„Polizeiskandal“ in NRW: Man muss die Kirche mal im Dorf lassen

Am 16.09.2020 trat NRW-Innenminister Herbert Reul vor die Presse und verkündete eine „Schande“ für „seine“ NRW-Polizei: 29 Beamte bzw. Beamtinnen waren vom Dienst suspendiert worden, 14 davon mit dem Ziel einer Entfernung aus dem Dienstverhältnis. In verschieden Chat-Gruppen hatten sie E-Mails versandt und empfangen mit übelster Hetze verschiedener Art.

25 davon gehörten zur Polizei in Essen, einschließlich des Dienstgruppenleiters. Minister Reul sagte dazu: Eine einzige Katastrophe.

Den Vorfall konnte man ausgedehnt dem Internet entnehmen. Die Eingabe von „Polizei NRW“ genügte.  Nun stellt sich jedoch die Frage, war so eine öffentliche Verurteilung der gesamten NRW- Polizei überhaupt gerechtfertigt?

A. Nun muss man mal die Kirche im Dorf lassen:

  1. Niemand ist getötet, verletzt, geschädigt oder sonst irgendwie beeinträchtigt worden.
  2. Dem Internet entnimmt man, dass es in NRW 40.202 Polizeibeamte gibt. Die 29 Beamten, um die es hier geht, entsprechen 29/40202= 0,07214 Prozent. Das sind weniger als 0,1% aller Beamten. Von allen anderen muss man annehmen, dass sie ihren Dienst ohne Beanstandungen versehen.
  3. Daraus ergibt sich: Die Ehre der ca. 99,9 % der Polizeibeamten von NRW ist von ihrem Minister – ohne Not – „beschädigt“ worden.
  4. Was er dabei – kaum zu verstehen – versäumt hat, ist das Beachten der gesetzlichen Vorgaben, die dem Dienstherrn im Hinblick auf die Fürsorgepflicht gegenüber seinen Beamten auferlegt sind. 
  5. Was die Gemaßregelten wie auch die übrigen 99,9 Prozent der Beamten von Ihrem Minister nun denken, lässt sich an fünf Fingern abzählen.
  6. Was sie nun (sicherlich erneut) feststellen müssen: Ihre Vorgesetzten, einschließlich dem Minister setzen sie der ganzen Härte des Gesetzes aus, wenn sie mal „Mist gemacht“ haben. Wer aber – so ist zu fragen – hat in seinem Leben noch nie „Mist gemacht“?
  7. Die Folge: Die Motivation dieser 40.000 Beamten ist dem Nullpunkt nahe. Um Fehler zu vermeiden – so ist deren Erfahrung gewachsen – ist es risikoloser wegzuschauen, als mit gebotener Strenge gegen Rechtsbrecher vorzugehen.
  8. Dass die Beamten in der Wahlkabine ihr Kreuz dorthin machen, wo es Kanzlerkandidat Merz verkündet hat, ist nachvollziehbar.
  9. Die 29 Beamten, die vom Dienst suspendiert worden sind und nun disziplinären Maßnahmen entgegensehen, sitzen zu Hause und sind verzweifelt. Verzweifelt sind auch die nicht beteiligten Ehefrauen, deren Leben nun mit Maßnahmen bedroht ist, für die sie nichts können. Die Kinder bemerken, was da „los ist“ und verlieren ihren Respekt vor ihrem Vater. Die Ungewissheit erstreckt sich nun auch auf sie. Die schulischen Leistungen werden möglicherweise sinken. Vielleicht hatte die Familie Schulden? Das bisher normale Familienleben gibt es nicht mehr!

