„Paneuropäisches Picknick“ in Ungarn – Der Anfang vom Ende der DDR

Bereits im Mai 1989 hatte Ungarn damit begonnen, die Überwachungsanlagen entlang der Grenze zu Österreich abzubauen. Ein erstes, von der Weltöffentlichkeit aber kaum beachtetes Signal dafür, dass der „Eiserne Vorhang“ an der Stelle löchrig werden könnte.
Titelbild
Ungarns Hauptstadt Budapest, Traumziel vieler DDR-Bürger vor der Mauaeröffnung 1989, auf dem Weg in die Freiheit der Bundesrepublik.Foto: iStock
Von 26. August 2019

Die allermeisten Menschen assoziieren das Ende der DDR und der damit verbundenen neuen Zeitrechnung mit einem vereinten Deutschland mit dem 09. November 1989. Das ist auch richtig, denn das war die Nacht, in der nach der ominösen Pressekonferenz von Schabowski die Dämme brachen und die VoPos es vorzogen, die Schlagbäume zu öffnen, anstatt sich dem Volk entgegenzustellen. Aber diese Nacht der Nächte hatte ein Vorspiel mit dem „Paneuropäischen Picknick“ an der österreich-ungarischen Grenze im August ’89. Ein Ereignis, das nach 30 Jahren bei vielen in Vergessenheit geraten ist.

Bereits im Mai 1989 hatte Ungarn damit begonnen, die Überwachungsanlagen entlang der Grenze zu Österreich abzubauen. Ein erstes, von der Weltöffentlichkeit aber kaum beachtetes Signal dafür, dass der „Eiserne Vorhang“ an der Stelle löchrig werden könnte. Im Sommer kursierten dann Flugblätter in der DDR, mit denen am 19. August zu einem „Paneuropäischen Frühstück“ an der Grenze nahe der ungarischen Stadt Sopron eingeladen wurde.

Tausende DDR-Bürger haben sich auf den Weg gemacht. Mit Genehmigung der österreichischen und ungarischen Behörden sollte bei der Veranstaltung ein Grenztor für drei Stunden geöffnet werden. Gedacht als symbolischer Akt, bei dem getestet werden sollte, wie Michael Gorbatschow darauf reagieren würde, nutzten zwischen 600 und 700 DDR-Bürger (die genaue Zahl kennt niemand) die Gelegenheit und flüchteten in den Westen. Sehr zum Ärger der Stasi, die keine Handhabe hatte, gegen die Veranstaltung vorzugehen, und dann zu allem Übel auch noch dafür sorgen musste, die unzähligen am Straßenrand abgestellten Trabis und Wartburgs zurückzuführen.

Der Testlauf von Sopron – Gorbatschow hält still

Die Idee für diesen „Testlauf“ hatten Mitglieder des „Ungarischen Demokratischen Forums“ und die „Paneuropa Union“. Schirmherren waren deren Präsident, der CSU-Europaabgeordnete Otto von Habsburg, und der ungarische Staatsminister und Reformer Imre Pozsgay. Sie wollten prüfen, ob Moskau seine in Ungarn stationierten Truppen bei einer Verletzung des „Eisernen Vorhangs“ in Marsch setzen würde.

Das war nicht der Fall, ebenso wenig wie einige Monate später in Berlin. Und auch die ungarischen Grenztruppen, die natürlich offiziell immer noch Befehl hatten, die Grenze zu schützen, reagierten ausgesprochen zurückhaltend und stellten sich den „Republikflüchtlingen“ nicht in den Weg.

Durch dieses besonnene Vorgehen wurde eine Eskalation vermieden. Gleichzeitig hat sich dieser erfolgreiche Weg in die Freiheit wie ein Lauffeuer in der DDR herumgesprochen. Ungarn wurde zum beliebtesten Reiseziel und vor allem jene, die schon in der Nähe von Sopron campierten, sich aber nicht getraut haben, am „Paneuropäischen Picknick“ teilzunehmen, warteten nun ungeduldig auf eine neue Gelegenheit, dass sich der Grenzzaun wieder öffnen würde.

Tatsächlich nahmen die ungarischen Grenztruppen ihren Job nicht mehr so ernst, so dass in der Folge täglich bis zu 100 DDR-Bürger die Grenze passieren konnten.

Am 11. September schließlich war es so weit: Ungarn öffnete seine Grenzen. Ich war zu der Zeit zufällig (?) in Budapest und erinnere mich noch sehr gut an die Worte meines Taxifahrers, der sehr gut deutsch sprach und mich immer mit den neuesten Nachrichten aus den lokalen Medien versorgte:

Die Leute haben die Nase voll. Die DDR macht’s nicht mehr lange – und wir helfen mit.“

Ja, die Ungarn haben im Sommer ’89 in nicht unbeträchtlichem Maße zum Ende von Honeckers Operettenstaat beigetragen. Der „Testlauf“ von Sopron hat den Montagsdemonstranten in Leipzig und andernorts zusätzlich Mut verliehen, weil sie die Hoffnung haben konnten, dass die sowjetischen Truppen auch weiterhin in den Kasernen bleiben.

„Wundersame DDR“

Die DDR ist seit 30 Jahren Geschichte und ebenso wie das „Paneuropäische Picknick“ in Ungarn sind viele Besonderheiten und Eigenwilligkeiten, die das Leben in der DDR ausgemacht haben, inzwischen bei vielen in Vergessenheit geraten.

Natürlich gibt es immer noch die Ewiggestrigen, die den SED-Staat verklären und von dem Stasi-Überwachungsstaat nichts hören wollen. Das war nach 1945 mit den ehedem begeisterten Nazis nicht anders. Aber da ist die jüngere Generation, die der unter 35-Jährigen, die kaum Erinnerung an denn Zustand des Eingemauertseins, der Bespitzelung und der allgemeinen Unfreiheit haben kann.

„Wundersame DDR“ ist ein Buch, das so manche Erinnerungslücke wieder füllen kann und darüber hinaus Einblicke gibt in bestimmte Lebensbereiche der DDR, die dem normalen Bürger verborgen geblieben sind. Geschrieben von einer Frau, deren Gatte in den späten 1980-er Jahren als Diplomat in der Ständigen Vertretung gearbeitet hat, die aufgrund ihres Diplomatenstatus besondere Freiheiten genießen konnte und aufgrund dessen auch besonders skurrile Begegnungen hatte.

Eine ebenso lehrreiche wie unterhaltsame Lektüre für neugierige Menschen – überall in Deutschland. „Wundersame DDR“ ist erhältlich im Buchhandel oder direkt zu bestellen beim Verlag hier.

Zuerst erschienen auf www.anderweltonline.com

Hubert von Brunn ist Journalist, er ist Chefredakteur des Onlineportals Anderweltonline.com

 

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion