Schmerzlos: Zähneziehen auf Indisch

Rattan Singh arbeitet in einer kleinen Klinik in einer Seitenstraße des Gumat Bazars im Zentrum von Jammu. Er und seine Brüder besitzen etwas Kostbares: Eine Droge, mit der man schmerzlos Zähne ziehen kann.
Titelbild
Ein traditioneller Zahnheiler im Gumat Bazar im Norden der indischen Stadt Jammu (2. Januar 2015).Foto: Venus Upadhayaya/Epoch Times
Epoch Times19. April 2016

Familie Singh aus der nordindischen Stadt Jammu besitzt das Rezept für eine seltene Droge, die Zähne schmerzlos und ohne Anästhesie oder Chirurgie entfernen kann. Als Teil eines medizinischen Erbes hat die Familie diese Droge seit Jahrhunderten verwendet und gibt das Rezept immer an die nächste Generation weiter.

Einer der Erben ist Rattan Singh. Er arbeitet in einer kleinen Klinik in einer Seitenstraße des Gumat Bazars im Zentrum von Jammu.

Die Wunderdroge

Eines kalten Januartages kam Vijay Kumar, 67 Jahre alt, mit einem schmerzenden Zahn in Singhs Klinik. “Singh trug sein in Watte getränktes Gebräu auf die Stelle rund um den Zahn herum auf und innerhalb einer Minute war der Zahn draußen. Es gab keine Blutung und keinen Schmerz. Ich wusste nicht einmal, was passiert war”, erinnert sich Kumar.

Die flüssige Droge ist transparent wie Wasser, hat aber einen sehr starken Geruch. Singh zufolge lässt sie sich wie Benzin leicht entflammen. Er hat die Droge nicht selbst hergestellt. Sein Großvater hat sie gemacht, und er hat immer noch ungefähr ein Viertel davon übrig.

Das Familienerbe

Singhs Vater und Großvater hinterließen ihm und seinen vier Brüdern, die Kliniken in derselben Straße haben, vier über 100 Jahre alte Arzneimittel, die sie noch immer verwenden. Während Singh ein traditioneller Zahnarzt ist, sind seine Brüder von der Regierung zertifizierte Zahntechniker geworden.

“Andere besitzen diese Droge auch, aber sie halten sie geheim”, sagt Singh. Er verwendet sie nur, wenn ein Kunde danach fragt, denn er glaubt, sie habe das Sehvermögen seines nun verstorbenen Vaters beeinflusst.

Die Geschichte der Vorfahren

Singh und seine Brüder sind Teil einer Gemeinschaft der Bhat Sikhs oder Bhatras, eine Gemeinschaft, deren Vorfahren Gelehrte und Priester waren, die auf dem jetzt trockenen Saraswati Fluss zwischen Indien und Pakistan lebten.

Heute kann man die Bhatras noch in den engen Gassen des Gumat Bazaars sehen, an kleinen Tischen sitzend, auf denen Kunststoffzähne und alte Zahnersätze ausgestellt sind. Damit locken sie Kunden an.

Singh sagt, sein Vater, der in die Region kam, als sie noch von einem König regiert wurde, ging auch diesen Weg.

“Er saß auf einer öffentlichen Kreuzung und bot den Leuten seine Dienste an. Langsam kannten ihn die Leute und wir führen dieses Vermächtnis fort”, erklärt er, als er eine alte Broschüre zeigt, die schon sein Vater als Werbung für seine Dienste verwendete.

Erschwingliche Zahnpflege

Während viele andere auf offener Straße arbeiten, keine Schutzhandschuhe tragen und manche ihrer Werkzeuge aussehen, als gehörten sie in eine Schreinerei, kommen immer noch viele Leute zu ihnen, weil es preiswert und effektiv ist.

“Ich hatte einen Klienten in Delhi. Er erzählte einem anderen hochrangigen Beamten aus Maharashtra (ein Küstenstaat ungefähr 1127 km südwestlich von Delhi) von mir und dieser kam den ganzen Weg in diese kleine Straße in Jammu, um nach mir zu sehen”, sagt Singh.

Um einen schmerzenden Zahn zu entfernen, verlangte Singh von einer Frau einmal nur 120 Rupien (1,60€). Eine andere Frau wollte die Zähne ihrer Tochter verdrahten lassen. “Ich bin in eine moderne Privatklinik gegangen”, sagt sie. “Sie verlangten 21.000 Rupien (280€) von mir.” Singh verlangte nur 800 Rupien (10,70€) für dieselbe Arbeit.

Unglücklicherweise bedeutet das für Singh, dass er nicht von seiner Arbeit leben kann. “Mein Vater brachte mir bei, niemanden zu betrügen, deshalb kann ich keine Unmengen an Geld von ihnen verlangen”, betont er. “Da ich nicht mehr verlangen kann, ist es mir unmöglich, von dieser Arbeit zu leben.” Er hat ein kleines Elektronikgeschäft gestartet und überlebt, weil er Immobilien auf dem nahe gelegenen Hauptmarkt anmietet.

Nun sieht es so aus, als würde diese traditionelle Zahnmedizin nicht sehr viel länger in seiner Familie weitergeführt werden. Singhs Brüder haben die Ausübung schon aufgegeben und seine Kinder sind auch nicht an traditioneller Zahnmedizin interessiert. Auch er selbst ist nicht mehr angetan. Er sagt, er will keine Zähne mehr ziehen und einen neuen Beruf in einer anderen Branche finden. Aber bis es soweit ist, wird er der lebende Beweis für die Kraft traditioneller Heilung sein. (lm)



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