„Nur eine legitime Einstellung“: Wo bleibt das Verfassungsschutz-Interesse am Öko-Extremismus?

Seit Donnerstag gelten die „Identitären“ offiziell als rechtsextremistische Bestrebung. Ihr Panikszenario vom „großen Austausch“ stelle die Menschenwürde infrage. Radikale Klimaideologen wie „Fridays for Future“ verbreiten jedoch ebenfalls Panikszenarien – und nehmen es mit Menschenwürde und Pluralismus nicht immer genau. Wo bleibt der Verfassungsschutz?
Titelbild
Die Protestbewegung "Ende Gelände" besetzte im Juni teilweise den Tagebau Garzweiler.Foto: Christoph Reichwein/dpa
Von 12. Juli 2019

Am gestrigen Donnerstag (11.7.) verkündete das Bundesamt für Verfassungsschutz, man werde die sogenannte „Identitäre Bewegung“ (IB) künftig nicht mehr nur als „Verdachtsfall“ betrachten, sondern als „rechtsextremistische Bestrebung“ offiziell mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachten.

Grund dafür sei, dass die mit 600 Mitgliedern recht überschaubare Vereinigung in ihren Positionen letztlich darauf abziele, „Menschen mit außereuropäischer Herkunft von demokratischer Teilhabe auszuschließen und sie in einer ihre Menschenwürde verletzenden Weise zu diskriminieren“. Für die IB, so heißt es weiter, könnten „Menschen ohne gleiche ethnische Voraussetzungen“ niemals Teil einer gemeinsamen Kultur sein. Dies sei nicht mit dem Grundgesetz vereinbar.

Um als Beobachtungsobjekt ins Visier des Verfassungsschutzes zu geraten, muss eine Vereinigung bestimmte Mindesterfordernisse erfüllen, die unter anderem in §4 Bundesverfassungsschutzgesetz aufgeführt und in Urteilen des Bundesverfassungsgerichts – beispielsweise zum Verbot der SRP und der KPD – konkretisiert sind.

Bislang Numerus Clausus an Beobachtungskategorien

Unter anderem verkörpern Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung

politisch bestimmte, ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, einen der in Abs. 2 genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen“.

Zu diesen zählen unter anderem die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung, die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht sowie die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte – wie die Menschenwürde, das Willkürverbot, die Gleichbehandlung oder das Recht auf Ausübung einer Opposition.

Wer die Beeinträchtigung dieser wesentlichen Elemente der freiheitlich-demokratischen Grundordnung als „maßgeblichen Zweck“ seiner Aktivitäten betrachtet – und nicht bloß in Kauf nimmt oder mit Sympathie quittiert –, der wird mit hoher Wahrscheinlichkeit die Qualifikationen erfüllen, die der Verfassungsschutz als Schlüsselelemente für eine verfassungsfeindliche Bestrebung definiert.

Die wesentlichen Arbeitsschwerpunkte des Verfassungsschutzes lassen sich bislang in einige bereits seit längerer Zeit etablierte Rubriken zusammenfassen: Politisch motivierte Kriminalität, Rechtsextremismus, Linksextremismus, Islamismus/islamischer Terrorismus, extremistische und sicherheitsgefährdende Bestrebungen von Ausländern, Spionage und nachrichtendienstliche Aktivitäten und – als Laune der 1990er Jahre – noch die Beobachtung der in der deutschen Öffentlichkeit weithin bedeutungslosen Scientology-Sekte.

Knappe Analyse von „Ende Gelände“

Auffällig ist, dass – trotz der überragenden Präsenz in den Medien – das Thema des ökologisch motivierten Extremismus oder Ökoterrorismus seit Jahr und Tag vom Verfassungsschutz vollständig ignoriert wird. Gab es in der Vergangenheit vereinzelt noch Erwähnungen militanter Tierschützer oder von extremistisch motivierten Übergriffen gegen Einrichtungen der Energie-Infrastruktur im Bereich des Linksextremismus, beschränkt sich im aktuellen Verfassungsschutzbericht die Analyse dieses Spektrums auf eine knapp dreiseitige Darstellung über die Kampagne „Ende Gelände“.

