Iran-Diplomatie: „Europa verkauft seine Werte und verletzt seine eigenen strategischen Interessen“

Auf die Verlegung des US-Flugzeugträgers USS Abraham Lincoln hat der Iran mit neuerlichen Drohungen reagiert. Trotz des verstärkten Raketen-Terrors gegen Israel durch iranisch finanzierte Milizen wollen deutsche Politiker das Atomabkommen JCPOA retten. FDP-MdEP Alexander Graf Lambsdorff spricht von „nüchterner Distanz zu beiden Seiten“.
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Der Flugzeugträger USS Abraham Lincoln wurde in den Persischen Golf verlegt. Die Krise zwischen dem Iran und den USA verschärft sich immer mehr.Foto: Gabriel R. Piper/U.S. Navy via Getty Images
Von 14. Mai 2019

Zum dritten Mal innerhalb von 72 Stunden hat das iranische Regime gedroht, US-amerikanische Streitkräfte im Persischen Golf anzugreifen, sollten diese sich nicht aus der Region zurückziehen. Wie die iranische Nachrichtenagentur ISNA berichtete, soll der einflussreiche Kleriker Ajatollah Yousef Tabatabai Nejad am Freitag, den 10. Mai, im Anschluss an die Freitagsgebete in Isfahan erklärt haben: Die „milliardenschwere Flotte“ der USA könne „locker mit einer Rakete zerstört“ werden.

Tags darauf erklärte Yadollah Javani, der stellvertretende Vorsitzende der politischen Kammer der von den USA jüngst offiziell als terroristische Vereinigung eingestuften Islamischen Revolutionsgarden (IRGC), die USA würden es „nicht wagen, militärisch etwas gegen uns zu unternehmen“ und warnte vor einer „heftigen Reaktion“, sollte dies geschehen. US-Verteidigungsminister Mike Pompeo hatte zuvor eine „schnelle und entscheidende Antwort“ auf allfällige Angriffe durch den Iran in Aussicht gestellt.

USA wollen sich gegen Angriffe auf eigene Positionen zur Wehr setzen

Am Sonntag erklärte Amirali Hajizadeh, der Vorsitzende der Luftstreitkräfte der Revolutionsgarden, ein US-Flugzeugträger sei „in der Vergangenheit eine Bedrohung gewesen, aber jetzt ist er ein Ziel – und Bedrohungen sind uns zu Chancen geworden“.

Anlass für die verstärkte Drohungen aus Teheran ist die Ankündigung der USA, den mit mehr als 6000 Marinesoldaten und -offizieren bemannten Flugzeugträger USS Abraham Lincoln und eine B-52-Bomberstaffel in den Persischen Golf zu entsenden. Bereits am Donnerstag, den 9. Mai, soll der Flugzeugträger den Suezkanal passiert haben.

Aus dem Pentagon hieß es, der Schritt sei notwendig geworden. Es habe Anhaltspunkte für eine gesteigerte Bereitschaft des Iran gegeben, Aggressionen gegen US-Kräfte und US-Interessen in der Region auszuführen. Sprecher Charles Summers erklärte: „Wir unterstreichen die Erklärung des Weißen Hauses, dass wir keinen Krieg mit dem Weißen Haus anstreben, aber unser Personal, unsere Verbündeten und unsere Interessen in der Region verteidigen werden.“

Graf Lambsdorff: „Deutschland hat keinerlei Einfluss mehr in Washington“

Der Iran hat unterdessen auch der EU ein Ultimatum gesetzt: Sollten die Europäer nicht zu einem Weg finden, die nach dem Rückzug der USA aus dem Atomabkommen von 2015 wieder in Kraft gesetzten und zusätzlichen US-Sanktionen gegen Teheran zu umgehen, werde man wieder beginnen, Uran anzureichern. Zudem stellte man Europa eine neue Flüchtlingswelle in Aussicht.

Trotz der unverhohlenen Drohungen aus Teheran will der Europaabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff „nüchterne Distanz zu beiden Seiten“ wahren. Dies erklärte er am Sonntag in der Fernsehtalkshow „Anne Will“. Allerdings, so beklagte er gegenüber dem Linkspolitiker Martin Schirdewan, habe Deutschland „keinerlei Einfluss mehr in Washington“.

CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen sieht dies anders. Er sieht die Schuld an der Krise bei den USA. Unter dem donnernden Applaus des Saalpublikums erklärte er: „Wir stehen zu dem Abkommen, das wir geschlossen haben.“

Deutschland müsse als bedeutendes Land Verantwortung übernehmen, denn: „Gegen uns, ohne uns geht gar nichts!“ Auf die etwas ungläubige Nachfrage der Moderatorin ergänzte er, dass er dies mit Blick auf Europa gemeint habe.

