Baden-Württemberg: Studie beklagt zunehmenden Einfluss von Scharia-Gerichten und „Friedensrichtern“

Gewinnen Strukturen aus gescheiterten Staaten auch in Deutschland zunehmend an Bedeutung? Nachdem ähnliche Studien bereits in NRW und Berlin zu beunruhigenden Ergebnissen gekommen waren, geht nun auch aus einer Untersuchung im Auftrag des Justizministeriums in Baden-Württemberg hervor, dass Paralleljustiz im Trend der Zeit liegt.
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Unter Scharia-Gesetz herrschen strenge Sitten.Foto: CHAIDEER MAHYUDDIN/AFP/Getty Images
Von 8. August 2019

In seinem 2018 erschienenen Buch „The Virtue of Nationalism“ rechtfertigt der israelische Historiker und Autor Yoram Hazony den Nationalstaat als jene von drei denkbaren Staatsformen, die am ehesten imstande wäre, dauerhaft Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, staatliche Selbstbeschränkung, Regierungsverantwortlichkeit und inneren wie äußeren Frieden zu gewährleisten.

Diese gelte insbesondere im Vergleich zu den gegebenen Alternativen der Anarchie und des Imperiums. Unter Anarchie versteht Hazony dabei nicht das, woran der Normalbürger landläufig denken würde – wie Punker oder marodierende Banden, die brandschatzend durch die Straßen ziehen. Dies sei allenfalls eine Erscheinungsform oder Konsequenz.

Nationalstaat geht – Anarchie kehrt zurück

Anarchie sei vielmehr jene Organisationsform des gesellschaftlichen Zusammenlebens, in der es keine von allen Familien, Sippen und Stämmen (auch im Sinne gesellschaftlicher oder religiöser Gruppen) gleichermaßen akzeptierte, übergeordnete Autorität gibt, der alle Beteiligten die Übernahme von Aufgaben anvertrauen in der Erwartung, sie werde diese zum fairen Ausgleich unter allen Beteiligten wahrnehmen.

Die Konsequenz ist, dass die genannten kleinen Gemeinschaften Konflikte nach eigenen Regeln und durch eigene Autoritäten beilegen – meist durch Dorfälteste, Geistliche oder Friedensrichter.

Im Nationalstaat, so Hazony, verlieren Institutionen dieser Art üblicherweise an Bedeutung, da dieser in der Lage ist, auch Angehörige fremder Stämme in seine Ordnung zu integrieren, solange diese bereit sind, sich den bestimmenden Narrativ, auf dem das Gemeinwesen beruht, zu eigen zu machen.

In Deutschland, dessen politische Eliten sich als Teil einer postnationalen Gesellschaft sehen, die sich anschickt, zur treibenden Kraft eines neuen europäischen Imperiums, des Vereinten Europa, zu werden, scheinen die Bindekräfte immer weniger auszureichen, um die verschiedenen Gruppen an die Institutionen des Nationalstaats zu binden. Die Konsequenz daraus scheint ein Wiedergewinn an Bedeutung von Institutionen zu sein, die man sonst nur aus Anarchien kennt.

„Tendenzen zur außerrechtlichen Konfliktlösung“

Diesen Schluss lässt zumindest eine aktuelle Studie zu, die der Erlanger Professor Mathias Rohe im Auftrag des baden-württembergischen Justizministeriums erarbeitet hatte und die vor einigen Wochen erstmals in Stuttgart der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.

Rohe zufolge könne man auch in Baden-Württemberg nicht davon ausgehen, dass die Institutionen des Rechtsstaats in allen gesellschaftlichen Gruppen jenen Rückhalt und jene Akzeptanz genießen, die in einem funktionierenden freiheitlichen Gemeinwesen als wünschenswert erachtet werden muss. Stattdessen zeigten sich auch im Südwesten Anzeichen einer Parallel- oder sogar Gegenrechtsordnung, die – wie es aus dem Justizministerium euphemistisch heißt – „Tendenzen zur außerrechtlichen Konfliktlösung“ erkennen ließen.

