten Versuchspersonen vier Nächte im Schlaflabor verbracht. Wie die Gruppe um den Neurophysiologen Bernd Feige in der Fachzeitschrift „Sleep“ schreibt, war sich ein beträchtlicher Teil der schlaflosen Versuchspersonen auf Nachfrage sicher, gerade wach gelegen zu haben – nachdem sie aus dem REM-Schlaf geweckt wurden, der mit Träumen einhergeht. Personen aus der Kontrollgruppe dagegen wähnten sich nach dem Wecken fast nie wach. Das sei ein direkter Beleg dafür, dass wahrgenommene Schlaflosigkeit tatsächlich mit einer Störung des Traumschlafs zusammenhängt, folgern die Autoren.

Wissenschaftler und Forschungsgruppenleiter Dr. Bernd Feige von der Universitätsklinik Freiburg untersuchten die Schlaflosigkeit. Es ist schon lange bekannt, dass Patienten, die unter Schlaflosigkeit leiden, im Schlaflabor 80 Prozent des normalen Pensums schlafen. Sein Ergebnis lautet: „Jeder sechste schlechte Schläfer träumt die Schlaflosigkeit nur“. Menschen mit Schlafstörung bauen ihre Sorge, nicht schlafen zu können, so in den Traum ein, dass sie mit dem Gefühl erwachen, die ganze Nacht wach gelegen zu sein.

Schlafmangel fördert Gewichtszunahme

Viele Menschen kennen das Phänomen: War die Nacht kurz ist der Heißhunger auf Schokolade, Junk-Food oder fettige Speisen groß. Auch ohne Alkoholkonsum. Bislang wurde der Hormonhaushalt als Grund dafür genannt. Forscher der Universität Köln haben in Fachblatt „Journal of Neuroscience“ berichtet, der „Müdigkeitsappetit“ könnte auch ganz anders entstehen. Es würde auch das Belohnungssystem im Gehirn bei Schlafentzug aktiviert werden und dies würde die Lust auf fettige „Happen“ stimulieren.

Menschen mit chronischem Schlaf­mangel und Schichtarbeit sollten daher besondere Aufmerksamkeit ihren Essgelüsten widmen. Denn ihr Risiko, an Adipositas oder einen Diabetes Typ 2 zu erkranken, ist signifikant erhöht.

Die Studie hat auch ergeben, dass Schlafmangel bei Diäten kontraproduktiv ist. Übergewichtige Personen haben bei der Diätstudie deutlich weniger Gewicht verloren, sobald die nächtliche Ruhezeit von achteinhalb auf fünfeinhalb Stunden reduziert wurde.

Schlafhygiene statt Schlafmittel

Die Schlafhygiene beschäftigt sich mit den Rahmenbedingungen, welche gesunden und natürlichen Schlaf voraussetzen.

Viele Betroffene versuchen sich selbst zu kurieren, indem sie zu Schlafmitteln greifen. Im Jahr 2017 waren Benzodiazepine und andere Beruhigungsmittel das dritthäufigste illegale oder verschreibungspflichtige Medikament in den USA (etwa 2,2 Prozent der Bevölkerung). Doch oftmals kann eine Lebensstiländerung den Einsatz von Schlafmittel vermeiden oder zumindest reduzieren. Schlafmittel zählen zu den Psychopharmaka. Benzodiazepine und andere Substanzen zur Schlafförderung haben ihren Wirkungsbereich im Gehirn und sind mit Vorsicht einzunehmen.

„Niemand hat ein Anrecht auf zehn Stunden Schlaf!“ meint Professor Hans Förstl vom Klinikum „Rechts der Isar“ in München. Dieser empfiehlt einen Schlaf von fünf bis sieben Stunden anzustreben.

Empfehlungen für Schlaf- und Beruhigungsmittel will der Mediziner nicht aussprechen. Zumindest nicht als Dauerlösung. Denn Förstl zufolge soll der Schlaf unter diesen Präparaten eher wie eine Betäubung wirken, anstelle guten Schlaf zu Folge zu haben. Daher sei auch die nächtliche Entgiftung des Körpers nicht so effizient.

10 Regeln zur Schlafhygiene

  • Gehen Sie jeden Tag zur gleichen Zeit ins Bett und stehen Sie morgens um die gleiche Zeit auf, um die biologischen Rhythmen des Körpers aufeinander abzustimmen.
  • Essen Sie drei Stunden vor dem Schlafengehen keine größeren Mengen. Gehen Sie aber auch nicht hungrig zu Bett.
  • Trinken Sie drei Stunden vor dem Schlafengehen keinen Alkohol und vier bis acht Stunden vor dem Schlafengehen keine koffeinhaltigen Getränke.
  • Vermeiden Sie den Mittagsschlaf, ansonsten verringert sich der Schlafdruck am Abend.
  • Bleiben Sie nicht länger als nötig im Bett. Schlafstörungen können durch zu langes Liegenbleiben verstärkt werden.
  • Rauchen Sie nicht kurz vor dem Schlafen.
  • Treiben Sie regelmäßig Sport.
  • Kreieren Sie Entspannungsrituale vor dem Schlafen.
  • Schaffen Sie sich eine Pufferzone zwischen Alltag und dem Zubettgehen.
  • Vermeiden Sie im Bett an einem elektronischen Gerät zu lesen.

„Power Naps“ als Ausgleich für den nächtlichen Schlafmangel anzusehen ist keine Dauerlösung. Verschiedene Ratgeber von DGSM bieten Betroffenen die Möglichkeiten, ihre Schlafhygiene zu optimieren.

Aus dem Reich der Kräuter zählt Baldrian zu den ältesten Einschlafhilfen. Foto: iStock

Pflanzliche Hilfen bei Schlafstörungen

  • Baldrian
  • Melisse
  • †Hopfen†
  • Passionsblume†
  • Lavendel

Diese Pflanzen sind altbewährte Helfer bei Schlafstörungen. Sie können sich ein Fußbad, einen Wickel, einen „Schlummertrunk“ oder die Essenz in Form vom Aromaöl anwenden.

 

 

 

 

 



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