Der Eindruck, der so entsteht, lautet, dass es zwar eine Handvoll Linksextremisten gäbe, die versuchten, den „Klimaschutz“-Gedanken für ihre ideologischen Ziele zu instrumentalisieren – es ansonsten aber keine Bedenken gegen die „Ökologiebewegung“ und den Narrativ gäbe, dass Deutschland notfalls im Alleingang sein Wirtschaftssystem, seine politische Entscheidungsfindung und die Menschen ihre Lebensweise radikal ändern müssten, um eine angebliche „Klimakatastrophe“ zu verhindern.

Dass diese radikale Änderung unserer Lebensweise durch tiefe Eingriffe des Staates in die Entscheidungsfreiheit des Einzelnen erzwungen werden soll und – wie „Fridays for Future“ zeigt – geltende Gesetze nicht der tragende Maßstab für das Handeln der Protagonisten sind, haben bis dato den Verfassungsschutz relativ kaltgelassen.

Dabei fällt es mittlerweile auch etablierten Medien vereinzelt auf, dass die „Klimaschutz“-Bewegungen nicht nur in Randbereichen ein Potenzial haben, das mit den Grundelementen eines freiheitlichen Gemeinwesens nicht mehr deckungsgleich ist.

„Andersdenkende dämonisieren sie, Kompromisse lehnen sie ab“

So schreibt Politikwissenschaftler Alexander Straßner in der „Welt“, Aktivisten wie Luisa Neubauer und Greta Thunberg ließen eine fundamentalistische Ausrichtung und Kompromisslosigkeit erkennen, die man als „Vorbote(n) extremistischen Denkens“ betrachten könnte. Straßner schreibt:

Aktivisten wie Luisa Neubauer und Greta Thunberg glauben, von vornherein im Recht zu sein – weil sie für das Gemeinwohl kämpfen. Andersdenkende dämonisieren sie, Kompromisse lehnen sie ab. Jede Diskussion wird so unmöglich.“

Was den Identitären der „große Austausch“ oder die „Islamisierung“ ist, ist der „alte, weiße Mann“ den Klimakids – ein Popanz, der aufgebaut wird, um sich selbst über andere zu erhöhen, Andersdenkende abzuwerten und Kritik am eigenen Standpunkt zu dämonisieren.

Auf das „Gemeinwohl“ berufen sich dabei alle – aber gerade extremistischen Bestrebungen, die eine unhinterfragbare Heilslehre für jedermann verbindlich machen und mit ganz viel staatlichem Zwang durchsetzen, sehen darin eine Universalermächtigung, „Gemeinnutz vor Eigennutz“ zu stellen und die Rechte des Individuums und kleinerer Einheiten zu negieren.

„Befeuert von Klimageografen, die mitunter eine kritische Distanz zu ihrem Forschungsfeld vermissen lassen, werden Wissenschaftler als Heilige betrachtet, solange sie die eigenen Standpunkte teilen“, beschreibt Straßner den Radikalismus der Klimabewegung.

Andere Forschungsergebnisse werden in der gleichsam religiösen Logik als Häresie betrachtet. An die Stelle der Argumentation tritt die Dämonisierung.“

Nur Unterwerfung schützt vor Shitstorm

Die Botschaft Neubauers oder Thunbergs lautet schlicht „Ihr müsst auf uns hören“ – und suggeriert eine Zweiteilung der Gesellschaft, die es so nicht gibt:

Weder sind alle Jugendlichen Vertreter der Klimaschutzbewegung, noch sind alle Männer über 40 gesegnet mit Privilegien oder nur auf deren Wahrung aus.“

Pluralismus, der Austausch von Argumenten oder der Kompromiss werden überflüssig, wenn die moralische Diskreditierung dazu führt, dass die Interessen der Gegenseite von vornherein als nicht beachtenswert erscheinen.

Jede Diskussion wird dadurch unmöglich, jeder noch so sachlich vorgetragene Kritikpunkt zum Anliegen des ‚alten, weißen Mannes‘. Die einzige Option, einen Shitstorm zu vermeiden, besteht in der Unterwerfung.“

Straßner appelliert in weiterer Folge, die grundlegende Abwertung anderer Meinungen würde dem Wesen einer offenen Gesellschaft zuwiderlaufen. Genau diese Delegitimation von Gegenstandpunkten ist jedoch offenbar nicht bloß ein Nebenaspekt eines totalitären Ökologismus, sondern dessen Wesenskern.

