Lieberknecht-Vorstoß in Thüringen: Ramelow will CDU in Lose-Lose-Situation zwingen

Dass der abgewählte Ministerpräsident Bodo Ramelow nicht mehr selbst Übergangs-Ministerpräsident in Thüringen werden will, vollendet den Plan der AfD, ihn aus dem Amt zu bringen. Ramelow wird jedoch einen neuen Anlauf nehmen – an der Spitze einer vereinten Linken?
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Während eines Protests unter dem Motto "Nicht mit uns!" wird ein Plakat hochgehalten, auf dem Thüringens ehemaliger Ministerpräsident Bodo Ramelow von der Linkspartei "Die Linke" abgebildet ist und auf dem steht: "Kopf hoch". 15. Februar 2020 in Erfurt.Foto: JENS SCHLUETER/AFP über Getty Images
Von 18. Februar 2020

Am Montagabend (17.2.) hat der vor knapp zwei Wochen vom Landtag abgewählte Ministerpräsident von Thüringen, Bodo Ramelow, mit dem Vorschlag Aufsehen erregt, seine eigene christdemokratische Amtsvorgängerin Christine Lieberknecht mit dem Amt einer Interims-Ministerpräsidentin bis zu einer Neuwahl zu betrauen.

Sollte sein Vorschlag Erfolg haben, können sich zwei Personen als Sieger fühlen. Zum einen ist dies AfD-Fraktionschef Björn Höcke: Er hatte bereits mit der Wahl des FDP-Kandidaten Thomas Kemmerich das Ziel verfolgt, nachdem die rot-rot-grüne Koalition im Freistaat ihre parlamentarische Mehrheit im Oktober 2019 bei den Landtagswahlen verloren hatte, auch den linken Ministerpräsidenten aus dessen Amt zu entfernen. Kandidiert Ramelow nicht mehr selbst, ist die Rechnung endgültig aufgegangen.

Ramelow will CDU in Lose-Lose-Situation zwingen

Zum anderen aber ist es Bodo Ramelow selbst: Zwar hat ihm auch die von ihm in billigender Weise mitgetragene Eskalationsstrategie der radikalen Linken nach der Wahl Kemmerichs seine eigene verlorene Mehrheit nicht wiederbeschafft. Mit dem nunmehrigen Lieberknecht-Vorschlag kann er sich jedoch wieder als weitsichtiger Staatsmann inszenieren.

Zudem kann er, sollte Lieberknecht tatsächlich für das Amt zur Verfügung stehen, die CDU in der gleichen Weise vor sich hertreiben, wie es zuvor Höcke gelungen war. Die Union steht ab sofort vor der Alternative, entweder ihre eigene frühere Ministerpräsidentin zu düpieren oder ihr – ohnehin von immer mehr Funktionären infrage gestelltes – Prinzip verletzen, nicht mit der Linkspartei zu paktieren.

Selbst „Welt“-Korrespondent Claus Christian Malzahn schrieb von einem „Lehrstück in politischer Strategie und Taktik, wie man es in der Republik nur selten erlebt“.

Die Spitzen von Linkspartei, Grünen, SPD und CDU hatten gestern in Erfurt über mögliche Auswege aus der Krise beraten, die im Land nach der Ministerpräsidentenwahl vom 5. Februar eskaliert war. Mit den Stimmen der eigenen Fraktion sowie von CDU und AfD war der FDP-Kandidat Thomas Kemmerich im dritten Wahlgang in einer Kampfabstimmung gegen Ramelow zum Ministerpräsidenten gewählt worden.

CDU ließ Linke eine Schlacht, aber nicht den Krieg gewinnen

Die Bundesparteien von CDU und FDP gingen unmittelbar nach Einsetzen eines medialen Empörungssturms ob des „Tabubruchs“, den die Annahme einer Wahl mit den Stimmen der AfD bedeuten würde, auf Distanz zu der Entscheidung des Thüringer Landtags. Linksextreme Übergriffe und Drohungen gegen Kemmerich und FDP-Politiker im gesamten Land sowie die von Südafrika aus erhobene Forderung der Bundeskanzlerin Angela Merkel, die „unverzeihliche“ Entscheidung „rückgängig“ zu machen, veranlassten Kemmerich, einer Abgabe des Amts und Neuwahlen zuzustimmen. In der CDU kündigten Landeschef und Fraktionsvize ihren Rückzug an.

Allerdings zeigte sich die Union auch nicht geneigt, ohne Weiteres eine Auflösung des Landtages und Neuwahlen zu ermöglichen. Sie strebt nach wie vor eine parlamentarische Lösung der Krise an – zumal Umfragen zufolge Neuwahlen zu einem Absturz von CDU und FDP führen würden, ohne mit Sicherheit an den schwierigen Mehrheitsverhältnissen insgesamt etwas zu verändern.

