Staat und Krieg gehen Hand in Hand

Aus ökonomischer Sicht lässt sich argumentieren: Der Staat (wie wir ihn heute kennen) ist aggressiv. Kriegerische Auseinandersetzungen zwischen Staaten sind daher auch kein tragischer Zufallsfehler, sie sind vielmehr ein logisches Ergebnis.
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Kleinere Staaten sind tendenziell friedvoller und wohlhabender als große - und nicht so aggressiv.Foto: iStock
Von 24. April 2022

In diesem Artikel geht es um „Staat und Krieg“. Ich möchte Ihnen darin einige grundsätzliche ökonomische Gedanken zur Kriegsursache, die die Menschheitsgeschichte, vor allem die Neuzeit, chronisch plagt, vortragen. Im Jahr 1919 veröffentlicht der Ökonom Ludwig von Mises (1881-1973) ein Buch mit dem Titel „Nation, Staat und Wirtschaft“. Darin legt er unter anderem eine Erklärung vor, warum es zum Ersten Weltkrieg, zu dieser Urkatastrophe kommen konnte.

Seine vielleicht für uns heute überraschende Antwort lautet: Es war die Abkehr von der Idee der freien Märkte, von Freihandel, von individueller Freiheit und Gleichheit vor dem Gesetz. Kurzum: Es war die Abkehr vom Liberalismus und der Aufstieg des Staates (wie wir ihn heute kennen), die zum Ersten Weltkrieg geführt haben.

Arbeitsteilung ist lebenswichtig

Der Staat, wie wir ihn heute kennen, ist nach innen und nach außen aggressiv, er hat auch einen Anreiz, Kriege mit anderen Staaten zu führen, um seine Interessen mit Gewalt durchzusetzen. Staat und Krieg gehen sozusagen Hand in Hand.

Um das näher zu erklären, sollen einige weniger ökonomische Überlegungen vorgebracht werden. Es ist eine handlungslogische, unbestreitbare Wahrheit, dass der Mensch Ziele hat, die er mit dem Einsatz von Mitteln zu erreichen sucht. Er bevorzugt mehr Mittel gegenüber weniger Mitteln, und er zieht eine frühere Erfüllung seiner Bedürfnisse einer späteren vor.

Als Vernunftwesen erkennt der handelnde Mensch früher oder später, dass die Arbeitsteilung für ihn vorteilhaft ist. Denn sie erhöht die Ergiebigkeit seines Arbeitseinsatzes. Arbeitsteilung bedeutet, dass ein jeder die Tätigkeit ausführt, die er mit den vergleichsweise geringsten Kosten bewältigen kann. Die Arbeitsteilung macht Tauschen erforderlich. Schließlich produzieren die meisten Menschen, wenn sie sich arbeitsteilig organisieren, nicht mehr für den Eigenbedarf, sondern fast jeder produziert dann für den Bedarf seiner Mitmenschen.

Es ist daher die Arbeitsteilung, die die Menschen zusammenführt. Durch sie erkennen sie sich einander als gegenseitig nützlich in der Bewältigung ihrer Lebensherausforderungen. Vereinfacht gesprochen: Der Käufer einer Ware hat ein Interesse daran, dass es dem Hersteller der Ware gut geht – weil er ansonsten die gewünschte Ware nicht kaufen kann.

Leider gibt es kein System freier Märkte

Die Arbeitsteilung ist eine natürliche Erscheinung in einem System der freien Märkte. Hier steht es den Nachfragern frei, die Güter nachzufragen, die ihren Bedürfnissen am besten entsprechen; und Anbieter haben die Freiheit, ihren Mitmenschen die Güter anzubieten, die diese nachzufragen wünschen.

Ein System der freien Märkte würde – wenn man es zulässt – die Menschen rund um den Globus früher oder später in eine sehr eng verzahnte Arbeitsteilung hineinwachsen lassen. Das Ergebnis wäre eine dauerhaft friedvolle und produktive Kooperation der Menschen.

Denn Krieg ist dem System der freien Märkte wesensfremd. Menschen, die die produktive Wirkung der Arbeitsteilung kennen, haben keinen Anreiz, so etwas wie Krieg zu führen. Doch leider gibt es kein System der freien Märkte auf dieser Welt, das wirklich frei ist oder gewesen wäre.

Seit vielen Jahrhunderten, vor allem seit Beginn der neueren Geschichte, gibt es so etwas, das man als Staat bezeichnet. Anfänglich gab es den Staat in Form des Feudalherrn, des Königs, dann Kaisers, in jüngerer Vergangenheit der Republik, der Diktatur oder des modernen demokratischen Staates.

