Hongkong nach dem Sicherheitsgesetz – die langsame Demontage einer ehemals freien Stadt

Mit der Verabschiedung des neuen Sicherheitsgesetzes im Sommer letzten Jahres hat das Prinzip „ein Land zwei Systeme“, das der Wirtschaftsmetropole Hongkong ursprünglich 50 Jahre Unabhängigkeit und Freiheit gewährt hatte, ein jähes Ende genommen. Was das für die Zukunft der ehemals blühenden Stadt und die Menschen, die dort leben, bedeutet, behandeln wir in dieser Sendung.
Von 17. März 2021

Dieser Artikel ist der Text zum Video: „Hongkong nach dem Sicherheitsgesetz – die langsame Demontage einer ehemals freien Stadt“ vom Video-Kanal „zentralPlus“.

Das Gesetz, das im vergangenen Jahr beschlossen wurde, erlaubt den Behörden ein hartes Vorgehen gegen alle Aktivitäten, die nach ihrer Auffassung die nationale Sicherheit Chinas bedrohen. Das Gesetz bedeutet den bislang schwersten Eingriff in die Autonomierechte Hongkongs. Bei der Übergabe der britischen Kronkolonie 1997 an China wurden die Autonomierechte für 50 Jahre festgeschriebenen, darunter Meinungs- und Versammlungsfreiheit.

Aber nach nur 23 Jahren, also nicht einmal der Hälfte der Zeit, gilt das Versprechen von Peking an Großbritannien nicht mehr. Die an Freiheit gewohnten Hongkonger Bürger begannen sich im Sommer 2019 gegen das damals geplante Auslieferungsgesetz zu stellen, das es Hongkongs Behörden erlaubt hätte, von China verdächtigte und gesuchte Personen an die Volksrepublik auszuliefern.

Es kam zu  Massendemonstrationen mit über einer Millionen Teilnehmern und schweren Ausschreitungen, während derer die Polizei mit großer Härte gegen die Demonstranten vorgegangen war. Schließlich nahm die Peking-treue Regierungschefin Carrie Lam den Gesetzesentwurf wieder zurück.

Ein Dorn im Auge der KPCh

Doch die große Demokratiebewegung in Hongkong blieb der KP Chinas ein Dorn im Auge. Um die Proteste zu unterbinden, verabschiedete der chinesische Volkskongress Ende Juni 2020 schließlich das höchst umstrittene Sicherheitsgesetz.

Es erlaubt den Behörden der Kommunistischen Partei ein hartes Vorgehen gegen alle Aktivitäten, die nach ihrer Auffassung die nationale Sicherheit Chinas bedrohen. Dies umfasst Aktivitäten, die aus Sicht Pekings als subversiv, separatistisch, terroristisch oder als Verschwörung mit ausländischen Kräften eingestuft werden.

Verstöße können mit lebenslanger Haft geahndet werden. Das Gesetz stellt den bislang schwersten Eingriff in den Autonomiestatus Hongkongs dar.

Wir fragen nun nach den Auswirkungen des Gesetzes bis jetzt auf die Hongkonger Gesellschaft?

Denn die im Dienste Pekings stehende Regierungschefin Carri Lam betonte stets: Das Sicherheitsgesetz ziele nur auf eine “Handvoll von Gesetzesbrechern” ab. Die Werte und die Freiheiten Hongkongs würden bewahrt, wie auch die Unabhängigkeit der Hongkonger Justiz.

Tatsächlich zeigt sich doch schon kurze Zeit später, dass dies nur leere Versprechen waren und dass mit dem Gesetz die demokratische Opposition in Hongkong und deren Unterstützer Schritt für Schritt ausgeschaltet werden.

5 wesentliche Veränderungen

Was hat sich nun seit dem Inkrafttreten des Gesetzes für Hongkong geändert? Im Wesentlichen fünf Punkte:

Erstens: Die chinesische Zentralregierung hat ein Büro zum Schutz der nationalen Sicherheit in Hongkong eingerichtet. Das Büro und dessen Beschäftigte unterstehen jedoch nicht der juristischen Zuständigkeit Hongkongs. Was bedeutet, dass  die Operationen des Büros in der Stadt, und die Handlungen der Beschäftigten, nicht von den lokalen Gerichten geprüft oder geahndet werden können.

