Jürgen Fritz zur EU-Wahl: So hätten die Deutschen am Sonntag gewählt

Insgesamt sind am kommenden Sonntag ca. 400 Millionen EU-Bürger aufgerufen, 751 Abgeordnete zu wählen. In Deutschland sind es laut dem Bundeswahlleiter knapp 65 Millionen Bürger, die wahlberechtigt sind, davon knapp 61 Millionen Deutsche und ca. 4 Millionen ausländische EU-Bürger, die in Deutschland wohnen.
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Es bleibt spannend, weltweit gibt es 2019 viele Wahlen.Foto: iStock
Von 20. Mai 2019

Ab Donnerstag beginnen die Wahlen zum sogenannten „Europäischen Parlament“, das eigentlich EU-Parlament heißen müsste, da es nicht alle 50 europäischen Staaten mit rund 750 Millionen Europäern abbildet, sondern – inklusive dem Noch-Mitglied Großbritannien – nur 28 Staaten mit ca. 510 Millionen Bürgern. In Deutschland wird am Sonntag, den 26. Mai 2019, gewählt. Was in den nächsten Tagen noch passieren wird, weiß natürlich kein Mensch, aber was wir relativ zuverlässig sagen können, ist, wie die Deutschen abstimmen würden, wenn die Wahl schon am Sonntag, den 19. Mai 2019, gewesen wäre. Es gäbe zwei große Gewinner und zwei große Verlierer, darunter einen ganz großen.

Zwölf deutsche Wähler haben weniger Einfluss auf die Zusammensetzung des EU-Parlamentes als ein Bürger Maltas

Immerhin ist das sogenannte „Europäische Parlament“ das einzig direkt demokratische gewählte Organ der EU, wenngleich diese Wahl nicht dem Grundsatz des gleichen Stimmrechts entspricht. Nicht nur dass das Wahlrecht in jedem der 28 Länder unterschiedlich ist (verschiedene Sperrklauseln, kein einheitliches Mindestwahlalter), vor allem werden die Stimmen der Bürger kleinerer Länder deutlich, teilweise sogar extrem bis extremst stärker gewichtet als die Stimmen der Bürger der großen EU-Staaten, wie Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Spanien, Stichwort degressive Proportionalität.

So ist zum Beispiel das Votum eines Dänen doppelt so stark im EU-Parlament abgebildet wie das einen Deutschen, das eines Slowenen sogar etwa 3,3 mal so stark und das eines Luxemburgers mehr als zehnmal so stark. Zehn Deutsche haben also weniger Gewicht als ein Luxemburger. Am extremsten ist aber das Verhältnis im Vergleich zu Malta, welches in Relation zu Deutschland fast 13-fach übergewichtet wird. Während ein Abgeordneter in Allemagne ca. 850.000 Bürger vertritt, bekommt Malta pro ca. 65.000 Bürger einen Abgeorneten. Zwölf deutsche Wähler haben also weniger Einfluss auf die Zusammensetzung des EU-Parlamentes als ein Bürger Maltas.

Kontinuierlich fallende Wahlbeteiligung in der gesamten EU und in Deutschland

Insgesamt sind ca. 400 Millionen EU-Bürger aufgerufen, 751 Abgeordnete zu wählen. In Deutschland sind es laut dem Bundeswahlleiter knapp 65 Millionen Bürger, die wahlberechtigt sind, davon knapp 61 Millionen Deutsche und ca. 4 Millionen ausländische EU-Bürger, die in Deutschland wohnen.

Die Wahlbeteiligung ist seit der ersten EU-Wahl 1979 kontinuierlich gefallen von anfangs 62 auf die letzten beiden Male unter 43 Prozent, in Deutschland von knapp 66 auf 43 bis 48 Prozent.