Das Problem ist nicht neu und nicht auf Baden-Württemberg beschränkt. In Nordrhein-Westfalen oder Berlin sei die Problematik sogar besonders stark ausgeprägt. Insbesondere arabisch-libanesische Clans schalteten anstelle der Justizbehörden des Öfteren eigene „Friedensrichter“ ein. Anders als beispielsweise in Sachsen oder auch in einigen Schweizer Kantonen, wo in bestimmten Fällen der „Friedensrichter“ gesetzlich sogar zwingend als schlichtende Instanz vorgeschrieben ist, ist dieser jedoch weder staatlich autorisiert noch beschränkt er sich auf die Schlichtung in Zivilsachen wie Nachbarschaftsstreitigkeiten.

Form der Machtdemonstration

Vielmehr stellt die Etablierung einer Paralleljustiz in solchen Fällen eine Form der „Machtdemonstration“ dar, wie NRW-Innenminister Herbert Reul es betonte. Sie untergrabe zum Teil bewusst die staatliche Rechtsordnung. 

Dies äußert sich etwa darin, dass die „Friedensrichter“, die oftmals islamische Gelehrte sind, die bestellt werden, um auf der Grundlage des religiösen Rechts des Islam, der Scharia, zu urteilen, auch in Angelegenheiten tätig werden, die von Gesetzes wegen dem staatlichen Recht zuzuordnen sind – etwa dem Strafrecht.

Die Konsequenz daraus ist, dass die staatlichen Gerichte gezielt marginalisiert werden. Einigen sich die Familien von Betroffenen etwa nach Körperverletzungen oder ähnlichen eigentlich von Amts wegen zu verfolgenden Delikten vor einem Community-internen religiösen Schiedsgericht, entziehen sich die Beteiligten vor den staatlichen Gerichten oft ihren Pflichten, zur Feststellung des Sachverhalts beizutragen. Am Ende können die staatlichen Gerichte viele Straftaten mangels verwertbarer Beweise gar nicht erst ahnden.

In seiner Studie erwähnt Rohe neben „abgeschotteten und patriarchalisch strukturierten Großfamilien, in denen ein starker Ehrbegriff herrscht und in denen Sozialnormen wichtiger seien als das Recht“, auch noch bestimmte Flüchtlingsgruppen und das Milieu der „Reichsbürger“ und Selbstverwalter als Zielgruppen für Parallel- und Gegenrechtsordnungen. Auch in der Organisierten Kriminalität oder Subkulturen wie der Fußball-Hooligan- oder Rockerszene sei Paralleljustiz verbreitet.

„In koordinierter Form gegen das Gewaltmonopol des Staates gerichtet“

Gruppen wie die Jesiden, die Jahrhunderte der Verfolgung hinter sich haben und sich immer schützen mussten gegen eine Mehrheitsgesellschaft, hätten ebenfalls Mechanismen entwickelt, um ihre Angelegenheit in Eigenregie zu regeln. Diese machten es allerdings auch einzelnen Mitgliedern schwer, außerhalb dieser Recht zu suchen.

„Es gibt hier ein nennenswertes Problem für den Rechtsstaat – wir können nicht sagen, wie massiv es ist“, erklärt Rohe dazu. „Paralleljustiz fällt nicht vom Himmel, sondern entsteht sukzessive.“ Schon bei Hochzeitskorsos müsse man niedrigschwellig eingreifen. Der Rechtsstaat müsse Druck machen, empfiehlt der Experte – und gleichzeitig Prävention fördern.

Die Studie artikuliert die Furcht vor außerhalb der Justiz stehender Strukturen, die die Freiheits- und Schutzrechte Schwächerer missachten:

Eine Paralleljustiz ist für Staat und Gesellschaft deshalb gefährlich, weil sie sich in koordinierter Form gegen das Gewaltmonopol des Staates einschließlich des staatlichen Strafanspruchs wendet.“

Um der weiteren Ausbreitung solcher Erscheinungen entgegenzuwirken, will Rohe, wie die „Tagespost“ schreibt, auf die Kommunikation mit den unterschiedlichen Milieus und Communities setzen. Dazu brauche es allerdings eine konsequente Rechtsdurchsetzung wie einen empathischen Umgang mit den Betroffenen. „Die bloße Bekämpfung vorhandener Strukturen, so wichtig sie ist, bliebe ein Kurieren an Symptomen“, betont Rohe.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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