Egon W. Kreutzer: Was hat Riexinger im Sinn?

Es geht nicht darum, ob 500 Millionen 2 Millionen aufnehmen können, sondern darum, ob die Bürger der Mitgliedsstaaten „Flüchtlinge“ aufnehmen wollen. Bernd Riexinger hat ein paar erstaunliche Aussagen gemacht, die die Frage, was er wohl im Sinn haben könne, geradezu herausfordern.
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Sinnbild für die Situation im Jahr 2015: Flüchtlinge an der deutsch-österreichischen Grenze.Foto:  Armin Weigel/dpa
Von 26. April 2019

Vielleicht muss man „Riexinger“ erst kurz erklären. Bernd Riexinger ist ein Politiker der Partei „die LINKE“ und stellt dort, gemessen von der Mitte der Gesellschaft her, so etwas wie einen ntürlichen Gegenpol zu Björn Höcke von der AfD dar.

Dieser Riexinger war am Mittwoch im Morgenmagazin zu Gast und durfte sich zum Wahlprogramm der Partei „die LINKE“ zur Wahl des EU-Parlaments äußern.

Dabei hat er ein paar erstaunliche Aussagen gemacht, die sowohl die Frage, was er wohl im Sinn haben könne, geradezu herausfordern.

Sie wissen, ich bin ein ganz besonderer Freund von „Wahl-“ Programmen, gleichgültig, welche Partei sie aufstellt, denn entweder hat eine Partei ein Programm, dem sie sich und ihren Wählern verpflichtet fühlt, dann muss sie nicht für jede Wahl extra eines schneidern, oder sie hat zwar ein Programm, dem sie sich aber nicht verpflichtet fühlt, dann kann man das schön aufgehübschte Wahlprogramm auch gleich in die Tonne treten.

Das Wahlprogramm der Partei „die LINKE“ für die Wahl zum EU-Parlament wird neben den linken Standard-Parolen vor allem von der kritischen Auseinandersetzung mit jener Politik bestimmt, von der Riexinger offenbar nicht so genau weiß, ob es sich nun um die Asylpolitik, um die Flüchtlingspolitik, um die Zuwanderungs- oder um die Migrationspolitik handelt, denn er sieht keine Notwendigkeit, die Begriffe sauber voneinander abgrenzen. Für ihn gilt offenbar: „Einer Flüchtling – alle Flüchtling!“. Damit ist er nicht alleine, die CDU, die SPD und die Grünen haben das ebenso perfektioniert, aber hier am Beispiel Riexinger lässt es sich halt wieder einmal schön demonstrieren.

Populist, der Riexinger nun mal ist, stellt er sich erst mal hin und erklärt, es könne ihm niemand erzählen, dass 500 Millionen Europäer nicht in der Lage wären, 2 Millionen Flüchtlinge aufzunehmen.

Ich weiß nicht, wer je behauptet hätte, 500 Millionen Europäer seien nicht in der Lage, 2 Millionen Flüchtlinge aufzunehmen. Diese steile These hat er sich selbst ausgedacht, einzig zu dem Zweck sie publikumswirksam zu widerlegen. Auch damit ist er (siehe oben) gewiss nicht alleine. Dieser Taschenspielertrick taucht öfter auf als Hütchenspieler vor dem Hauptstadtbahnhof.

Was Riexinger vorsorglich unterschlägt, ist die Tatsache, dass es 500 Millionen Europäer nur als Summe einer Statistik gibt. Es gibt zwar einen EU-einheitlichen Reisepass, aber deswegen noch lange keine EU-Staatsangehörigkeit, und das ist gut so. Denn tatäschlich gibt es neben gut 80 Millionen Deutschen, knapp 70 Millionen Franzosen, für eine Weile wahrscheinlich noch knapp 70 Millionen Briten, 60 Millionen Italiener, knapp 50 Millionen Spanier, knapp 40 Millionen Polen, und dazu 22 mal aus den weiteren Mitgliedsstaaten je (durchschnittlich) 8 Millionen.

Die Bürger dieser 28 Staaten haben nun erstens schon bisher in sehr unterschiedlichem Maße „Flüchtlinge“ aufgenommen und zudem sehr unterschiedliche Vorstellungen davon, wie sich weitere Zuwanderung für sie auswirken würde, und stehen ihr durchweg mehrheitlich, wenn auch in unterschiedlich starker Ausprägung, ablehnend gegenüber.

Es geht nicht darum, ob 500 Millionen 2 Millionen aufnehmen können, sondern darum, ob die Bürger der Mitgliedsstaaten „Flüchtlinge“ aufnehmen wollen.

Denn eines macht auch Riexinger klar: Die Länder leiden unter den Flüchtlingen. Er versteckt das zwar ein bisschen unter der Aussage, dass diejenigen Länder am meisten unter den Flüchtlingen leiden, in denen die Flüchtlinge ankommen, doch dazu fordert er dann nur, dass die Belastungen (Sozialsysteme, Arbeitsmarkt, Wohnungsmarkt, Integrationsaufwand, Sicherheitskräfte, etc.), bzw. „die Leiden“, wie Riexinger es ausdrückt, gleichmäßiger verteilt werden müssten – eine sinnvolle Begrenzung kommt ihm nicht in den Sinn.

Noch einmal: Um schlichte Umverteilung vermeintlich unvermeidbarer Lasten kann und darf es nicht gehen!

Jedenfalls nicht, solange jeder EU-Ausländer, der sich in der EU niederlassen und versorgen lassen will, einfach in die Mitleidskategorie „Flüchtling“ einsortiert wird und alle Aufwände und Probleme, die das mit sich bringt, schlicht als „humanitäre Verpflichtung“ hingenommen werden sollen.

Es gibt keine humanitäre Verpflichtung, Menschen, die einfach in die Sozialsysteme eines fremden Staates einwandern wollen, weil sie dort (weitaus) bessere Leistungen erhalten als in ihrer Heimat, aus humanitären Gründen aufzunehmen.

So verständlich der Wunsch auch erscheint, ein als wahres „Schlaraffenland“ erscheinendes Gebiet zu erreichen und sich dort niederzulassen, so berechtigt ist das Interesse der dort Ansässigen, ihre Grenzen zu kontrollieren und nur diejenigen hereinzulassen, die tatsächlich unter politischer Verfolgung leiden (Asylgrund) oder vor Folter, drohender Todesstrafe oder wegen Lebensgefahr aus Kriegs- oder Bürgerkriegsgebieten geflüchtet sind (subsidiärer Schutz), und diesen solange den Aufenthalt im Lande zu gestatten und sie zu versorgen, wie die Gründe für das Aufenthaltsrecht bestehen. Selbstverständlich ist es ebenfalls ein berechtigtes Interesse der dort Ansässigen, solchen Menschen den Aufenthalt zu genehmigen und ihnen ggfs. die Staatsbürgerschaft anzubieten, von denen angenommen werden kann, dass sie aufgrund ihres Wissens und Könnens etwas zum Wohlergehen der Gesellschaft beitragen können.

Diese Selbstverständlichkeit wurde mit dem UN-Migrationspakt pervertiert und in ihr Gegenteil verkehrt. Was uns vor der Unterschrift als vollkommen unverbindlich dargestellt wurde, wird demnächst unter den Fittichen der UN in geltendes Völkerrecht verwandelt werden, dem auch diejenigen Staaten unterworfen werden, die sich aus guten Gründen geweigert haben, sich zum Zielland einer globalen Völkerwanderung machen zu lassen. Merkels kaum verhohlenen Triumph, als sie diese Absicht im Bundestag zum Besten gab, werde ich so schnell nicht vergessen.

Die LINKE hat sich also, wenn Riexingers Aussagen zum Wahlprogramm der LINKEn so tatsächlich Parteibeschluss sind, zum Handlanger der GroKo unter Angela Merkel gemacht.

Oder war es umgekehrt? Hat Angela Merkel ursozialistische Einheitspartei-Ideale aus dem Fundus der SED in der wiedervereinigten Republik trickreich und mit Leichtigkeit durchgesetzt, während die LINKE mit den gleichen, aber offen vorgetragenen Absichten, keinen Blumentopf oberhalb von sechs oder sieben Prozent gewinnen konnte?

Das hat Riexinger stark motiviert, doch noch einen oben drauf zu setzen.

Er will jetzt eine ganz andere Flüchtlingspolitik in der EU.

Jeder Flüchtling soll selbst bestimmen können, in welchem Land er sich aufhalten will.

Doch was ist daran neu und typisch die LINKE?

Eigentlich nur die Tatsache, dass Riexinger sich offen und ehrlich dafür einsetzt, jene Zustände, die längst geschaffen und Realität sind, mit Zustimmung der LINKEn zu legalisieren. Man könnte auch sagen: Riexinger macht sich und uns ehrlich.