So wählten die Deutschen vor fünf Jahren

In Deutschland werden sich insgesamt 41 Parteien (und sonstige politische Vereinigungen mit gemeinsamen Listen) zur Wahl stellen. Anders als bei der Bundestagswahl wird keine Sperrklausel (Fünfprozenthürde) greifen. Wirklich relevant werden aber nur sechs Fraktionen bzw. sieben Parteien sein. Diese erzielten bei der letzten Europawahl im Jahr 2014 folgende Ergebnisse (in Klammern die Veränderungen gegenüber 2009):

CDU/CSU: 35,3 % (– 2,6)
SPD: 27,3 % (+ 6,5)
GRÜNE: 10,7 % (– 1,4)
LINKE: 7,4 % (– 0,1)
AfD: 7,1 % (+ 7,1)
FDP: 3,4 % (– 7,6)
Sonstige: 8,8 % (– 1,9), davon jede einzelne Partei bei max. 1,5 %

So würden die Deutschen heute wählen

In den letzten vier Tagen sind nun drei Umfrageauswertungen erschienen, zunächst am 15.05. von INSA für die Bild (2.044 online vom 10.05. bis 13.05. Befragte), dann am 16.05. von Infratest dimap für die ARD (1.001 telefonisch vom 14.05. bis 15.05. Befragte) und am 17.05. von Forschungsgruppe Wahlen (1.313 telefonisch vom 14.05. bis 16.05. Befragte) für das ZDF. (Auch Civey kommt in seiner Live-Umfrage vom gestrigen Sonntag zu sehr ähnlichen Ergebnissen.) INSA ist das Institut, welches mit seiner letzten Umfrage vor der Bundestagswahl 2017 als einziges noch näher am tatsächlichen Wahlergebnis lag (1,05 % mittlere Abweichung) als die Prognose von Wahl-O-Matrix (1,09 %), dem von mir gegründeten Meta-Analyse-Tool, und auch Forschungsgruppe Wahlen und Infratest dimap erzielten mit 1,16 % bzw. 1,17 % mittlerer Abweichung recht gute Ergebnisse.

Wenn wir nun jeweils das arithmetische Mittel der drei aktuellen Umfragen von INSA, Infratest dimap und Forschungsgruppe Wahlen mit dann insgesamt über 4.350 Befragten ermitteln, was die Treffergenauigkeit nochmals erhöhen dürfte, kommen wir zu folgenden Ergebnissen, wobei natürlich kleine Abweichungen von ein bis zwei, bei größeren Parteien eventuell auch drei Prozent, viel mehr aber kaum, immer möglich sind. So in etwa würden die Deutschen heute wählen:

CDU/CSU: 28,7 %
GRÜNE: 18 %
SPD: 16,3 %
AfD: 12 %
LINKE: 7,3 %
FDP: 6,5 %
Sonstige: 11,2 %

Gewinne und Verluste

Gegenüber der EU-Wahl 2014 würden wir bei diesem Ergebnis folgende Veränderungen sehen:

GRÜNE: + 7,3 %
AfD: + 4,9 %
FDP: + 3,1 %
Sonstige: + 2,4 %
LINKE: – 0,1 %
CDU/CSU: – 6,6 %
SPD: – 11,0 %

Ganz große Verluste drohen offensichtlich der SPD, die momentan mit einem Minus von um die 11 Punkten rechnen muss. Aber auch die Union hätte ein deutlich schlechteres Ergebnis als 2014 einzukalkulieren. 6 bis 7 Punkte würde es hier zur Zeit nach unten gehen, während drei Parteien im Mai kräftig zulegen dürften: a) die FDP, welche 2014 enorme Einbußen erlebt hatte, b) die AfD und c) am stärksten von allen die lange unterschätzten Grünen.

P.S.: In Großbritannien liegt übrigens in einer aktuellen Umfrage die neue Brexit-Partei von Nigel Farage klar vorn, hat sogar einen großen Vorsprung von den konservativen Tories von Premierministerin Theresa May und der oppositionellen Labour-Partei.

Im Original erschienen bei Jürgen Fritz.

 

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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