Das heißt im Klartext, dass sich die dort Beschäftigten nicht an die lokalen Gesetze zu halten brauchen. Das Büro und die Beschäftigten genießen völlige Immunität, ungeachtet der Straftaten oder Menschenrechtsverletzungen, die ihnen zur Last gelegt werden.

Zudem hat die Hongkonger Regierung einen Ausschuss zum Schutz der nationalen Sicherheit eingerichtet, mit einer delegierten Person der chinesischen Zentralregierung zu „Beratungszwecken“.

Zweitens: Nach dem neuen Gesetz können die Ermittlungsbehörden ohne Gerichtsbeschluss Durchsuchungen vornehmen. Die Reisefreiheit kann willkürlich eingeschränkt oder unterbunden und Vermögenswerte beschlagnahmt werden. Online-Inhalte werden nach Belieben zensiert und verdeckt überwacht.

Kurz nach dem Inkrafttreten des Gesetzes gab es beispielsweise eine neunstündige Razzia in den Redaktionsräume von “Apple Daily”. Die große Hongkonger Zeitung “Apple Daily” galt als ein Symbol der Pressefreiheit Hongkongs.

Der Besitzer der Zeitung, Jimmy Lai, wurde wegen angeblicher Verstöße gegen das Sicherheitsgesetz verhaftet und sitzt seither in Untersuchungshaft. Es gilt als der prominenteste Publizist, der dem kommunistischen Sicherheitsgesetz bislang zum Opfer gefallen ist.

Drittens: Kurz nach der Verabschiedung des Nationalen Sicherheits-Gesetzes haben Beamte damit begonnen, die Meinungsfreiheit zu unterdrücken. Menschen wurden wegen des Besitzes von Fahnen, Stickern und Bannern mit politischen Parolen festgenommen. Die letzte große “Säuberungsaktion” gegen Demonstranten fand im Januar dieses Jahres statt. Die Polizei in Hongkong hatte dabei 55 demokratische Aktivisten festgenommen.

Die Festnahmen standen im Zusammenhang mit den inoffiziellen Vorwahlen, die die Oppositionskräfte im vergangenen Juli abgehalten hatten.  Die für ursprünglich 2020 geplanten Parlamentswahl wurde von Carrie Lam dann unter dem Vorwand der Pandemie abgesagt und um ein Jahr verschoben.

Viertens: Das KP-Regime in Peking und die Hongkonger Regierung haben durch das Gesetz neue weitreichende Befugnisse zur Kontrolle und der Verwaltung von Schulen, sozialen Organisationen, den Medien und dem Internet in Hongkong.

Die Hongkonger Regierung versucht zudem, die Rechte der Studierenden auf Meinungsfreiheit auf dem Campus unverhältnismäßig einzuschränken. Allein die Diskussion politischer Probleme im Hörsaal kann nun ein Risiko sein.

Fünftens: Durch das Nationale Sicherheit-Gesetz können Verdächtige nun nach Festlandchina gebracht, unter dem dortigen Strafjustizsystem verfolgt und vor Gericht gestellt werden.

Wenn eine Person im kommunistischen China wegen eines Verbrechens im Zusammenhang mit der nationalen Sicherheit angeklagt wird, kann dies zu willkürlicher oder auch geheimer Inhaftierung, der Verletzung des Rechts auf ein faires Gerichtsverfahren sowie zu Folter und anderen Misshandlungen führen.

Nach der Einführung des Gesetzes ist im November 2020 die gesamte demokratische Opposition aus dem Parlament zurückgetreten. Heute besteht das Hongkonger Parlament aus nurmehr 43 Pekingtreuen Abgeordneten.

Zur Sicherheit löschen

Es ist nicht zu übersehen, welch große Furcht das Gesetz in der Bevölkerung ausgelöst hat. Hongkonger, die seit Juni 2019 regelmäßig online Nachrichten über die Proteste geteilt hatten, haben ihre Social-Media-Konten aus Angst, gegen das Gesetz zu verstoßen, geschlossen. Nach wenigen Tagen haben die öffentlichen Büchereien begonnen, Bücher zu „sensiblen“ Themen und von regierungskritischen Aktivisten auszusortieren.

