Was sind die Voraussetzungen für Lebendorganspenden?

Wer zu Lebzeiten ein Organ spenden will, hat Anspruch auf eine umfassende Aufklärung über mögliche Risiken.
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Die Deutsche Stiftung Organtransplantation zeigt eine Transportbox für ein gespendetes Organ. Am Vivantes Klinikum in Neukölln, 28. September 2012 in Berlin.Foto: Sean Gallup/Getty Images
Epoch Times29. Januar 2019

Wer zu Lebzeiten ein Organ spenden will, hat Anspruch auf eine umfassende Aufklärung über mögliche Risiken. Dieses Recht stärkte der Bundesgerichtshof (BGH) am Dienstag mit einem Grundsatzurteil. Zwei Nierenspender hatten Kliniken und Ärzten eine ungenügende Aufklärung vorgeworfen. Nach einem jahrelangen Rechtsstreit waren sie nun in Karlsruhe erfolgreich.

WAS SIND DIE VORAUSSETZUNGEN FÜR LEBENDORGANSPENDEN?

Zu Lebzeiten können eigentlich nur eine Niere oder Teile der Leber gespendet werden. Möglich ist dies nur zwischen Menschen, die sich sehr nahestehen – also zum Beispiel Kinder und Eltern, Geschwister oder Ehepartner. Das Transplantationsgesetz schreibt den Ärzten Aufklärung über die Risiken vor. Darüber hinaus gibt es weitere Vorgaben wie die Anwesenheit eines neutralen Arztes beim Aufklärungsgespräch.

In Deutschland wurden im vergangenen Jahr nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation 638 Nieren sowie in 57 Fällen Teile der Leber transplantiert. Die meisten Organe werden aber nach dem Tod eines Menschen gespendet. Tausende schwer kranke Menschen warten in Deutschland auf ein Spenderorgan.

ÜBER WELCHE FÄLLE WURDE IN KARLSRUHE VERHANDELT?

Auslöser für das Grundsatzurteil waren die Klagen von zwei Nierenspendern. Bundesweit bekannt wurde vor allem der Fall von Ralf Zietz, der seiner Frau eine Niere spendete. Er ist heute Vorsitzender der Interessengemeinschaft Nierenlebendspende. Er leidet nach eigenen Angaben seit der Organentnahme an chronischer Erschöpfung. Ebenfalls ein solches Fatigue-Syndrom sowie eine Niereninsuffizienz beklagt die zweite Klägerin, die ihrem Vater eine Niere spendete. Beide werfen den Ärzten vor, sie nicht ausreichend aufgeklärt zu haben. Sie fordern deshalb Schmerzensgeld und Schadenersatz. In den Vorinstanzen blieben ihre Klagen erfolglos.

WIE HAT DER BUNDESGERICHTSHOF IN DEN BEIDEN AUSGANGSFÄLLEN ENTSCHIEDEN?

Der BGH hob die Vorentscheidungen im Revisionsverfahren auf und verwies die Fälle zurück an das Oberlandesgericht Hamm. Das muss nun den Schadensumfang feststellen. Die Bundesrichter hielten die Klagen der beiden Spender aufgrund der „festgestellten inhaltlichen Aufklärungsmängel“ für berechtigt. Die Einwilligungen in die Organentnahme seien unwirksam, die Eingriffe rechtswidrig.

WAS WAR DER JURISTISCHE KNACKPUNKT IN DEM VERFAHREN?

Auch das Oberlandesgericht Hamm stellte in den Berufungsverfahren Fehler bei der Aufklärung fest. Es nahm aber an, dass die Kläger auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung der Organspende zugestimmt hätten. Dieser Argumentation folgte der Bundesgerichtshof nicht. Die im Arzthaftungsrecht entwickelten Grundsätze der sogenannten hypothetischen Einwilligung ließen sich nicht auf die Lebendorganspende übertragen.

WELCHE FOLGEN HAT DAS GRUNDSATZURTEIL?

Ärzte dürften ganz genau darauf achten, die Vorgaben zur Aufklärung einzuhalten. Die „bewusst streng formulierten“ Vorgaben dienten dem „Schutz des Spenders vor sich selbst“, mahnte der Bundesgerichtshof. Der Spender befinde sich „in einer besonderen Konfliktsituation, in der jede Risikoinformation für ihn relevant sein kann“. Die Bundesrichter bezeichneten die Einhaltung der Vorgaben zudem als „unabdingbare Voraussetzung“, wenn die Bereitschaft der Menschen zur Organspende langfristig gefördert werden solle.

Kläger und Interessenvertreter Zietz nannte es „besonders wichtig“, dass die Möglichkeit der hypothetischen Einwilligung gefallen sei. Auch er zeigte sich zugleich überzeugt, dass das Urteil einen Vertrauensgewinn für die Lebendorganspende bedeuten könnte. Für ihn hat sich der jahrelange Rechtsstreit damit am Ende ausgezahlt: „Wir haben Rechtsgeschichte geschrieben“, freute sich der Kläger nach der Urteilsverkündung in Karlsruhe. (afp)



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