Markus Krall zur Rüstungsindustrie: Goodbye Leopard

„Das Symbol unserer Verkehrsinfrastruktur ist das Schlagloch, das der Digitalinfrastruktur das Funkloch und hätten wir eine Space Force, dann wäre deren Symbol wahrscheinlich das Schwarze Loch.“ Markus Krall zur deutschen Rüstungsindustrie. Ein Kommentar.
Titelbild
Ein Schiff der Deutschen Marine mit einem Westland Sea Lynx Mk.88A U-Boot-Abwehrhubschrauber.Foto: iStock
Von 6. April 2023

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Gerüchte machen die Runde – und wenige Dinge verbreiten sich schneller. Man sagt, dass sie sich so schnell ausbreiten, dass man damit ein Raketentriebwerk betreiben könnte. Und damit sind wir auch schon beim Thema. Was ist dran an den Nachrichten, dass auch große Unternehmen der deutschen Rüstungsindustrie an eine Abwanderung in Richtung USA nachdenken? 

Bei der Suche nach dem Vorgang auf Google kann man nichts Aktuelles finden. Der letzte Eintrag zu der konkreten Frage stammt aus dem Jahr 2014. Damals drohte die Branche der Bundesregierung offen mit Abwanderung. Kein Wunder, angesichts der stiefmütterlichen Behandlung des Themas Verteidigung in jedem Bundeshaushalt der Regierung Merkel, der je aufgestellt wurde.

Das Einzige, was eine gewisse Hellhörigkeit rechtfertigen könnte, ist der Großauftrag der US-Armee, um den sich Rheinmetall gemeinsam mit dem US-Unternehmen General Motors bewirbt, nämlich die Erneuerung der Lkw-Flotte mit einem Volumen von 12 bis 14 Milliarden US-Dollar.

Öffentliche Aufträge mit einem solchen Volumen sind in der Regel so gut wie immer daran geknüpft, dass ein Großteil der Wertschöpfung im Abnehmerland stattfindet und auch Know-how transferiert wird. 

Hätten Unternehmen einen Grund zur Abwanderung?

Doch wo Rauch ist, da ist auch Feuer. 

Und so stellt sich die Frage weniger nach der Spekulation über eine konkrete Planung, sondern vielmehr ist zu fragen: Hätten die Unternehmen denn einen guten Grund? Und da, verehrte Leser, fällt mir mehr als nur einer ein. Denn wenn ich in einer Sache Übung habe, dann mich in die Schuhe eines Managers hineinzudenken, der sich um das Wohl seines Unternehmens und seiner Aktionäre zu kümmern hat. 

Ein solcher Manager hätte in Deutschland wenig Grund, nicht über eine Abwanderung nachzudenken.

Ja, es ist wahr: Wir haben jetzt ein „Sondervermögen“ von 100 Milliarden Euro aufgelegt, um die schlimmsten Versäumnisse der Merkel-Regierung bei der Sicherung der Verteidigungsfähigkeit dieses Landes zu korrigieren. Aber abgesehen davon, dass Deutschland das einzige Land auf der Welt ist, das Schulden Vermögen nennt, muss man ein gutes Jahr nachdem dies passiert war, feststellen: Außer Spesen nichts gewesen.

Das Beschaffungswesen der Bundeswehr ist genau in dem gleichen Zustand wie alle übrigen Zweige der staatlichen Bürokratie und wie auch alles andere, wofür sich der Staat in diesem Land für zuständig erklärt hat. Das Symbol unserer Verkehrsinfrastruktur ist das Schlagloch, das der Digitalinfrastruktur das Funkloch und hätten wir eine Space Force, dann wäre deren Symbol wahrscheinlich das Schwarze Loch. 

Die Bundeswehr rüstet de facto ab

Ein Jahr nach dem großen Trara tut sich also nichts an der Beschaffungsfront. Im Gegenteil: Die Bundeswehr rüstet weiter ab, zwar nicht als Planziel, aber als Nebenwirkung. Gerät und Munition werden an die Ukraine verschenkt, das Land wird strategisch damit weiter entblößt.

