Orbán bei Trump: So wichtig ist Ungarn für die geopolitische Strategie der USA in Europa

Deutsche Medien zeigen sich wenig glücklich ob der demonstrativen Aufwertung, die Ungarns Premierminister Viktor Orbán durch den Besuch im Weißen Haus 14 Tage vor der Europawahl erhält. Donald Trump scheint das wenig zu kümmern. Er hat erkannt: Für die USA ist Ungarn eines der wichtigsten geopolitischen Assets in Osteuropa.
Titelbild
(L-R) US-Präsident Donald Trump und der ungarische Premierminister Viktor Orban während eines Familienfotos während des NATO-Gipfels am 25. Mai 2017 in Brüssel.Foto: ANNY GYS/AFP/Getty Images
Von 13. Mai 2019

Wenn US-Präsident Donald Trump am Montag den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán in Washington empfängt, ist es der erste Besuch eines ungarischen Regierungschefs im Weißen Haus seit 2005, als dort noch George W. Bush residierte.

Mit diesem Besuch in Washington erhält Orbán zwei Wochen vor der Europawahl noch einmal Gelegenheit, seine Bedeutung als Staatsmann nicht nur in Europa, sondern auch in der Welt zu unterstreichen.

Maren Hennemuth und Gregor Mayer von der Deutschen Presse-Agentur wittern in ihrer Analyse eine weitere Verschwörung gegen die EU und deren „Werte“: Der mit einem „Faible für Autokraten“ ausgestattete Trump würde Orbán mit diesem Besuch einen „Freibrief“ ausstellen, sodass dieser weiter „freie Medien einschränken“, „Zivilorganisationen kriminalisieren“ und „die Wissenschaftsfreiheit bedrohen“ könne – wie das dpa-eigene Framing schärfere Kontrollmaßnahmen der ungarischen Regierung mit Blick auf das breite Engagement des in Ungarn geborenen US-amerikanischen Milliardärs und Philanthropen George Soros in seiner alten Heimat umschreibt.

Gemeinsames und Trennendes

Tatsächlich zieht es die US-Regierung vor, sich ein eigenes Bild von den Ereignissen in Ungarn zu machen. Während Orbán im Weißen Haus zu Gast ist, besuchen zwei bekannte Oppositionelle das Außenministerium.

Auch Trump selbst ist sich der Tatsache bewusst, dass es neben Punkten, in denen zwischen Orbán und ihm Konsens herrscht, wie etwa in der Betonung von Patriotismus und Souveränität oder der Übereinstimmung bezüglich einer restriktiven Einwanderungspolitik, auch Trennendes gibt. Dazu gehört zweifellos die Zusammenarbeit, die Orbán in Fragen wie dem Handel, der Energieversorgung, der Mobilfunkinfrastruktur und der Cybersicherheit zu Russland und China sucht.

Trump ist sich offenbar aber auch darüber im Klaren, dass Ungarn diese Form der Nähe vor allem aus historischen und pragmatischen Motiven heraus sucht. Zum einen hat die Zwangseingemeindung in den sowjetischen Unterdrückungsapparat und dessen Kommandowirtschaftssystem Ungarns Entwicklung zwar gehemmt und für eine Ausbeutung der Bürger gesorgt. Auf der anderen Seite fragt man sich in Budapest, warum man dann nicht zum Ausgleich dafür heute wenigstens an jenen Verbindungen nach Moskau festhalten soll, die beispielsweise in der Energieversorgung günstige und sichere Optionen ermöglichen.

USA wollen Ungarn das bessere Angebot machen

Zum anderen ist die Öffnung gegenüber Russland und China für ein kleines Land immer auch eine Rückversicherung gegenüber dem Bullying vonseiten Brüssels und mächtiger Einzelakteure wie Deutschland oder Frankreich.

Das bedeutet jedoch auch, dass diese Herangehensweise keine dogmatische ist, und dass Ungarn in gleicher Weise enge Beziehungen zu den USA sucht – und diese, wenn der politische und wirtschaftliche Nutzen das rechtfertigen, auch noch deutlich intensivieren könnte – auf Kosten der EU, aber auch Russlands und der Volksrepublik. Genau dort setzen die USA an, und 2017 war ein entscheidendes Jahr für die neue Nähe zwischen Washington und Budapest.

Dass Trump in Ungarn wie auch in Polen strategisch wichtige Partner sieht, hat er selbst bereits 2017 unterstrichen, als er persönlich den ersten Gipfel der „Drei-Meere-Initiative“ (3SI) im Jahr nach der Gründung dieses Verbundes in Warschau besuchte. Mitglieder in dieser Initiative sind die Baltenstaaten, Polen, Tschechien, die Slowakei, Ungarn, Kroatien, Österreich, Ungarn, Rumänien und Bulgarien.

