„Nicht einmal bedingt abwehrbereit“: Die Bundeswehr – Ein Kommentar

Wir müssen raus aus dem Kampfmodus in die Auseinander-Setzung. Abstand wahren zum Gegenüber, zum Thema, zu den eigenen Emotionen, und Verständigung suchen. Kennedy: „Ohne Debatte und ohne Kritik kann keine Verwaltung und kein Land bestehen und keine Republik kann überleben."
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Foto: Cover fbv
Von 19. Juni 2019

Allmählich könnte man in Medien und Verlagen eine Sonderrubrik einrichten für Artikel und Bücher mit dem Titel: „Besorgte Bürger melden sich zu Wort“, in die dann auch das vorliegende Buch von Richard Drexl und Josef Kraus über die Bundeswehr aufgenommen würde, „Nicht einmal bedingt abwehrbereit“.

Und mit „besorgte Bürger“ sind hier keine Laiendarsteller gemeint, die sich wichtigmachen wollen, sondern lebenskundige, berufserfahrene und sachkundige Menschen, die aus ihrer Sicht Bestandsaufnahmen machen zu Themen, die sie kennen, die sie schreibend auch tiefer erforschen und in einer Sprache mitteilen, die verständlich ist, einfach, deutlich und kompetent.

Durch ihre Darstellungen der Themenfelder, die zur Sorge Anlass geben, kann eine Informationslage geschaffen werden, die nicht von aktuellen Schlagzeilen dominiert wird, sondern Grundlagen bietet für eine Debatte.

Wir müssen raus aus dem Kampfmodus in die Auseinander-Setzung. Abstand wahren zum Gegenüber, zum Thema, zu den eigenen Emotionen, und Verständigung suchen. Kommt von Verstand. Seit 1989 /90 haben viele von uns sich schlafen gelegt, Brot und Spiele konsumiert und gedacht, die Welt wäre nun in Ordnung.

Der Zustand unseres Landes gibt inzwischen jedoch in vielerlei Hinsicht Anlass zur Sorge, zunächst dadurch, dass zu viele Menschen mit ideologischen Ausrichtungen oder parteipolitischen Bindungen, durch Machtkämpfe um Marktanteile mit Lobbygruppen und verschiedensten Auftraggebern immer raffinierter ihre Interessen im Stil der Zeit verbreiten.

Sie sind alle nicht an echten Diskussionen und der Suche nach Lösungen interessiert, sondern nur am persönlichen ideologischen Sieg und /oder am finanziellen Gewinn.

Das ist viel zu vielen gelungen auf Kosten der Schlafenden und Vertrauensseligen, die gar nicht auf die Idee gekommen sind, dass vieles nicht stimmt in Europa und dass die Bürokratie alles überwuchert und verkompliziert. Auch dass wir über unsere eigene Ordnung ehrlich debattieren müssen und sie dann auch beschließen und beaufsichtigen müssen, dass sie funktioniert.

Denn vieles funktioniert nicht so, wie es sollte, und vieles nur, weil anständige und tüchtige Bürger Tag für Tag dafür sorgen, dass „der Laden läuft“.

Alle diese Gedanken gehen mir schon lange durch den Kopf, und angesichts der Bücher, die mir in letzter Zeit von den Verlagen zur Rezension geschickt wurden, und die ich in die Rubrik „Besorgte Bürger melden sich zu Wort“ einstellen würde, bringe auch ich sie als besorgte Bürgerin in meinem journalistischen Berufsfeld zu Papier und eröffne den Reigen der empfehlenswerten Bücher ausgerechnet mit einem Buch über die Bundeswehr. Warum?

Ich verstehe von der Bundeswehr nichts im Detail, aber im Zusammenhang dargestellt von den ideologischen oder militärischen und sicherheitsrelevanten Aspekten her und als funktionieren sollendes Organ unseres Staates, ist sie von hohem Interesse. Schließlich wird damit Politik gemacht, schließlich arbeiten und leben dort Menschen, die bereit sind, ihr Leben für uns und unsere Sicherheit zu geben.