Der neue Verteidigungsminister Pistorius sprach neulich davon, dass es bis zum Ende des Jahrzehnts dauern werde, die Lücken zu schließen. Wenn das mal reicht – beim aktuellen Tempo der Beschaffung. Was des einen Beschaffung, ist des anderen Bestellung. Unser Rüstungsmanager schaut aus dem Fenster und fragt sich langsam zu Recht: „Kommt da noch was?“

Die Unfähigkeit unserer Bürokratie ist aber nicht der einzige Grund, wahrscheinlich noch nicht einmal der Hauptgrund für solche Gedankenspiele. Die Rüstungsindustrie ist – das liegt in der Natur der Sache – ein Zweig der Metallindustrie. Fahrzeuge, zumal gepanzerte, brauchen viel Metall, und zwar solches Metall, das hervorragende Eigenschaften hinsichtlich Festigkeit, Haltbarkeit und Widerstand gegen alle Arten von Verschleiß aufweist und daher etliche Schritte der Veredelung durchlaufen hat. Die Herstellung und Veredelung von Metall ist – Überraschung! – energieintensiv. 

Unternehmen nicht wettbewerbsfähig

Die Metallindustrie hatte vor der Energiepreisexplosion der letzten Jahre einen Anteil an den Gesamtkosten von etwa 25 Prozent. Das ist schon ein signifikanter Wettbewerbsfaktor. In den letzten sechs Jahren haben sich das Gas um 400 Prozent, das Heizöl um 100 Prozent, der Strom um 200 Prozent und die Kohle um 300 Prozent verteuert. Damit dürfte sich der Anteil der Energiekosten in der Metallindustrie und damit auch in ihrem Teilsektor Verteidigung mehr als verdoppelt haben.

Das ist kein globales Phänomen, es ist ein deutsches Phänomen. Die Unternehmen sind in einem Energie-Hochpreisland schlicht nicht wettbewerbsfähig. Andere Standortfaktoren sprechen auch nicht für Deutschland.

Verkehrs- und digitale Infrastruktur sind ein Desaster, die Bildungskatastrophe und der resultierende Mangel an Ingenieuren und Facharbeitern ist sprichwörtlich, die Steuern- und Abgabenbelastung im internationalen Vergleich auf Rekordniveau und die Regulierungswut könnte man als „Bürokratie-Tourette“ zusammenfassen. 

Mit der Energie im Besonderen haben wir es nicht so im Habeckschen Windmühlenparadies. Wir sind aus allem ausgestiegen, was die Wirtschaft mit hochgespannter, jederzeit verfügbarer, billiger Energie versorgen könnte: Steinkohle, Braunkohle, russisches Gas, Atomkraft. 

Ganz anders die USA: Billige Energie im Überfluss, ein steter Fluss an Beschaffungsaufträgen des Verteidigungsministeriums, Beihilfen und Steueranreize, um produzierende Unternehmen ins Land zu locken.

Dazu kommt – speziell für die Rüstungsindustrie: In den USA zu produzieren, ist beim Verkauf in Europa, insbesondere in Deutschland kein Standortnachteil, sondern sogar ein Standortvorteil, denn die Rollen sind klar verteilt, wer im westlichen Bündnis Koch und wer hier Kellner ist. 

Fassen wir zusammen: Der neue grüne Bellizismus mit Kriegstrommeln, Frontbesuchen und Panzerpersonal reicht nicht aus, die realen Standortnachteile zu korrigieren. Soll sich also keiner wundern, wenn aus Gerüchten demnächst Realität wird. 

Dr. Markus Krall ist promovierter Diplom-Volkswirt und beriet 30 Jahre in 40 Ländern Banken, Versicherungen, Regierungen und supranationale Organisationen, unter ihnen einige der Top-20-Finanzinstitutionen der Welt. Er war zuletzt CEO der Degussa Goldhandel und arbeitet als Publizist zu Fragen der Wirtschaft und Geldpolitik. Er ist Mitglied der Europäischen Akademie der Wissenschaften.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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