In der Ukraine gibt es vor allem in der nationalen Rechten bedeutende Stimmen, die einen Eintritt in die 3SI anstreben, um diese perspektivisch zu einem Intermarium 2.0 auszubauen, wie es Polen zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg angestrebt hatte. Im US-Think-Tank „Atlantic Council“ gibt es ebenfalls Erwägungen, die Ukraine sowie Moldawien mit unter den 3SI-Schirm zu nehmen. Da im ursprünglichen Intermarium-Konzept auch Italien als Teilnehmer vorgesehen war, bleibt auch dessen Einbindung eine denkbare Option.

Drei-Meere-Initiative könnte Win-Win-Situation für USA und Osteuropäer schaffen

Bislang ist 3SI lediglich ein wirtschaftliches Bündnis, dessen Ziel es ist, gemeinsam weitreichende Projekte zur Infrastruktur und Versorgungssicherheit für Mittel-, Ost- und Südosteuropa umzusetzen. Demnach soll es mehr und bessere Verbindung im Bereich der Energie, des Transportwesens und der digitalen Kommunikation entlang der Nord-Süd-Achse geben, während die meisten bestehenden zwischen Ost und West verlaufen. Zu den großen Investitionsvorhaben der 3SI gehören die Via Carpathia, ein Autobahnprojekt von Ostsee in Litauen bis zur Ägäis, eine Pipeline zur Verbindung von LNG-Terminals zwischen Kroatien und Polen sowie eine Erdgaspipeline, die in Aserbaidschan beginnen soll und durch die Türkei, Bulgarien, Rumänien und Ungarn nach Österreich führen soll.

Zwar hat China auf einige dieser Projekte ebenfalls ein Auge geworfen und versucht, mit seiner Seidenstraßenstrategie daran anzuknüpfen. Die Regierung Trump scheint allerdings ein eigenes Konzept im Auge zu haben, das für die osteuropäischen Staaten selbst wie auch die Amerikaner eine Win-Win-Situation schaffen könnte – insbesondere, sobald die 3SI auch damit beginnt, politische Strukturen zu bilden.

Trump sprach 2017 vor allem von einem freieren Energiemarkt und der dadurch verbesserten Energiesicherheit der Drei-Meere-Staaten. Insbesondere Polen, das russische Dominanz- und Einflussversuche befürchtet, will nicht vorwiegend von einem einzigen Versorger abhängig sein. Deshalb kommen von dort auch die stärksten Widerstände gegen „Nord Stream 2“. Die energiepolitische Planwirtschaft im Zeichen des „Klimaschutzes“ und die deutsche „Energiewende“, so argwöhnt man nicht nur in Warschau, würden perspektivisch die Abhängigkeit von Russland noch zusätzlich verstärken.

Die Amerikaner drinnen, die Russen draußen und die Westeuropäer unten halten

Die USA versprechen sich hingegen vom Bestreben der 3SI-Staaten nach eigener Energiesicherheit mehr Abnehmer und perspektivisch auch konkurrenzfähigere Preise ihres eigenen Flüssiggases. In Zeiten der demonstrativen Distanz deutscher und französischer Regierungen zu Washington zeigt sich unterdessen auch ein Phänomen wieder, das sich 2002 im Vorfeld des Irak-Krieges angedeutet hatte: Frei nach der damaligen Unterscheidung durch Ex-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld steht innerhalb der EU ein „altes Europa“ einem „neuen“ gegenüber.

Während das eine seine Privilegien und seinen Führungsanspruch in Europa verteidigen will, besteht das andere darauf, selbstbewusst eigene Wege zu gehen und sich von Deutschland oder Frankreich nicht gängeln zu lassen. Gleichzeitig ist man dort bestrebt, nicht wieder unter russischen Einfluss zu geraten. Sich möglichst eng an die USA zu binden, ist daher für die osteuropäischen Staaten eine Lebensversicherung für die eigene Souveränität – für die USA hingegen bietet der 3SI-Gedanke die Perspektive, dauerhaft politisch, wirtschaftlich und militärisch in Europa ihren Einfluss zu bewahren.

Den Einfluss der USA in Europa über den Osten zu stabilisieren, den der Westeuropäer zurückzudrängen und eine Ausweitung des russischen zu verhindern, ist nicht nur für Washington eine attraktive Perspektive: Nicht zuletzt diese strategische Überlegung dürfte die Regierung Trump dazu motiviert haben, den ungarischen Premierminister 14 Tage vor den Europawahlen demonstrativ aufzuwerten.
(Mit Material der dpa)

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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