Die Dublin Vereinbarung, nach welcher Asylbewerber ihren Asylantrag in dem Land stellen müssen, in dem sie erstmals den Boden eines EU-Mitgliedsstaates betreten haben, will er aufheben. Das Ehrliche daran liegt darin, dass Dublin noch nie funktioniert hat. Die so genannten Flüchtlinge haben keinerlei Problem, sich über die offenen Binnengrenzen der EU frei zu bewegen, und wenn es sich nicht vermeiden lässt, dann stellen sie eben in Spanien einen Asylantrag, und wenn sie dann Deutschland angekommen sind, einfach noch einmal einen neuen – wenn es sich anbietet, dann gerne auch ohne Ausweispapiere unter einer zweiten oder dritten Identität. Und sollte es sich herausstellen, dass einem mangels ausreichender Gründe kein Asyl gewährt werden kann, dass dem auch mangels ausreichender Gründe kein subsidiärer Schutz gewährt werden kann, dass ihm mangels ausreichender Gründe auch keine Duldung gewährt werden kann, und es tatsächlich gelingt, diesen Ausreisepflichtigen mit einer Wiedereinreisesperre zu belegen, ihn in ein Flugzeug zu setzen und die Abschiebung zu vollziehen, dann wird diese gleiche Person, wenn sie erneut an der Grenze auftaucht und „Asyl“ sagt, wiederum für Monate, wenn nicht gar Jahre, deutsche Gastfreundschaft genießen.

Riexinger! Was willst du noch?

Das haben wir doch alles schon!

Natürlich durfte es am Versuch, Riexinger und die LINKE vordergründig lächerlich zu machen, nicht fehlen. Die Fangfrage, ob nicht noch viel mehr (anteilig) Flüchtlinge nach Deutschland kämen, würde das Dublin-Abkommen aufgehoben, beantwortet Riexinger wahrheitsgemäß mit: „Es ist nicht gesagt … „, und erntet darauf höchst zweifelnde Blicke. Selbstverständlich ist man auch von rechtsaußen in diese Falle getappt und erklärt Riexinger mehr oder weniger direkt zum Traumtänzer, wie er annehmen könnte, dass sich etwas ändern würde, wenn man Aufnahmeländer künftig mehr mit EU-Mitteln unterstützt und Verweigerern die Mittel streicht. Doch das ist alles Augenwischerei! Riexinger hat ungewollt die Wahrheit ausgesprochen.

Es werden, sollte Dublin aufgekündigt werden, (anteilig) nicht mehr Flüchtlinge nach Deutschland kommen als sowieso schon, weil sowieso schon alle irgendwie und irgendwann nach Deutschland kommen, die dahin wollen.

Nach Angaben des italienischen Geheimdienstes warten in Libyen rund 100.000 Menschen, zumeist Zentralafrikaner, darauf, dass der von General Haftar zur Einigung des Landes begonnene Feldzug von der UN als Krieg anerkannt wird. Dann können sie in die Boote steigen und als Schutzsuchende in der EU anlanden. Der libysche Premier Fayez al-Serraj kommt in seiner Einschätzung sogar auf rund 800.000 Menschen, die alleine in Libyen auf eine Einreise in die EU warten. Zehntausend sind längst wieder auf dem Balkan unterwegs und suchen eifrig nach den Lücken in den Zäunen.

Es ist nur eine Frage der Zeit.

Phantasten, die immer noch versuchen, auf dem Wege der Prozentrechnung irgendwelche „2 Millionen“ im Verhältnis zu 500 Millionen als Petitesse darzustellen, haben mathematisch zwar Recht, so wie alle Milchmädchen mathematisch vollkommen korrekt operieren, doch unglücklicherweise sind Praxis und Theorie unvereinbar. Schon alleine deshalb, weil die Frage offen gelassen wird, in welchen Abständen jeweils weitere zwei Millionen aufzunehmen sein werden.

Rad-Protest schon 2016: Mit der Aktion, die vom Bündnis90/Grüne initiiert wurde, soll für bessere Bedingungen für Radfahrer in der Hauptstadt geworben werden. Foto: Gregor Fischer/dpa

Lassen Sie mich kurz abschweifen und auf die gleichzeitig beschworene Vision eines weitgehend vom automobilen Individualverkehr befreiten Deutschland eingehen.

