NZZ: Deutsche Parteien beschwören Europa – ohne Ideen für dessen Zukunft zu haben

Dass sich der EU-Wahlkampf in Deutschland vor allem aufseiten der etablierten Parteien weitgehend in gebetsmühlenartigen Beschwörungsritualen des „Europagedankens“ und in Bekenntnissen gegen den „Nationalismus“ erschöpft, ist auch der NZZ aufgefallen. Ideen kämen aus Deutschland jedoch keine.
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Bei einer Kundgebung in der Nähe der britischen Botschaft in Berlin.Foto: JOHN MACDOUGALL/AFP/Getty Images
Von 21. Mai 2019

Die Art und Weise, wie in Deutschland der Europawahlkampf geführt wird, scheint selbst die „Neue Zürcher Zeitung“ (NZZ) zu befremden. Zwar ist sie weit davon entfernt, rechtskonservative Kritik an einer „Nationalen Front für das Vereinte Europa“ zu reproduzieren oder – wie man sie aus der AfD häufig hört – deutschen Politikern vorzuwerfen, sich aus ihrer deutschen Identität in ein mystifiziertes „Europa“ zu flüchten.

Dennoch diagnostiziert sie in einer Analyse „oberflächliche Begeisterung“ für die Europäische Union, Inhaltslosigkeit und Desinteresse unter den deutschen Parteien. Mit den demonstrativen Lobhudeleien auf die EU und die einhelligen Warnungen vor „Nationalismus“ gehen jedoch keinerlei erkennbaren Ideen für die Zukunft der Staatengemeinschaft einher. Dies sei mitverantwortlich für ein weit verbreitetes Desinteresse in der Bevölkerung an der bevorstehenden Europawahl.

Während Außenminister Heiko Maas mit der Europafahne auftritt, die er pathetisch als „Banner der freien Welt“ bezeichnet, und auf Twitter darüber frohlockt, dass den Deutschen mit dem Dasein als „Europäer“ eine „zusätzliche Identität geschenkt“ werde, scheint die politische Klasse einig gegen Geisterarmeen zu kämpfen – zumindest in Deutschland.

„Quasisakrales Friedensprojekt“

Nur wenige Journalisten wie Nachrichtenchef Alexander Will von der „Nordwest-Zeitung“ (NWZ) wagen es, Zweifel an der Notwendigkeit einer „konstruierten Identität“ zu artikulieren. Und selbst die AfD hat sich in ihrem Wahlkampf größte Mühe gegeben, nicht den Eindruck zu erwecken, tatsächlich ernsthaft einen „Dexit“ zu erwägen – den man als Ultima Ratio im Wahlkampfprogramm für den Fall nicht ausschließen wollte, dass wirklich jedwede Reformversuche der EU scheitern sollten. Sogar eine Änderung der entsprechenden Position im Wahl-o-maten hat man erwirkt, sodass die AfD dort nicht mehr als Pro-Dexit, sondern „neutral“ in dieser Frage aufschien.

Von Deutschland werden diese Reformbemühungen aber nach derzeitigem Stand kaum ausgehen. Wie die NZZ schreibt, besteht der parteiübergreifende Konsens in Deutschland darin, die EU als „quasisakrales Friedensprojekt“ zu sehen. Dass die Präsenz US-amerikanischer Soldaten in Europa nach 1945 mindestens einen ebenso großen Anteil daran hatte, dass keine weiteren Weltkriege mehr von Europa ausgingen, gerät da gerne schon mal in Vergessenheit – insbesondere dort, wo beispielsweise die SPD anmahnt, die EU müsse auch gegenüber US-Präsident Donald Trump Zähne zeigen, und dass auch auf diesen „Europa die Antwort“ sei.

Klare Aussagen darüber, wie eine künftige EU nach dem Willen der führenden deutschen Parteien aussehen soll, unterbleiben. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte eine weitreichende EU-Reform vorgeschlagen, die im Wesentlichen selbst in den Bereichen Finanzen, Wirtschaft und Soziales die Kompetenzen in Brüssel konzentrieren will. Die verbliebenen eigenen fiskalischen Gestaltungsmöglichkeiten aus der Hand zu geben, womöglich noch an Länder mit weiten Spendierhosen – da endet selbst für Teile des „anständigen“ Deutschlands der europäische Hurra-Ersatzpatriotismus.

Für Großeuropa-Befürworter: Grüner Schmied statt rot-schwarzer Schmiedl

Von diesem – wie auch von deren medialem Rückenwind – werden vor allem die Grünen profitieren. Wer sich und der Welt zeigen will, dass er als guter Deutscher am liebsten nur noch „Europäer“ sein und deshalb lieber heute als morgen so viele Zuständigkeiten wie möglich nach Brüssel abgeben will, braucht nicht länger zum „Schmiedl“ in Form von CDU/CSU, SPD und FDP zu gehen, sondern findet in den Grünen seinen „Schmied“.

Deshalb dürfte der von Umfrageinstituten prognostizierte Absturz der SPD vor allem den Ökosozialisten zugutekommen, die zudem noch vom Hype um Greta Thunberg und „Fridays for Future“ profitieren dürften.

Die AfD, von der man eigentlich erwarten hätte können, dass sie gerade die Europawahl nutzen könnte, um breiten Protest zu mobilisieren, dürfte zwar zulegen können – aber nicht in dem Maße, in dem es sich die Mannschaft um Jörg Meuthen gewünscht hätte. Neben der allgegenwärtigen Dämonisierung der Partei durch etablierte Parteien und den Gewaltexzessen der linksextremen Antifa, die vor allem im Westen öffentliche Auftritte erschwerten, dürfte auch die Dexit-Debatte der Mobilisierung schaden.

Dass die Partei mit ihrer weiter abgeschwächten Dexit-Position der Mehrheit jener Wähler entgegengekommen ist, die bei aller Kritik keinen EU-Austritt Deutschlands gutheißen würden, hat ihr andererseits bei Wählern geschadet, denen eine solche Option nicht unwillkommen wäre, die aber vor allem einen besonders deutlichen Protest zum Ausdruck bringen wollen.

Niedrige Wahlbeteiligung würde tendenziell der AfD schaden

Am Ende dürfte eine höhere Wahlbeteiligung eher der AfD nützen, denn die Tendenz geht derzeit dahin, dass Bürger, denen die Europatümelei der etablierten Parteien suspekt ist, sich an der Wahl gar nicht erst beteiligen.

Während 2017 immerhin 76 Prozent der wahlberechtigten Deutschen an die Urnen schritten, gingen 2014 nur 48 Prozent zur Europawahl. Wären nicht am gleichen Tag in elf Bundesländern auch die Kommunalparlamente gewählt worden, wäre die Wahlbeteiligung noch geringer gewesen. Am kommenden Sonntag finden wieder in mehreren Bundesländern Kommunalwahlen statt – zudem werden die Bremische Bürgerschaft und die Bremerhavener Stadtverordnetenversammlung gewählt.

Ungeachtet der von der politischen Klasse beschworenen Europa-Euphorie geht auch die NZZ davon aus, dass die Europawahl in Deutschland allenfalls nationale Auswirkungen haben werden. So könnte eine besonders herbe SPD-Niederlage die Partei dazu bringen, die Koalition zu verlassen und Neuwahlen auszulösen. Ein AfD-Ergebnis unterhalb des Bundestagsresultats würde die Bereitschaft der etablierten Parteien, solchen zuzustimmen, spürbar erhöhen.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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