„Wir wollen raus!“: Warum es um den Brexit in Deutschland so still geworden ist

Künftig werden die Umverteiler mehr denn je das Sagen in Europa haben. Großbritannien wird die Union noch eine kurze Zeit mitfinanzieren. Danach wird Jahr für Jahr eine Finanzlücke von mindestens 10 Milliarden Euro klaffen, die vor allem Deutschland zu schließen hat. Mehr Mitsprache werden wir aber nicht erhalten.
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Ein Pro-Brexit-Banner steht am 4. April 2019 vor den Houses of Parliament in Westminster in London, England.Foto: Jack Taylor/Getty Images
Von 13. Mai 2019

Weniger als zwei Wochen vor den Wahlen zum Europäischen Parlament ist es still geworden um den Brexit. Hierzulande gewinnt man als Nachrichtenkonsument fast den Eindruck, das Thema habe sich erledigt.

Nachdem sich das britische Parlament nicht auf eine Vorgehensweise beim Ausstieg hat einigen können, müssen die Briten am europäischen Urnengang teilnehmen. Eine groteske Situation ist entstanden, an deren Ende 73 gewählte britische EU-Parlamentarier aller Voraussicht nach niemals ihren Sitz einnehmen werden. Die Europäische Union hat vorgesorgt: 27 der dann freiwerdenden Sitze sollen auf andere Mitgliedsstaaten verteilt werden.

Tatsächlich profitieren aber nur wenige Nationen davon. Deutschland geht als größter Nettozahler hingegen leer aus. Mehr als 96 Abgeordnete will uns niemand zugestehen, nachdem wir schon von der letzten Neuverteilung zur Europawahl 2014 mit drei Mandatsverlusten negativ betroffen waren. Gestärkt werden hingegen die Südländer: Spanien, Italien und Frankreich dürfen knapp die Hälfte der neu vergebenen Mandate unter sich aufteilen.

Ein klarer Fingerzeig. Künftig werden die Umverteiler mehr denn je das Sagen in Europa haben.

Großbritannien wird die Union noch eine kurze Zeit mitfinanzieren. Danach wird Jahr für Jahr eine Finanzlücke von mindestens 10 Milliarden Euro klaffen, die vor allem Deutschland zu schließen hat. Mehr Mitsprache werden wir aber nicht erhalten. Im Gegenteil: Weil die Zahl der Abgeordneten auf 751 begrenzt ist und kein Land auch nur auf einen einzigen Sitz zu unseren Gunsten verzichten wird, vergrößert sich das Missverhältnis zwischen Finanzierungsanteil und Stimmgewicht weiter.

Es ist zur Unsitte geworden, Interessen in statthaft und ungehörig einzuteilen und dabei selbst Mehrheitsentscheidungen als undemokratisch abzukanzeln

Unterdessen erlebt Großbritannien eine immer größere Abkehr der Bevölkerung von der Europäischen Union. Hierzulande zeigt man uns allerdings lieber die Bilder Hunderttausender Studenten, die in der 8-Millionen-Stadt London für einen EU-Verbleib demonstrieren, und tut so, als sprächen sie für die Mehrheit.

Es soll an dieser Stelle gar nicht in Abrede gestellt werden, dass vor allem junge Briten ihr Land gerne auch künftig in der Europäischen Union sehen würden. Die Motive sind dabei so rational wie egoistisch: Es geht in erster Linie um die uneingeschränkte Möglichkeit, im Ausland zu studieren und zu arbeiten.

Daran ist nichts Verwerfliches, im Gegenteil, es ist höchst begrüßenswert, dass wir die Errungenschaften der EU-Freizügigkeit genießen können. Verwerflich ist aber, wenn der Eindruck vermittelt wird, alle anderen Motive, vor allem die der Brexit-Befürworter, seien selbstsüchtig, unsozial oder unsolidarisch. Sie sind dies nicht mehr als Forderungen von Sozialhilfeempfängern nach mehr finanzieller Unterstützung oder von Radfahrern nach mehr Radwegen.

Es ist zur Unsitte geworden, Interessen in „statthaft“ und „ungehörig“ einzuteilen und dabei selbst Mehrheitsentscheidungen als undemokratisch abzukanzeln, weil sie sich nicht mit dem gewünschten Narrativ decken.

Auf diese Weise werden die Urheber der Brexit-Abstimmung verteufelt, vor allem Nigel Farrage, der mit seiner damaligen UKIP-Partei Ex-Premierminister Cameron überhaupt erst so stark in Bedrängnis gebracht hatte, dass dieser sich genötigt sah, ein Referendum über den EU-Verbleib anzusetzen. Stören kann sich daran nur, wer abweichende politische Auffassungen für unzulässig hält.

Mehr als ein Drittel der Briten plant der neu gegründeten „Brexit Party“ Nigel Farrages bei den Wahlen zum Europäischen Parlament ihre Stimme zu geben

Nigel Farrage ist und bleibt eine der schillerndsten Figuren der britischen Politik. Seine im Zuge der missglückten Suche nach den Austrittsmodalitäten gegründete Brexit-Partei hat es aus dem Stand an die Spitze der Wählergunst geschafft. Sie führt in den Umfragen mit so großem Vorsprung, dass sie inzwischen stärker ist als die beiden dominierenden britischen Parlamentsparteien zusammen.

Mehr als ein Drittel der Briten plant der „Brexit Party“ bei den Wahlen zum Europäischen Parlament ihre Stimme zu geben. Statt darüber sachlich und nüchtern in der gleichen Breite zu berichten, in der alle genehmen Entwicklungen zum Brexit dargestellt werden, halten sich Deutschlands Journalisten nun aber vornehm zurück. Zu groß die Sorge, die deutschen Wähler könnten sich davon beeindrucken lassen, dass die EU-Skepsis in Großbritannien immer neue Höhen erreicht.

A propos Farrage: Immer und immer wieder verbreitet Deutschlands polit-mediale Kaste die Behauptung, die britischen Bürger seien den Lügen übler Rechtspopulisten auf den Leim gegangen. Unabhängig vom Wahrheitsgehalt solcher Unterstellungen sollte man sich klar machen, dass Wahlkämpfe stets mit Zuspitzungen und falschen Verheißungen geführt werden. Dies lassen die Berichterstatter geflissentlich unerwähnt, so als wären die Unwahrheiten linker und grüner Rattenfänger ehrenwert. Verschwiegen wird auch, dass das britische EU-Referendum 1975 durch die Lügen der Befürworter entschieden wurde, nachdem es zuvor eine breite Ablehnung des vom Parlament beschlossenen Beitritts im Jahr 1972 gegeben hatte. Die Briten haben genug von den europäischen Lügen. Kann man es ihnen verdenken?

Zuerst erschienen auf Liberale Warte

Ramin Peymani ist Autor und Publizist. Sein neuestes Buch aktuelles Buch Chronik des Untergangs – Ist es für uns wirklich erst 5 vor 12? erhalten Sie auf Wunsch als signierte Ausgabe.

 

 

 

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