B. Wie hätte ein solcher Fall richtig gehandhabt werden müssen?

  1. Der Verfassungsschutz hat nicht die Aufgabe, „Leute ans Messer zu liefern“, sondern die Verfassung zu schützen. Die Methoden dafür müssen differenziert und dürfen sicherlich nicht pauschal angewendet werden.
  2. Ihm sind ja die Erkenntnisse, dass diese 29 Beamten Dinge getan haben, die in eine Demokratie nicht passen und die vom Gesetz nicht gedeckt sind, nicht von einer Stunde auf die andere durch die Luft zugeflogen.
  3. Vielmehr wird es so sein, dass ganz am Anfang ein erster Verdacht gegen einen der 29 aufgekommen ist. Bei näherem Hinsehen werden dann 2-3 weitere Beamte in das Blickfeld der Verfassungsschützer geraten sein usw.
  4. Das wäre der Moment gewesen, in dem der zuständige Beamte beim Verfassungsschutz seinen (ranggleichen) Kollegen bei der Polizei hätte anrufen müssen, um ihm den aufkommenden Verdacht mitzuteilen. Das wäre auch aus Fürsorgegründen gegenüber dem Beamten notwendig und angemessen gewesen.
  5. Der Vorgesetzte des Beamten hätte dann den Betreffenden zu sich kommen lassen und mit ihm ein Gespräch unter vier Augen geführt. Bei der Frage, ob die genannten Verdachtsgründe zutreffen, hätte der Beamte zwei Möglichkeiten gehabt: Zu leugnen oder zu gestehen. Ihm wäre klar gewesen, dass die zunächst noch vagen Vorwürfe mit aller Strenge verfolgt werden würden, wenn er leugnet. Also hätte er im Normalfall seine Verfehlungen zugegeben.
  6. Das wäre nun der entscheidende Moment geworden. Hier hätte der Vorgesetzte seinen Beamten (sinngemäß mit erhobenem Zeigefinger) ermahnen müssen, seine Aktionen auf der Stelle einzustellen und seinen Dienst so zu versehen, wie es von ihm erwartet wird.
  7. Der Beamte hätte nun erkannt, dass sein Vorgesetzter schützend seine Hand über ihn gehalten hat. Fortan wäre seine Motivation, einem „blitzsauberen Dienst“ zu verrichten, in einer Weise gewachsen, dass er sich „die Beine ausgerissen hätte“ diesen nach den Erwartungen seines Vorgesetzten zu machen. Ohne zu murren hätte er sich zum Sonntagsdienst einteilen lassen usw. usw.
  8. Diese positive Motivation hätte sich auf die Kollegen übertragen und jedem wäre klar geworden, dass die Vorgesetzten schützend ihre Hand über sie halten, wenn „halt mal was passiert“ ist, was im Normalfall nicht toleriert werden kann.

Das Ganze würde nicht nur bei der Polizei in NRW, sondern auch bei der in der gesamten Bundesrepublik zu dem Bewusstsein beitragen, dass sie durch ihre Vorgesetzten „Rückendeckung“ erhalten, wenn das mal nötig werden sollte. Und zwar unabhängig von dem Geschrei, das aus gewisser politischer Richtung erhoben wird.

Daran krankt das ganze System: Der Vorgesetzte – hier Innenminister Reul – „haut lieber seine Beamten in die Pfanne“, als zuzugeben, dass die von ihm und seinen Führungs-Vorgesetzten der Polizei praktizierte Menschenführung falsch war. Er selbst ist es, der die Verantwortung für das Fehlverhalten einiger weniger Beamten zu übernehmen hat. Er hat sich nun mal nicht gegenüber der Öffentlichkeit, sondern gegenüber seinem Gewissen zu verantworten – falls er eines hat.

C. Ideal wäre es gewesen, wenn der ganze Vorfall nach den obigen acht Punkten abgehandelt worden wäre:

  • Radikale, verwerfliche Äußerungen innerhalb der Polizei wären nachhaltig abgestellt worden.
  • Die Familien der Beamten wären unbeeinträchtigt geblieben.
  • Es wäre in der Öffentlichkeit kein solcher „Klamauk“ entstanden.
  • Die Beamten würden motivierter ihren Dienst verrichten, als sie das bisher tun.
  • Der Vorgesetzte hätte eine Mannschaft, auf die er sich in jeder Situation verlassen kann und
  • am Minister selbst wäre nichts hängen geblieben, was auf seine fehlende Fähigkeit zur Menschenführung hindeuten könnte.

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