Ein heutiger Staat will seine Macht ausweiten

Was genau ist der Staat? Wer über eine Antwort nachdenkt, dem kommt vermutlich zunächst so etwas in den Sinn wie: Der Staat, das sind wir alle; oder: „Vater Staat“; oder: ohne Staat gehts nicht, denn wer baut sonst die Straßen und Schulen, wer unterstützt die Bedürftigen, sorgt für Recht und Sicherheit? Die handlungslogische Theorie fördert allerdings eine andere Art von Antwort zutage. Aus ihrer Sicht ist der Staat, wie wir ihn heute kennen, ein Gewaltmonopolist.

Der US-amerikanische Ökonom und Sozialphilosoph Murray N. Rothbard (1926-1995) definiert den Staat (wie wir ihn heute kennen) wie folgt: „Der Staat ist der territoriale Zwangsmonopolist mit der Letztentscheidungsmacht über alle Konflikte auf seinem Gebiet, und der Staat nimmt sich auch das Recht, Steuern zu erheben.“

Ein solcher Staat ist keine natürliche, keine auf Freiwilligkeit beruhende Einrichtung. In einem System der freien Märkte könnte er gar nicht entstehen. Denn hier gibt es nur freiwillige Kooperation, freiwillige Tauschakte, keine erzwungenen, mit Zwang und Gewalt herbeigeführten.

Dass aber der Staat auf Zwang und Gewalt beruht, das hat der deutsche Soziologe, Arzt und Ökonom Franz Oppenheimer (1864 – 1943) – der übrigens der Doktorvater von Ludwig Erhard war, dem Vater der sozialen Marktwirtschaft und dem zweiten Kanzler der Bundesrepublik Deutschland – unmissverständlich formuliert. Oppenheimer schreibt: Der Staat

„… ist seiner Entstehung nach ganz und seinem Wesen nach … eine gesellschaftliche Einrichtung, die von einer siegreichen Menschengruppe einer besiegten Menschengruppe aufgezwungen wurde mit dem einzigen Zwecke, die Herrschaft der ersten über die letzte zu regeln und gegen innere Aufstände und äußere Angriffe zu sichern. Und die Herrschaft hatte keinerlei andere Endabsicht als die ökonomische Ausbeutung der Besiegten durch die Sieger.“

Der Staat, wie ihn Rothbard und Oppenheimer definieren, ist eine aggressive Institution. Er ist aggressiv nach innen. Gegenüber den Regierten ist der Staat bestrebt, seine Macht nicht nur zu erhalten, sondern auch auszuweiten – durch mehr Ge- und Verbote, durch mehr Regularien und Gesetze, höhere Steuern und anderes mehr.

Der Grund dafür liegt auf der Hand: Wenn der Staat das territoriale Machtmonopol zur Letztentscheidung über alle Konflikte auf seinem Gebiet innehat, wenn er auch die Macht besitzt, Steuern zu erheben (einschließlich der Inflationssteuer), dann wird er (beziehungsweise die Personen, die die Staatsmacht ausüben) selbstverständlich immer stärker davon Gebrauch machen.

Wer Krieg verhindern will, muss den Staat einschränken

Vereinfacht gesagt: Der Staat (wie wir ihn heute kennen) wird im Zeitablauf immer größer und mächtiger, und die Bürger und Unternehmer, über die er befehligen kann, werden immer mehr in ihren Freiheitsspielräumen beschnitten und herumkommandiert. Der Staat wird aber nicht nur „nach innen“ größer und mächtiger, sondern vor allem auch nach außen, sobald sich ihm dazu eine passende Gelegenheit bietet. Staaten, die sich ideologisch miteinander verbunden fühlen, haben einen Anreiz, sich zu einem Kartell zusammenzuschließen, den Wettbewerb zwischen ihnen auszuschalten.

Ein Beispiel für solch ein Staatenkartell ist die Europäische Union. Wenn Staaten aber unterschiedliche Interessen verfolgen, unterschiedlichen Ideologien anhängen, dann haben sie einen Anreiz, ihre Macht auch aggressiv-kriegerisch auf- und auszubauen. Die Weltgeschichte ist voll von solcherart motivierten Kriegen zwischen Staaten.

