TÜV Rheinland wegen Brustimplantaten zu Millionen-Schadenersatz verurteilt

Im Skandal um mangelhafte Brustimplantate der französischen Firma PIP ist der TÜV Rheinland zur Zahlung von 60 Millionen Euro Schadenersatz verurteilt worden. Das Handelsgericht im südfranzösischen Toulon warf dem TÜV am Freitag unzureichende Kontrollen vor und sprach rund 20.000 Klägerinnen je 3000 Euro zu.
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Brustimplantat der Firma PIPFoto: ANNE-CHRISTINE POUJOULAT/AFP/Getty Images
Epoch Times20. Januar 2017

Im Skandal um mangelhafte Brustimplantate der französischen Firma PIP ist der TÜV Rheinland zur Zahlung von 60 Millionen Euro Schadenersatz verurteilt worden. Das Handelsgericht im südfranzösischen Toulon warf dem TÜV am Freitag unzureichende Kontrollen vor und sprach rund 20.000 Klägerinnen je 3000 Euro zu. Das deutsche Prüfunternehmen, das den Herstellungsprozess der minderwertigen Silikonimplantate zertifiziert hatte, kündigte umgehend Berufung an.

Der Skandal um die französische Firma Poly Implant Prothèse (PIP) war 2010 bekanntgeworden: PIP hatte seine Brustimplantate jahrelang mit billigem Industrie-Silikon statt mit Spezial-Silikon befüllt. Die Kissen reißen leichter und können Entzündungen auslösen.

Weltweit wurden zehntausenden Frauen PIP-Implantate eingesetzt, in Deutschland waren es Schätzungen zufolge rund 6000 Frauen. Viele entschieden sich für eine operative Entfernung der Implantate. Der TÜV hatte das Herstellungsverfahren bei PIP zertifiziert, nicht aber die Silikonkissen selbst kontrolliert.

Bereits im November 2013 verurteilte das Handelsgericht von Toulon den TÜV zur Zahlung von Schadenersatz an 1700 betroffene Frauen und an mehrere Händler. Das Gericht hielt dem TÜV vor, gegen seine „Kontroll- und Aufsichtspflichten“ verstoßen zu haben. Das Berufungsgericht im südfranzösischen Aix-en-Provence hob das Urteil aber 2015 auf und erklärte, der TÜV habe seine Kontrollpflichten erfüllt und „keinen Fehler“ begangen.

Trotzdem verurteilte das Handelsgericht von Toulon den TÜV nun in einem Verfahren mit deutlich mehr Klägerinnen erneut zu Schadenersatz. Die genaue Höhe der Zahlungen soll laut der Gerichtsentscheidung noch auf Grundlage von Expertisen festgelegt werden. Der TÜV soll aber bereits vorläufige Zahlungen in Höhe von insgesamt 60 Millionen Euro leisten.

In seiner Urteilsbegründung argumentiert das Gericht, der TÜV Rheinland habe nicht die „Übereinstimmung vom Kauf der verschiedenen notwendigen Bestandteile und der Herstellung der Brustimplantate“ überprüft. Dies sei aber eine „entscheidende und unumgängliche Grundlage der Kontrollen“, die vom EU-Recht vorgeschrieben sei.

Einige TÜV-Mitarbeiter hätten zudem nicht die notwendigen Zulassungen gehabt, um an den jährlichen Kontrollbesuchen teilzunehmen. Das Gericht wirft dem TÜV außerdem vor, PIP keine unangemeldeten Kontrollbesuche abgestattet zu haben. Solche Kontrollen hätten „den Betrug leicht aufgedeckt“.

Klägeranwälte reagierten „äußerst zufrieden“ auf die Entscheidung. Die Tatsachen und Verfehlungen des TÜV seien offensichtlich.

TÜV-Anwältin Cécile Derycke kritisierte das Urteil dagegen scharf: „Das Handelsgericht Toulon verkennt und ignoriert die eindeutigen Feststellungen des Berufungsgerichts (von Aix-en-Provence) in diesem Fall“, wonach der TÜV seine Aufgaben „verantwortungsvoll und im Einklang mit allen geltenden Gesetzen und Normen wahrgenommen“ habe. „Vor diesem Hintergrund ist es unverantwortlich, die Zahlung vorläufiger Beträge zuzusprechen und das Urteil für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Wir werden das vor dem Berufungsgericht angreifen.“

Der TÜV hat stets betont, selbst von dem Implantatehersteller getäuscht worden zu sein und spricht von einem „groß angelegten und komplexen Betrug“. Er verweist dabei auch auf Urteile gegen PIP-Gründer Jean-Claude Mas: Dieser wurde in zwei Strafprozessen des Betrugs an den betroffenen Frauen und am TÜV schuldig gesprochen und zu vier Jahren Haft verurteilt.

Mit dem Skandal hat sich auch die deutsche Justiz befasst: Gerichte haben eine Reihe von Schadenersatzklagen gegen den TÜV zurückgewiesen, eine Klage ging bis vor den Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. Dieser hat den Fall dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt. Die Luxemburger Richter sollen klären, wie umfangreich die Prüfpflichten bei der Zertifizierung von Medizinprodukten sind. (afp)



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