Innerhalb einer Woche nach Inkrafttreten des Gesetzes haben sich mindestens sieben politische Gruppierungen aufgelöst, darunter auch die pro-demokratische Gruppe Demosisto. Der bekannte Aktivist Joshua Wong hatte sich schon zuvor aus der Gruppe zurückgezogen.

Aktuell sitzt Wong in Haft. Die Polizei von Hongkong hat neben Wong auch Dutzende  Aktivisten der Opposition angeklagt, weil sie gegen das nationale Sicherheitsgesetz verstoßen haben sollen. Von den 55 Oppositionellen, die im Januar festgenommen worden waren, wurden 47 am 1. März angeklagt.

Die ehemaligen Abgeordneten und Aktivisten mussten vor Gericht erscheinen. In der mehr als zwölfstündigen Verhandlung, die sich am 2. März bis tief in die Nacht zog und bei der es um Kautionsanträge für die Beschuldigten ging, war eine der Beklagten in Ohnmacht gefallen. Die Verhandlung wurde daraufhin verschoben.

Hunderte Demonstranten versammelten sich vor dem Gericht, um die Freilassung der Angeklagten zu fordern. Es handelt sich um den größten Prozess seit Inkrafttreten des umstrittenen Sicherheitsgesetzes.

„Patrioten“ sollen Hongkong regieren

Peking plant inzwischen, die Kontrolle über die ehemalige britische Kolonie noch weiter zu verschärfen. Das zeigt beispielsweise die am 11. März 2021 von Chinas Volkskongress beschlossene Änderung des Wahlrechts in Hongkong, die Peking die Kontrolle über die Abgeordneten verschaffen soll. Dadurch wird die Demokratie und Freiheit der ehemaligen Kolonie noch mehr beschränkt.

Die Änderung des Wahlrechts soll dem kommunistischen Regime auf dem Festland unter anderem Vetorechte über Kandidaten gewähren, die sich in Hongkong zur Abstimmung stellen.

China treibt die Änderung des Wahlrechts in der Sonderverwaltungszone voran, um die Wahlen dort künftig vollständig lenken zu können. Die Regierungsgewalt der Stadt solle „fest in die Hände von Kräften gelegt werden, die patriotisch sind und Hongkong lieben“, sagte Chinas Parlamentssprecher Wang Chen.

Der chinesische Ministerpräsident Li Keqiang sagte nach der Abstimmung, Ziel des neuen Wahlrechts sei es, dass „Patrioten Hongkong regieren“. Zudem solle dadurch die „Stabilität“ des politischen Systems in der Sonderverwaltungszone gewährleistet werden. Hochrangige chinesische Regierungsvertreter hatten bereits zuvor klargemacht, dass Hongkongs „Patrioten“ nun durch ihre Loyalität zur Kommunistischen Partei Chinas definiert werden.

Durch die KPCh beschlossen

Die Einzelheiten des neuen Wahlrechts müssen indessen noch ausgearbeitet und durch das chinesische Parlament beschlossen werden.

Vorgesehen ist laut der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua unter anderem eine stärkere Rolle des Hongkonger Wahlkomitees. Bislang berief die Zentralregierung die Hälfte der Abgeordneten in dieses Gremium. Demnach sollen statt der bislang 1200, künftig 1500 Abgeordnete im Wahlkomitee sitzen. Zudem werde das Wahlkomitee vorab jene Kandidaten auswählen, die von den Hongkongern gewählt werden dürfen.

Änderungen stehen demnach auch dem Legislativrat bevor, also dem Hongkonger Parlament. Dieses soll laut Xinhua statt der bisher 70, künftig 90 Abgeordnete umfassen. Wie stark der Einfluss des Wahlkomitees künftig auf die Zusammensetzung des Parlaments in Hongkong sein könnte, blieb zunächst offen.