Große Staaten sind natürlich besonders aggressiv nach außen, weil es relativ einfach ist für sie, sich die für eine aggressive Außenpolitik erforderlichen Mittel – Geld, Waffen, Soldaten – zu beschaffen. Wenn große Staaten unterschiedlichen Ideologien anhängen, ist die Kriegsgefahr zwischen ihnen sehr groß. Ein Beispiel hierfür sind die militärischen Konflikte, einschließlich der vielen Stellvertreterkriege, die zwischen den USA und der Sowjetunion ausgetragen wurden.

Aus ökonomischer Sicht erkennt man: Der Staat (wie wir ihn heute kennen) ist aggressiv. Kriegerische Auseinandersetzungen zwischen Staaten sind daher auch kein tragischer Zufallsfehler, sie sind vielmehr ein logisches Ergebnis.

Das ist übrigens eine grundlegende Einsicht, die der preußische General Carl von Clausewitz (1780 – 1831) bereits vor langer Zeit formuliert hat. Er schrieb: „Der Krieg ist eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln.“

Wer also Krieg wirkungsvoll verhindern will, der muss, so sagte es bereits Ludwig von Mises, den Staat und mit ihm Politik und Politiker auf das Stärkste einzuschränken versuchen; und der muss auch den freien Markt befürworten; denn der ist Garant für Frieden und Wohlstand der Menschen auf dem Planeten, und nicht der Staat (wie wir ihn heute kennen).

Kleine Staaten sind friedvoller und wohlhabender als große

An dieser Stelle sei noch einmal ausdrücklich daran erinnert: Es gibt nur zwei Formen der menschlichen Kooperation: Freiwilligkeit oder Zwang und Gewalt. Der freie Markt steht für freiwillige Kooperation. Zwang und Gewalt sind die Mittel des Staates, wie wir ihn heute kennen.

Ich will an dieser Stelle nur ganz kurz erwähnen: Selbstverständlich sind Recht und Sicherheit unverzichtbar, wenn Menschen friedvoll und produktiv miteinander in einer Gemeinschaft zurechtkommen wollen. Doch die Güter Recht und Sicherheit können selbstverständlich auch im System der freien Märkte bereitgestellt werden. Dazu braucht es keinen Staatsmonopolisten.

Die ökonomische Lehre kann viel dazu beitragen, die Welt friedvoller und damit ethisch-moralisch besser zu machen. Wer lernt, wie ein System der freien Märkte funktioniert, was es leistet, der wird keinen Grund dafür haben, dem Staat (wie wir ihn heute kennen) das Wort zu reden. Er wird auch verstehen, warum kleine Staaten, kleine politische Einheiten friedvoller und wohlhabender sind als große Staaten, große politische Einheiten; und dass es kein Zufall ist, dass die Menschen, die auf das System der freien Märkte setzen und sich in kleinen Einheiten organisieren, friedvoll sind und dabei auch die höchsten Pro-Kopf-Einkommen erzielen.

Man denke hier nur einmal an die Schweiz, Lichtenstein, Monaco, Singapur und Hongkong.

Wer angesichts des Ukraine-Russland-Konflikts meint, die Lösung des Kriegsproblems liege in der weiteren Aufrüstung der Staaten, in Sanktionen, im Beenden der grenzüberschreitenden Arbeitsteilung, des Handels, der unterliegt einem schweren Irrtum.

Das Kriegsproblem ist nicht gelöst, wenn der Aggressor besiegt ist, sondern nur dann, wenn die Ideologien, die zu Krieg führen, vollständig diskreditiert sind, bei den Menschen keinen Zuspruch mehr finden. Der Königsberger Philosoph der Aufklärung, Immanuel Kant (1724 – 1804), schrieb: „Der Friede muß gestiftet werden, er kommt nicht von selbst.“

Ich füge hinzu: Der Friede stellt sich ein, wenn die Menschen freiwillig in freien Märkten miteinander kooperieren. Der Friede wird nicht vom Staat gestiftet. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall.

Professor Dr. Thorsten Polleit ist seit April 2012 Chefvolkswirt der Degussa, Europas größtem Edelmetallhandelshaus. Zuvor war er als Ökonom 15 Jahre im internationalen Investment-Banking tätig. Neben seiner Tätigkeit als Honorarprofessor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bayreuth ist er auch Autor mehrerer Bücher wie „Ludwig von Mises – der kompromisslose Liberale“ (2018), „Vom Intelligenten Investieren“ (2018), „Mit Geld zur Weltherrschaft“ (2020) und „Der Antikapitalist“ (2020).  www.thorsten-polleit.com

Der Artikel erschien zunächst auf der Website des Ludwig von Mises-Institut Deutschland: „Staat und Krieg“

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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