Und wozu die Heere noch benutzt werden, haben sowohl US-General Eisenhower als auch US-Präsident Kennedy klargemacht, als sie in öffentlich dokumentierten Reden vor der Presse warnten vor den Machenschaften des „Militärisch-Industriellen Komplexes“. Kennedy: „Ohne Debatte und ohne Kritik kann keine Verwaltung und kein Land bestehen und keine Republik kann überleben.“

Wenn man nun den Eindruck hat, dass weder die größten Medien noch das Parlament in unserem Land in ausreichender Weise ihrer Kontrollfunktion nachkommen, dann müssen die Bürger Augen, Ohren und Herzen öffnen und auch ihre Stimme erheben.

Nicht einmal bedingt abwehrbereit

Zwei, die ihre Stimme erhoben haben mit ihrem Buch „Nicht einmal bedingt abwehrbereit“, sind Richard Drexl und Josef Kraus. Der Verlag hat uns mit gründlichen Informationen über sie versorgt, die ihre Vertrauenswürdigkeit untermauern.

Richard Drexl, Jahrgang 1952, ist Oberst a.D. Von 1972 bis 2013 war er Berufssoldat, davon 15 Jahre im Bundesministerium der Verteidigung. Drei Jahre war er als Abteilungsleiter im Waffensystemkommando der Luftwaffe verantwortlich für die Rüstungsvorhaben des fliegenden Gerätes der gesamten Bundeswehr, danach über elf Jahre Chef und Kommandeur verschiedener Einheiten. Seit 2014 ist er ehrenamtlicher Stadtrat der Stadt Kaufbeuren im Allgäu. Ebenfalls seit 2014 ist er ehrenamtlicher Präsident des Bayerischen Soldatenbundes von 1874 e.V., mit ca. 65.000 Angehörigen eine der größten Veteranen- und Reservistenorganisationen.

Josef Kraus, Jahrgang 1949, Diplom-Psychologe und Gymnasiallehrer, war zwanzig Jahre lang als Oberstudiendirektor eines bayerischen Gymnasiums tätig. Der Bildungsexperte war ehrenamtlicher Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, externer Experte in der Enquetekommission Bildung des Hessischen Landtages, Mitglied im Beirat für Fragen der Inneren Führung beim Bundesminister der Verteidigung sowie Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik und der Deutschen Atlantischen Gesellschaft. 2009 erhielt er das Bundesverdienstkreuz am Bande.

Josef Kraus hat bereits mehrere Bücher veröffentlicht: Spaßpädagogik (1998), Der PISA-Schwindel (2005), Ist die Bildung noch zu retten? (2009); den Spiegel-Bestseller Helikopter-Eltern (2013), Wie man eine Bildungsnation an die Wand fährt (2017) und 50 Jahre Umerziehung (2018).

Und die Einleitung schrieb Rupert Scholz (Prof. Dr. Rupert Scholz, em. für Öffentliches Recht an der Universität München, Senator für Justiz und Bundesangelegenheiten des Landes Berlin 1981/1988. Bundesminister der Verteidigung, 1988/1989.)

Rupert Scholz: Die Bundeswehr ist in einem katastrophalen Zustand

Aus der Einleitung: „Die Bundeswehr ist in einem katastrophalen Zustand. Es fehlt an ausreichendem Personal und es fehlt ebenso an einer funktionstüchtigen Ausrüstung. Von den Panzern bis zu den Hubschraubern, von den U-Booten bis zu den Fregatten, von der Luftwaffe bis zu so einfachen Dingen wie geeigneter Kleidung und Munition – es fehlt überall. Unter diesen elementaren Defiziten leidet nicht nur die Attraktivität der Bundeswehr, es leidet die gesamte Verteidigungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland – ein wahrhaft unverantwortlicher Befund.“ 

