Norbert Häring: Kommentar zu meiner Kritik am Heute Journal und meine Replik dazu

Armin Kammrad hat meiner Kritik am Heute Journal einen langen Kommentar gewidmet, in dem er schreibt, nicht das ZDF täusche sein Publikum, sondern ich täusche meine Leser. Leider verfälscht er dabei meine Aussagen massiv, was ich korrigieren möchte.
Titelbild
Flüchtlinge und Migranten auf dem Mittelmeer vor SizilienFoto: Us Marina Militare/dpa
Von 9. Februar 2019

Auf dem Portal LabourNet hat Armin Kammrad meinen Beitrag „Das ZDF setzt den Migrationspakt um, indem es das Publikum täuscht“ scharf angegriffen. Ich habe dazu eine Replik geschrieben, die ebenfalls auf LabourNet veröffentlicht wurde. Kurzfassung: Nur weil man es schwieriger findet, mit dem Faktum der gesunkenen Anzahl von Ertrunkenen zu argumentieren als ohne es, ist es nicht legitim, alle die es aussprechen, zu Unmenschen zu erklären, ihnen Aussagen unterzuschieben, die sie nicht gemacht haben und ihre Argumentation zu entstellen. Wer gute Argumente hat, braucht das nicht.

Armin Kammrad schreibt:

Kein Grund das Sterben an der EU-Außengrenze zu relativieren. Wie Norbert Häring seine Leser täuscht

Mit seinem Beitrag „Das ZDF setzt den Migrationspakt um, indem es das Publikum täuscht“ vom 31. Januar 2019 will Norbert Häring nachweisen, dass eine ZDF-Meldung (Heute Journal vom 30. Januar Min. 16:10) zum UNHCR-Bericht „mit journalistischem Ethos und der Verantwortung gegenüber dem beitragszahlenden Publikum in eklatanter Weise unvereinbar“ sei 1. Aber warum?  Die ZDF-Meldung, auf die sich Häring mit seiner Schelte bezieht, lautet: „Die Flucht über das Mittelmeer ist 2018 noch gefährlicher geworden. Laut der UNO ertranken im Schnitt sechs Menschen pro Tag beim Versuch nach Europa zu gelangen. Ein Grund seien weniger Suchaktionen.“ Zugegeben ist diese Meldung sehr kurz. Aber worin soll die Täuschung bestehen? Häring sieht – für mich nicht nachvollziehbar – in der ZDF-Meldungen nur Manipulation durch verfälschte Berichterstattung: „Die Schlussfolgerungen des Publikums mit derartig verfälschender Berichterstattung zu manipulieren, ist jedenfalls nicht legitim und auch nicht zielführend, wenn man wirklich die immer noch schrecklich hohe Zahl der Ertrinkenden weiter reduzieren will“. Ist es falsch, dass die Flucht über das Mittelmeer 2018 „noch gefährlicher geworden“ ist? Man muss – ja, sollte – dem ZDF nicht alles glauben. Um der Wahrheit näher zu kommen ist deshalb vielleicht ein Vergleich mit dem Original hilfreich. … weiterlesen auf LabourNet

Meine Replik:

Replik von Norbert Häring zu „Kein Grund das Sterben an der EU-Außengrenze zu relativieren. Wie Norbert Häring seine Leser täuscht“

Armin Kammrad hat meiner Kritik am Heute Journal einen langen Kommentar gewidmet, in dem er schreibt, nicht das ZDF täusche sein Publikum, sondern ich täusche meine Leser. Leider verfälscht er dabei meine Aussagen massiv, was ich korrigieren möchte.

Das Heute Journal hatte folgendes berichtet: „Die Flucht über das Mittelmeer ist 2018 noch gefährlicher geworden. Laut der Uno ertranken im Schnitt sechs Menschen pro Tag beim Versuch, nach Europa zu gelangen. Ein Grund seien weniger Suchaktionen.“
Ich kritisierte daran, dass das beim Publikum den Eindruck erwecken muss, dass 2018 mehr Menschen im Mittelmeer ertrunken seien als im Vorjahr. Tatsächlich waren es aber viel weniger.

Durch Weglassen  der ziemlich kurzen Begründung für meine Kritik, schafft Herr Kammrad es, nicht zu verstehen, was an dem ZDF-Bericht kritikwürdig  sein soll. „Ist es falsch, dass die Flucht über das Mittelmeer 2018 noch gefährlicher geworden ist?“, fragt er.

Nein es ist nicht falsch. Aber das war klar erkennbar nicht meine Kritik. Wenn danach als Beleg gekommen wäre, dass ein höherer Anteil derer Ertrunken sind, die die Überfahrt versuchten, wäre es nicht irreführend. Und wenn dazu noch die nicht ganz unwichtige Information gekommen wäre, dass weniger umkamen, weil weit weniger die Überfahrt versuchen, wäre die Information auch komplett gewesen. Ich kritisierte, dass hier durch geschicktes Aneinanderreihen von für sich korrekten Sätzen zu einem falschen Begründungszusammenhang das Publikum getäuscht wurde.