Man habe im Zusammenhang mit dem Abkommen, aus dem sich die USA wegen destabilisierenden und aggressiven Gebarens der Mullahs in der Region zurückgezogen hatten, zwar noch Spielräume, so Röttgen, aber „kein Instrument, dem Dollar etwas entgegenzusetzen“. Dies wäre aber die Voraussetzung, um die amerikanischen Sanktionen gegen den Iran zu unterlaufen.

„Appeasement-Politik der Europäer funktioniert nicht“

Röttgen setzt auf eine „Ausweitung des Dialogs“ mit Blick auf iranische Operationsfelder wie Syrien, Gaza, dem Irak oder dem Jemen – ungeachtet des Umstandes, dass erst jüngst die Revolutionsgarden ein Gesprächsangebot von US-Präsident Donald Trump über das iranische Atomprogramm kategorisch abgelehnt hatten.

Die israelische Politikberaterin Melody Sucharewicz hingegen verweist auf die entscheidende Rolle des Iran beim Raketen-Terror der Hamas und anderer radikal-islamischer Verbände gegen Israel aus dem Gaza-Streifen. Dass dieser ungebrochen und tendenziell noch offensiver als zuvor vonstattengehe, sei ein Beweis dafür, dass „die Appeasement-Politik der Europäer nicht funktioniert“.

Aus Gaza seien 700 Raketen innerhalb von 48 Stunden abgefeuert worden, die der Iran aus seinem Staatshaushalt finanziert und geliefert habe. Auf der einen Seite betone Deutschland, Israels Existenzrecht sei Teil der Staatsräson, gleichzeitig mache man Geschäfte mit den Mullahs und versuche gemeinsam mit den Europäern, das Abkommen von 2015 weiter am Leben zu erhalten. „Europa verkauft seine Werte und verletzt seine eigenen strategischen Interessen“, betont Sucharewicz.

Auch Bettina Klein wirft im „Deutschlandfunk“ den Europäern Selbstüberschätzung und Realitätsverweigerung mit Blick auf den Iran vor. Das Ultimatum aus Teheran zeige nun, „wer in der Weltpolitik Koch und wer Kellner ist“.

Deutschlandfunk: „Gelockerte Sanktionen haben iranisches Regime nicht verändert“

Das JCPOA-Abkommen, mittels dessen man den Iran mithilfe seiner Verbündeten Russland und der Volksrepublik China zum Partner habe aufbauen wollen, sei zwar ein Fortschritt gewesen. Doch es habe nur einen Teilaspekt der problematischen Entwicklungen im Iran erfasst. Auch den Europäern sei klar gewesen, dass der Iran ein ballistisches Raketenprogramms entwickle, terroristische Vereinigungen unterstütze und eine aggressive Außenpolitik betreibe.

„Anstatt es aber längst zu problematisieren und einen Ausweg dafür zu suchen, vielleicht sogar gemeinsam mit den Amerikanern, beriefen sich die Europäer stets nur darauf, dass all das ja nichts mit dem Iran-Abkommen zu tun hat. Ein schlechtes Ruhekissen.“

Die Hoffnung, die Probleme würden von allein verschwinden, habe sich zerschlagen. Auch die gelockerten Sanktionen hätten weder das iranische Regime als solches noch dessen Außenpolitik verändert. Zu behaupten, bis zum Ausstieg der USA aus dem Iran-Abkommen sei alles bestens gewesen, sei „angesichts der Gewalt in der Region und der Beteiligung des Iran daran schlicht zynisch“.

Die EU dürfe nun „wählen zwischen ihrem transatlantischen Verbündeten und einem Regime, das unterstützt durch Russland und China den Terror mitfinanziert“.

NIAC-Sprecher warnt vor regionaler Eskalation

Unterdessen warnt Trita Parsi von der iranisch-amerikanischen Organisation „National Iranian American Council“ (NIAC) in der „Neuen Zürcher Zeitung“ (NZZ) vor einer möglichen militärischen Eskalation. Der Sprecher der Organisation, die Kritiker beschuldigen, als Lobbyorganisation im Interesse Teherans in den USA aufzutreten, erklärt:

„Wenn es zu einer militärischen Auseinandersetzung kommt, dann wird diese nicht so ablaufen wie der Irak-Krieg 2003. Es werden nicht bloß zwei reguläre Streitkräfte aufeinandertreffen. Ein Krieg zwischen Iran und Amerika würde die ganze Region erfassen. Die Iraner werden den Amerikanern die Entscheidung nicht überlassen, auf welchen Schlachtfeldern gekämpft wird. Teheran würde sämtliche Verbündeten und eigene Einheiten in der ganzen Region gegen die Amerikaner mobilisieren.“

Dazu gehöre auch die libanesische Hisbollah, die seit 2006 mithilfe Teherans Bunkerstellungen und Raketenarsenale nördlich der israelischen Grenze ausgebaut hat.

 

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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