Organisation: Eine Reform jagt die andere

Seite 87: Um die Dimension dessen zu verdeutlichen, was in den letzten Jahrzehnten geschehen ist: Außer dem Minister gibt es kaum einen Dienstposten, der nicht in irgendeiner Form umorganisiert wurde. Eine gewisser, nicht eindeutig nachweisbarer Caius Petronius, angeblich römischer Offizier in Köln um 100 n. Chr., scheint nunmehr in der Bundeswehr seine Bestätigung zu erfahren: „Wir übten mit aller Macht. Aber immer, wenn wir begannen, zusammengeschweißt zu werden, wurden wir umorganisiert. Ich habe später gelernt, dass wir oft versuchen, neuen Verhältnissen durch Umorganisierung zu begegnen. Es ist eine phantastische Methode. Sie erzeugt die Illusion des Fortschritts, wobei sie gleichzeitig Verwirrung schafft, die Effektivität mindert und demoralisierend wirkt.“ Aktualisiert heißt es in einem Interview, das die Landshuter Zeitung mit Generalmajor a. D. Jürgen Reichardt führte, auf die Frage, ob die Bundeswehr ein bürokratisches Labyrinth sei: „Ja, das ist eine Folge dieser ständigen Bastelei an den Strukturen, (…) die der Bundeswehr noch mehr zu schaffen macht als das Material.“

Sieben Kapitel auf 230 Seiten – eins spannender als das andere

Warum dieses Buch?
Kapitel I: Gesellschaftliche und politische Umstände: Armee in einer postpatriotischen Gesellschaft
Kapitel II: Strategische Lage
Kapitel III: Defizite und Konsequenzen
Kapitel IV: Sieben Jahrzehnte Bundeswehr – ihr Auftrag im Wandel
Kapitel V: Armee im Auslandseinsatz: Bedarf, Grenzen, Risiken, Belastungen
Kapitel VI: Eine europäische Armee – reales Ziel oder Fata Morgana?
Kapitel VII: Deutsche Sonderwege

Alle Kapitel haben genau definierte Unterkapitel, hier als Beispiel Kapitel III: Defizite und Konsequenzen

Personal
»Flexibel atmender Personalkörper«
Kopflastige Personalstruktur ohne Unterbau
Einführung einer Bw-spezifischen Besoldungsstruktur
Stechuhrmentalität
Bürokratiemonster
Vom Beteiligungswesen zum Soldatenrat?
Gleichstellung von Mann und Frau oder doch
Zwangsegalisierung?
Diffusion von Verantwortung
Reservisten als Ersatzarmee
Veteranen im Abseits
Organisation – eine Reform jagt die andere
Das Bundesministerium der Verteidigung
Zu Tode organisiert
Luftwaffe und Heer schließen Werften
Zauberwort Cyber
Je aufwendiger und komplizierter, desto besser?
Waffensysteme und Rüstung – ein Quell steter Freude
Handelsüblich oder spezifisch militärisch?
Brauchen wir eine eigene Rüstungsindustrie?
Rüstungsprojekte: zu komplex, zu viele Partner
Zu viele Köche verderben den Brei –
Eurofighter und Leopard im Vergleich
Tornado-Nachfolger sollte Frankreich allein verantworten
Milliarden für eine veraltete Zwischenlösung
Hickhack um das Sturmgewehr G36
Übertechnisierung von Panzern, Schiffen und Flugzeugen
Verkehrte Technik: UH Tiger
Waffenfähige Drohne unbewaffnet
Sparen bis über die Schmerzgrenze: Wartung und Instandsetzung
Kanzler und Minister auf Reisen
Verantwortung übernehmen? Lieber nicht!
Träge Beschaffungsorganisation
Die Folgen
Ohne Material kein Einsatz und keine Übung
Der Geist der Truppe geht verloren
Investitionen sind notwendig
Wirtschaftliche Großmacht, militärischer Zwerg

Dieser Text steht am Anfang des Buches:

Gewidmet den bislang mehr als 3.200 Soldaten

und zivilen Mitarbeitern, die seit Gründung

der Bundeswehr im Dienst ums Leben gekommen sind.

Ein sehr empfehlenswertes Buch.


  • Josef Kraus; Richard Drexl
  • Nicht einmal bedingt abwehrbereit
  • Gebundene Ausgabe: 240 Seiten
  • Verlag: FinanzBuch Verlag (19. Juni 2019)
  • ISBN-10: 3959721803
  • EURO 22,99 im Buchhandel und
  • Amazon
Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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