Ich schrieb sogar ausdrücklich, dass ich keine Stellung dazu nehme, wie man die Zahlen bewerten und welche man wichtiger nehmen sollte, die Relation oder die absolute Zahl. Das sei Sache des Publikums zu bewerten, aber man dürfe diese Bewertung als seriöses Medium nicht durch verzerrte Informationen in eine gewünschte Richtung lenken. Ich nannte eine solche Manipulation „nicht legitim und nicht zielführend“. Daraus macht Kammard: „Dass mehr Seenotrettung ‚nicht legitim und auch nicht zielführend‘ sein soll, überrascht allerdings“ Einen Teil meines Zitats zu nehmen und es in Anführungszeichen gesetzt in eine gänzlich andere Aussage zu packen, die ich nie getätigt habe, ist entweder sehr schlampig oder böswillige Täuschung.

Um Verwirrung zu vermeiden: Die Zahl der Ertrunkenen ist nicht um 30 gesunken, wie Kammrad mich falsch zitiert, sondern um 30 Prozent.

Kammrad zitiert den UNHCR mit zwei gegensätzlichen  Aussagen:

„Auch durch ausbleibende Seenotrettung war das Mittelmeer nach UNHCR-Angaben wieder der tödlichste Seeweg der Erde. Insbesondere im zentralen Mittelmeer stieg die Zahl der Toten drastisch.“

Und:

„Obwohl die Gesamtzahl der Todesfälle auf See im zentralen Mittelmeerraum im Jahr 2018 im Vergleich zum Vorjahr mehr als halbiert wurde, stieg die Zahl der Todesopfer pro Reisegruppe stark an.“

Im zentralen Mittelmeerraum ist die Zahl der Toten drastisch gestiegen und hat sich gleichzeitig mehr als halbiert? Wie geht das?
Kammrad wirft mir vor: „…obwohl er es ist, der den Fakt der gestiegenen Lebensgefahr bei der Flucht über das Mittelmeer verschweigt.“
Das ist falsch. Ich schrieb: „Die Anzahl derer, die sich in die Boote begaben, ging noch stärker zurück als die Anzahl der Ertrunkenen. Eine Relation von Ertrunkenen zu Angekommenen ist also gestiegen.“

Kammrad schreibt weiter: „(Häring)  präsentiert jedoch diese Logik: Je weniger es noch schaffen, umso besser. Die Frage nach dem Warum, stellt er nicht und bestreitet sogar den Rückgang der Rettung als eine wesentliche Ursache.“  Das ist schlicht gelogen. Ich habe in dem Text nur bestritten, dass der Rückgang der Rettung zu einer Zunahme der Anzahl der Ertrunkenen geführt hat, weil die nämlich gesunken ist. Etwas anderes habe ich nicht bestritten. Die Logik, je weniger es schafften, desto besser, präsentiere ich auch nicht.

„Warum versucht Häring überhaupt seiner Leserschaft vorzugaukeln, dass die politisch bewusst erhöhte Lebensgefahr einer Flucht über das Mittelmeer abgenommen hat?“, fragt Kammrad.  Die Antwort ist: ich versuche es nicht. Ich schrieb, dass die Anzahl der Toten abgenommen hat, weil es weniger versucht haben und dass von denen, die es versucht haben, mehr Ertrunken sind.

Nur weil man es schwieriger findet, mit dem Faktum der gesunkenen  Anzahl von Ertrunkenen zu argumentieren, als ohne es, ist es nicht legitim, alle die es aussprechen, zu Unmenschen zu erklären, ihnen Aussagen unterzuschieben, die sie nicht gemacht haben und ihre Argumentation zu entstellen. Wer gute Argumente hat, braucht das nicht.

Kammrad behauptet, wenn ich schreibe, die Bundesregierung habe sich mit der Annahme des Migrationspaktes verpflichtet, „das Abkommen in Kooperation und Partnerschaft mit den Medien umsetzen“, dann sei das ein Eigenzitat das nicht aus dem Pakt stammt. Die Medien kämen darin überhaupt nur einmal vor.

Es ist fahrlässig, jemand erfundene Zitate  vorzuwerfen, ohne den Text aus dem zitiert wird, zu lesen. Medien kommen mehrmals vor. Man kann im PDF automatisch nach dem Wort suchen.

Einmal auf Seite 5 kommen die Medien vor, dann auf Seite 24 und auf Seite 33 schließlich das angeblich nicht existente Zitat:  “We will implement the Global Compact in cooperation and partnership with (…), the media and other relevant stakeholders.”

Link zu meiner Replik auf LabourNet

Link zur Rubrik „Interventionen“ von LabourNet

Der Artikel erschien zuerst auf norberthaering.de

Norbert Häring ist seit 1997 Wirtschaftsjournalist. Der promovierte Volkswirt arbeitete vorher einige Jahre für eine große deutsche Bank. 2002 wechselte er zum Handelsblatt, für das er seither schreibt. Er engagiert sich in der World Economics Association für eine weniger einseitige und dogmatische Ökonomik. Er ist Träger des Publizistik-Preises der Keynes-Gesellschaft und des Deutschen Wirtschaftsbuchpreises von getAbstract (Ökonomie 2.0).

 

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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