Der YouTuber Rezo betont in seinem Video selbst und explizit, es gebe beim Klima keine verschiedenen Meinungen, sondern „nur eine legitime Einstellung“. Nach diesem Prinzip handeln auch Betreiber sozialer Medien, die zunehmend gegen kritische Seiten und Inhalte zur angeblichen „Klimakatastrophe“ vorgehen. Über Forderungen aus der Klimaaktivisten-Gemeinde wie jene, „Klimaleugner“ mit der Todesstrafe zu bedrohen oder eine „Diktatur auf Zeit“ zu errichten, wurde an dieser Stelle bereits berichtet.

Zur Erinnerung: Bereits Anfang der 2010er Jahre brachte der norwegische „Klimastratege“ Jorgen Randers die Idee einer „aufgeklärten Diktatur auf Zeit“ in kritischen Politikfeldern ins Spiel und nennt neben dem alten Rom auch die „augenscheinlich erfolgreiche“ Politik der Kommunistischen Partei Chinas als Vorbild. Auch der „Chefkorrespondent Wissenschaft“ der „Welt“, Norbert Lossau, malt die „Ökodiktatur“ als einzigen Ausweg an die Wand, sollte es nicht gelingen, „den Klimawandel zu stoppen“.

Im Jahr 2012 erklärte Musikwissenschaftler (!) Richard Parncutt in einem Beitrag auf seiner offiziellen Universitätsseite, Skeptiker der „menschengemachten Erderwärmung“ sollten zum Tode verurteilt werden, mit lediglich einer Begnadigungsoption zu lebenslanger Haftstrafe im Fall eines öffentlichen Widerrufs ihrer Thesen. Gleiches solle für Personen gelten, die sich als Befürworter der Lehren der Katholischen Kirche zur Sexualmoral outen, die den Gebrauch von Kondomen verwirft. Die „enorme Anzahl geretteter künftiger Leben“ durch eine solche Maßnahme würde diese Sanktion rechtfertigen.

Gattungsbezogene Menschenfeindlichkeit

Was jedoch auch Straßner scheut, ist die Frage, ob nicht eine im Kern biozentrische Doktrin wie der Ökologismus notwendig darauf hinausläuft, die Menschenwürde infrage zu stellen. Immerhin betrachtet dieser den Menschen ja im Grunde als lediglich eine von vielen organischen Lebensformen, deren Entfaltung sogar problematisch wäre, weil „menschengemachte“ Treibhaushase angeblich eine so große Gefahr für den gesamten Planeten darstellen.

Für viele Anhänger der Ökologie- oder Klimaschutzbewegung mag die Einschränkung der menschlichen Freiheit, des Wohlstands oder seiner Entfaltung durch einen mächtigen paternalistischen Staat tatsächlich nur ein störender Nebeneffekt eines vermeintlich alternativlosen Ziels sein. Manche sehen den Ökologismus hingegen bewusst als große Chance, die verhasste marktwirtschaftliche und freiheitliche Ordnung zu Gunsten einer kommunistischen Diktatur beseitigen zu können.

In Summe läuft der Primat der Ökologie aber stets auf eine Infragestellung der Menschenwürde hinaus – der Mensch wird nur noch als Mittel zum Zweck der Reduktion des „CO2-Abdrucks“ betrachtet. Uneinig sind sich Personen wie Verena Brunschweiger (SPD) oder David Eckert (JA Berlin) nur darin, ob der Kontinent der „alten, weißen Männer“ zuerst zum Ziel staatlicher Geburtenkontrolle werden sollte oder der Kontinent der angeblichen Träger des „großen Austauschs“.

So vehement die Auseinandersetzung darüber, welche Form der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit die „gerechtfertigte“ sein mag – jeden Ökologismus ist eine grundsätzliche gattungsbezogene eigen. Und darüber sollte man sich vielleicht auch im Verfassungsschutz Gedanken machen.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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