Dass Ramelow, der zuvor versucht hatte, als moderater und ausgleichender Landesvater zu punkten, zuletzt auf aggressive Rhetorik, Nazivergleiche, Larmoyanz und Ultimaten zurückgriff, hat ihm am Ende nicht geholfen. Seine vormals ausgestrahlte Souveränität kam selbst aus Sicht wohlmeinender Berater und Beobachter ins Wanken.

Poschardt: Ramelow beschädigte sich mit seinem Auftreten nach der Abwahl selbst

„Welt“-Chefredakteur Ulf Poschardt schrieb, Ramelows Auftreten in den vergangenen Tagen habe an „beleidigte CSU-Chefs, wenn es mal nicht ganz gereicht hat mit der absoluten Mehrheit“, erinnert. Die „peinliche Instrumentalisierung der eigenen Frau, der großspurige Ton in Talkshows und die herablassende Art, die Bürgerlichen, die wenigen, zu behandeln“, seine keine Werbung gewesen.

Dass die Linke, die sich auf ungeahnt brachiale Weise als vermeintlich demokratische Kraft in Erinnerung zu bringen suchte, parallel dazu auf Bundesebene mit Andrej Hunko einen bekennenden Israelhasser und Diktatorenversteher zum Fraktionsvize wählte, machte auch Merkel-loyale Bürgerliche zusätzlich stutzig.

Insbesondere die Bereitschaft der CDU, ihn mit den eigenen Stimmen zum Ministerpräsidenten zu wählen, konnte Ramelow mit seiner Strategie nicht erzwingen. Am Ende drohte ein Szenario, in dem Ramelow im dritten Wahlgang selbst nur mit den Stimmen der AfD gewählt worden wäre – was es Höcke einmal mehr ermöglicht hätte, den ungeschriebenen Moralkodex der etablierten Kräfte in Deutschland vorzuführen.

Lieberknecht als Danaergeschenk an die CDU

Dies, so die „Welt“, habe der engste Kreis seiner Vertrauten Ramelow auch selbst in dieser Form verdeutlicht und ihn auf diesem Wege zu der Idee inspiriert, Lieberknecht ins Spiel zu bringen. Er wolle, so eröffnete er dem Gremium, „Christine Lieberknecht bitten, bis zu den vorgezogenen Landtagswahlen und der Regierungsbildung übergangsweise als Ministerpräsidentin tätig zu sein“. Diese könnte eine Übergangsregierung bilden.

Das Danaergeschenk dabei: Die CDU solle nach dem Willen Ramelows noch vor der Wahl Lieberknechts einer Auflösung des Landtags zustimmen.

Bis zu den Neuwahlen sollen auch einige alte Bekannte wieder in ihre Ämter zurückkehren – von Finanzministerin Heike Taubert (SPD) über Justizminister Dieter Lauinger (Grüne) bis hin zu Staatskanzlei-Chef Immanuel Hoff – der noch am Tag der Wahl Kemmerichs diesen sinngemäß als „Ministerpräsident von Gnaden der Mörder von Buchenwald“ zu sein.

Anders als bei der SPD ist man in den Reihen der Grünen die Begeisterung für Ramelows Vorstoß überschaubar. Sie hatten bereits im Oktober nur knapp die Fünf-Prozent-Hürde überschritten und müssen im Fall von Neuwahlen auf Leihstimmen aus dem Ramelow-Lager hoffen, um den Wiedereinzug nicht zu verfehlen. Eine nicht ungefährliche Wette, sollte Ramelow – was zu erwarten ist – einen vollständig auf seine Person zugeschnittenen Wahlkampf führen.

Vereinte Linke in Thüringen als Ramelow-Plattform?

Er hätte mit Blick auf Neuwahlen indessen noch einen möglichen Trumpf im Ärmel: In Anlehnung an Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz, der 2017 mit der Bezeichnung „Liste Kurz“ die Bezüge zu seiner Partei aus taktischen Gründen minimiert hatte, könnte der abgewählte Thüringer Ministerpräsident beispielsweise mit einer überparteilichen „Liste Bodo Ramelow – Demokratisches Thüringen“, die auch Kandidaten von SPD und Grünen umfasst, ins Rennen gehen.

Auf diese Weise könnte er auf eine eigene absolute Mehrheit spekulieren und das Risiko ausschalten, dass SPD oder Grüne als mögliche Koalitionspartner unter die Fünf-Prozent-Hürde rutschen. Derzeitige Umfragen würden eine solche Variante durchaus als erfolgversprechend erscheinen lassen, da das linke Spektrum zusammen deutlich über 50 Prozent liegen würde, SPD und Grüne jedoch gefährlich nahe an der Sperrhürde. Allerdings würde ein solches Vorgehen auch voraussetzen, dass alle linken Funkaktionärsparteien bereit wären, über ihren eigenen Schatten zu springen.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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