CDU erhält sich mit Kramp-Karrenbauer auf weitere Jahre alle Machtoptionen

Die Wahl Annegret Kramp-Karrenbauers zur neuen CDU-Chefin war ein Bekenntnis zu Stagnation und Merkel-Politik mit jüngeren Gesichtern. Damit erhält sich die Union perspektivisch multiple Machtoptionen – innerhalb eines versteinerten Parteienkartells. Für FDP und AfD bietet dies jedoch neue Chancen.
Titelbild
Annegret Kramp-Karrenbauer nach ihre Wahl zur CDU-Vorsitzenden.Foto: Thomas Lohnes/Getty Images
Von 7. Dezember 2018

Wieder einmal hat eine angekündigte Revolution nicht stattgefunden. Diesmal war es die „Merz-Revolution“, auf die bürgerlich-konservative Kreise in- und außerhalb der CDU noch bis heute Nachmittag ihre Hoffnungen gesetzt hatten.

Knapp ist es am Ende ja durchaus geworden. In der Stichwahl gaben 35 von 999 Stimmen den Ausschlag. Das bedeutet jedoch auch, dass von den 157 Delegierten, die im ersten Wahlgang für Jens Spahn gestimmt hatten, deutlich zu wenige den vermeintlichen konservativen Hoffnungsträger Friedrich Merz unterstützen wollten.

Offenbar wurde Merz nicht einmal in allen verbliebenen konservativen Segmenten der Partei zugetraut, die – zugegeben hohen – Erwartungen zu erfüllen. Allerdings stellt sich auch die Frage, inwieweit es überhaupt realistisch war, zu denken, ein über die Jahre verschollenes früheres Aushängeschild würde als Ritter in strahlender Rüstung zurückkehren und auf Anhieb die heruntergewirtschaftete Partei und ein mehrheitlich in Apathie versinkendes Land zu frischem Leben erwecken können.

SPD ist Verliererin des Tages

Annegret Kramp-Karrenbauer ist als Merkels politische Nachlassverwalterin die logische Wahl für die CDU gewesen, wie sie ist – wenn auch nicht für die, die sie nach dem Willen einiger unentwegter Rest-Konservativer sein soll. Politisch hat sich die Union mit dieser Entscheidung trotz zuletzt prekärer Umfragewerte auf weitere Jahre hinweg die führende Rolle gesichert.

Die SPD wird keine Anstalten machen, aus der Berliner Koalition auszubrechen, weil sie weiß, dass sie bei Neuwahlen noch schlimmere Prügel beziehen würde als das ohnehin schon im Vorjahr der Fall war. Zudem hat sie nicht annähernd das programmatische und personelle Potenzial, um im dicht gedrängten Feld links der Mitte auf absehbare Zeit Boden gutzumachen.

Die CDU betreibt sozialdemokratische Politik einfach mit feinerer Klinge, die Grünen haben den zugkräftigeren Narrativ und selbst wenn die SPD wie jüngst mit Anbiederungen an die Antifa oder der Juso-Forderung nach vollständiger Freigabe der Abtreibung der extremsten Linken im Land ihre Aufwartung macht, wird sie dort das Stigma der „Agenda 2010“-Partei nicht los. Das hält sie auch gegenüber der SED-Nachfolgepartei und einer möglichen eigenständigen Bewegung von Sarah Wagenknecht auf der Verliererstraße.

Mit Kramp-Karrenbauer kann die CDU nun bis 2021 in der Großen Koalition durchregieren. Eine mögliche Palastrevolte ist nach dem demoralisierenden Merz-Rückzug unwahrscheinlicher denn je. Und danach hat die neue Parteivorsitzende, die bereits im Saarland Jamaika-Erfahrung hat, alle möglichen Optionen offen.

Strukturkonservative Politik für ein Volk mit panischer Angst vor dem Wandel

Merkel-Politik mit jüngerem Gesicht, das wird der künftige politische Kern der CDU sein. Die Partei hat sich damit für einen beharrlichen Strukturkonservatismus entschieden, der tatsächlich auch mit dem Lebensgefühl der Mehrheit eines überalterten, apolitischen und veränderungsaversen Volkes konformgeht.

Sie macht Politik für eine Mehrheit, die den Einordnungen der Tagesschau vertraut, die Volksrepublik China und den Iran vertrauenswürdiger hält als Donald Trump, den „Rechtspopulismus“ als größere Gefahr sieht als importierte Kriminalität und Terrorismus und die eine Finanztransaktionssteuer gefördertem Aktiensparen vorziehen würde: Auch in seinen besseren Tagen hätte diese Mentalität einen Friedrich Merz mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgebremst.

Das Signal der Stagnation ist jedoch auch für jene Kräfte eine gute Nachricht, die diese für eine fatale Entwicklung halten und auf Veränderung drängen. Dies meint vor allem die FDP und die AfD, die künftig die Möglichkeit haben, sich das Potenzial der Leistungsorientierten und der Erwerbstätigen außerhalb des geschützten Sektors zu erschließen.

Im ersten Wahlgang waren 55 Prozent gegen AKK

Merz hätte zumindest im Westen einen Teil davon aufgesogen, was die Liberalen ebenso wie die Rechtskonservativen unter Druck gesetzt hätte. Die FDP hätte in diesem Fall wieder auf Leihstimmenkampagnen setzen müssen. Die AfD hätte wiederum härter, rechter und sozialer werden müssen, um einen Markenkern zu behalten, der vor dem Zugriff einer Merz-CDU geschützt gewesen wäre.

Nun können sich beide ihre Bandbreite bewahren und einen Wettbewerb um jene Teile des Unionsspektrums liefern, für die jene 55 Prozent der Delegierten stehen, die Kramp-Karrenbauer im ersten Wahlgang die Stimme versagt hatten.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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