Deutschland ist in allen wichtigen Strukturen, vom Einzelhandel, der sich fast ausschließlich noch als Supermarkt nahe der grünen Wiese präsentiert, bis zur medizinischen Versorgung, die immer mehr in Zentren mit sehr großen Einzugsgebieten angeboten wird, von den zentralisierten Schulen und Bildungseinrichtungen bis hin zu den zentralisierten öffentlichen Ämtern und Verwaltungen auf die Nutzung des motorisierten Individualverkehrs angewiesen. Da hilft der Ausbau des Radwegenetzes überhaupt nichts. Und wollte man den öffentlichen Personennahverkehr so weit ausbauen, dass er auch nur 80% der Mobilitätsbedürfnisse abdeckt, er würde die Bürger über die Fahrpreise und die für die Subventionierung steigende Steuerlast weit mehr kosten als der privat genutzte Pkw, und dennoch nur zu 80% zufriedenstellen können.

Diese Strukturen wurden ab den 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts aufgebaut, wobei trotz gegenteiliger Beschwörungen, bewusst die Schiene gegenüber der Straße (bzw. der Automobilwirtschaft), sowohl im Personen-, als auch im Güterverkehr vernachlässigt wurde. Selbstverständlich hat sich zuerst die Wirtschaft die Vorteile der individuellen Mobilität ihrer Kunden zunutze gemacht, und der Wirtschaft folgten wiederum die Kunden, und dem folgte der Staat mit allen seinen Einrichtungen. Bürgernähe – im geografischen Sinne begriffen – ist ohne Individualverkehr nur in den Großstädten herstellbar und selbst da aufgrund der unzureichenden „Kofferräume“ des ÖPNV bisweilen erheblich erschwert.

Fahrrad passt nun mal nur zu Tante-Emma-Laden. Dies zu verändern bedeutet den Rückbau aller Strukturen, nicht nur der Straßen, die auf Effizienz durch Zentralisierung ausgerichtet sind, und die Errichtung dörflich-kleinstädtischer, weitgehend autarker, regionaler Lebensräume. Der Irrsinn, den Individualverkehr durch immer neue Vorschriften, Fahrverbote, Extra-Steuern, Fahrbahnverengungen, Parkplatzrückbau, etc., etc, zu bändigen, wird das Land in die Depression reißen, weil der notwendige Rückbau der großen Strukturen unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit schon längst nicht mehr möglich ist.

Nicht anders ist es im Verhältnis der natürlich gewachsenen und zum Teil auch wieder natürlich geschrumpften Infrastruktur im weitesten Sinne zur Bevölkerungsgröße und deren Alters- und Einkommensstruktur.

Was hilft eine noch so groß dimensionierte Mietpreisbremse, wenn 1,x Millionen junge Männer zusätzlich um den sowieso schon knappen, bezahlbaren Wohnraum konkurrieren und durch großzügige Regelungen zum Familiennachzug der Wohnungsmarkt noch gesondert belastet wird?

Was hilft ein noch so weit in die Höhe geschraubter Mindestlohn, wenn sich durch die Zuwanderung die Zahl der von staatlichen Transferleistungen am Existenzminimum vegetierenden Menschen um Hunderttausende erhöht?

Was hilft es, wenn Hunderttausende Arbeitswillige auf einen Arbeitsmarkt drängen, bei dem sich dadurch die Zahl der offenen Stellen keineswegs erhöht?

Solange Zuwanderung überwiegend aus dem Topf des Volkseinkommens der Alt-Ansässigen finanziert wird, also lediglich eine weitere Umverteilung von den Erwerbstätigen auf zusätzliche Leistungsempfänger erfolgt, entsteht durch Zuwanderung vielleicht hier und da branchenspezifisches Wachstum, doch der allgemeine Wohlstand sinkt, bzw. wächst nicht im ansonsten möglichen Maße.

Peter Scholl-Latour mahnte einst: «Wer halb Kalkutta aufnimmt, hilft nicht etwa Kalkutta, sondern wird selbst zu Kalkutta!»

Merkel, Nahles, Habeck und Riexinger, können, so scheint es, gar nicht erwarten, endlich ganz Kalkutta willkommen geheißen zu haben.

Oder hat irgendjemand von denen sich irgendwann einmal dazu bekannt,
dass alles, außer der menschlichen Dummheit vielleicht, seine Obergrenze hat,
deren Überschreiten zum Zusammenbruch oder zu einer gänzlich unerwünschten, völlig anderen Qualität führt.

Der Artikel erschien zuerst bei Egon W. Kreutzer

Egon W. Kreutzer ist Unternehmensberater, Autor und Verleger

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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