Im Prinzip ist Hongkong, seit der Einführung des Sicherheitsgesetzes, der Bevormundung des Kommunistischen Regime im Festland völlig ausgeliefert und hat somit jede wirkliche Autonomie verloren.

„Wertvolles Geschenk der Europäer“

Was haben nun Deutschland und die Europäische Union diesem eklatanten Vertragsbruch durch die Kommunistische Führung in Peking entgegenzusetzen? Neben sich windenden Worten nicht viel – eher im Gegenteil: Unter der deutschen EU-Ratspräsidentschaft kam Ende Dezember 2020 das Investitionsabkommen zwischen der EU und China zu einem Abschluss. Das Abkommen muss zwar noch vom EU-Parlament ratifiziert werden, dennoch war diese Einigung für die Hongkonger Bürger wie ein Schlag ins Gesicht.

Die Bundesregierung sagte zu dem Deal: „Das Abkommen sieht einen besseren Marktzugang für europäischen Unternehmen in China vor sowie gleiche Wettbewerbsbedingungen für Firmen beider Seiten und eine nachhaltigere Entwicklung“.

Das brutale Vorgehen der KP Chinas in Hongkong und die massiven Menschenrechtsverletzungen, die im Festland und nun auch in Hongkong stattfinden, waren bei den Verhandlungen nur eine Randnotiz. Zudem sind die Versprechen, dass China seinen Markt für Europa öffnen wird, bekanntlich sehr trügerisch.

Der „Tagesspiegel“ kommentierte: „Zu oft hätten Chinas Staats- und Parteiführung  ihre Zusagen nicht eingehalten. Für die kommunistische Staatsführung sei das Investitionsabkommen ein ‚Sieg‘, ja ein ‚politisches und symbolisch wertvolles Geschenk der Europäer.‘ Das Abkommen sei zum jetzigen Zeitpunkt ein Fehler.“

Bedauernswert wäre auch der Umstand, dass die Bundesregierung das Abkommen so vehement vorangetrieben habe. Vor allem in Bezug auf das massive Eingreifen des KP Regimes in Hongkong, hieß es nach dem Abschluss des Deals in der „Frankfurter Rundschau“.

Auch in der „Welt“ wurde der Deal kritisiert: „Der Investitionsdeal sei zutiefst problematisch und weder für Deutschland noch für die EU vorteilhaft. Es fehle unter anderem eine wirksame und konsequente Menschenrechtsklausel.“

Nach Verhandlung Verhaftungen

Nicht einmal eine Woche nachdem die EU ihre „Verhandlungserfolg“ präsentierte, wurden in Hongkong die besagten 55 Oppositionellen verhaftet.

DIE ZEIT schrieb dazu: „Die Europäische Union, der selbst erklärte Champion der Menschenrechte, wird künftig also weiter Waren importieren, die von uigurischen Zwangsarbeitern hergestellt wurden. Das Abkommen muss noch vom EU-Parlament ratifiziert werden. Es steht zu hoffen, dass die Parlamentarier das Abkommen in dieser Form ablehnen – im Interesse der Europäer.“

EU-Kommissionsvize Helena Dalli sagte im Plenum des Parlaments, „Hongkong bleibe weit oben auf der politischen Agenda. Sie kritisierte, dass Anfang Januar massenweise Oppositionskräfte und politisch Engagierte festgenommen worden waren. Es entstehe immer mehr der Eindruck, dass das Justizsystem genutzt werde, um Dissens zu bestrafen.“

Dieser Eindruck von Frau Dalli ist sicherlich nicht verkehrt, aber ob den  wohlklingenden Worten auch effektive Taten folgen, ist eine Frage der Zeit, die bekanntlich beliebig dehnbar ist. Hierbei hat man im Westen offenbar von China gelernt.

Soweit zunächst unser Blick auf die Situation in Hongkong. Die rasante militärische Aufrüstung Chinas im Südchinesischen Meer und die Drohgebärden gegenüber dem unabhängigen Taiwan lassen derweil ahnen, dass Chinas Machtausbau und seine Expansionsbestrebungen in Hongkong noch lange nicht haltmachen. Doch, dazu mehr in einer späteren Episode.

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