Meuthen: Green Deal der EU ist „weder grün noch Deal“ – Anhaltende Skepsis in Osteuropa

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will bis 2050 ein „klimaneutrales“ Europa – und das auch noch ohne Kernkraft. Osteuropäische Länder sehen darin ein unkalkulierbares Risiko für ihren gerade erst mühsam erlangten Wohlstand.
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AfD-Politiker Jörg Meuthen betrachtet "New Grean Deal" mit Skepsis.Foto: MICHELE TANTUSSI/AFP/Getty Images
Von 15. Januar 2020

Ein Meilenstein, wie es die Mondlandung für die USA war, soll der „Green Deal“ werden, mit dem sich die seit Dezember im Amt befindliche EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ein bleibendes Denkmal setzen will. Bis 2050 soll die EU „klimaneutral“ werden, der Ausstoß angeblich klimaschädlichen CO2s soll minimiert und die Energieversorgung weitgehend vollständig auf erneuerbaren Energieträgern beruhen. Mindestens eine Billion Euro an Investitionen soll das Projekt nach offiziellen Angaben erfordern – abweichende Schätzungen sprechen gar von bis zu drei Billionen.

Die 2011 verkündete deutsche „Energiewende“ soll als das große Vorbild fungieren. Während die Regierung in Berlin diese häufig als Erfolgsmodell anführt, für das sich Kollegen aus aller Welt interessieren, weisen Kritiker auf unwillkommene Nebeneffekte des gestiegenen Anteils erneuerbarer Energien am Portfolio hin. Dazu gehörten milliardenschwere Fehlinvestitionen im Zusammenhang mit hoch subventionierten Solarunternehmen ebenso wie hohe Strompreise, labile Versorgungssysteme und eine stärkere Abhängigkeit von Energieimporten.

Morawiecki verweigert Unterschrift

Diese haben sich auch bis nach Osteuropa herumgesprochen – mit dem Effekt, dass dort erhebliche Skepsis gegenüber von der Leyens Prestigeprojekt herrscht. Insbesondere vermisst man in dortigen Regierungen die Logik hinter der Entscheidung, aus Angst vor angeblich klimaschädlichem CO2-Ausstoß ausgerechnet auch den Ausstieg aus der nahezu CO2-emissionsfreien Atomkraft zu propagieren.

Der aus der deutschen Politik in diesem Zusammenhang häufig vorgebrachte Einwand, die Atommüllproblematik spräche gegen die Kernenergie als Weg zur CO2-Reduktion, überzeugt in den Ländern, die auf diese setzen, nicht. Zum einen wird in entwickelten Industriestaaten seit Jahr und Tag mit zunehmenden Erfolgen nach Lösungen gesucht, zum anderen beruht die Zuversicht der deutschen Bundesregierung hinsichtlich tragfähiger künftiger Energielösungen auch auf dem Vertrauen in künftige Innovationen.

Polens Premierminister Mateusz Morawiecki hatte sich unmittelbar nach der Verkündigung des „Green Deals“ geweigert, ein darauf Bezug nehmendes gemeinsames Dokument zu unterschreiben, Tschechien und Ungarn haben lediglich mit Vorbehalt unterschrieben – sie machen eine Mitwirkung von entsprechenden Kompensationen abhängig. Osteuropäische Länder, die es durch Disziplin, Marktwirtschaft und hohe Anstrengungen nach dem Zusammenbruch des Kommunismus zu mehr Wohlstand und Lebensqualität gebracht haben, sind nicht bereit, diese jetzt ohne Weiteres für neue ideologische Projekte aufs Spiel zu setzen.

Polen will sich nicht von russischen Importen abhängig machen

Besonders in Polen betrachtet man von der Leyens Ambitionen mit gemischten Gefühlen. Bereits aus historischen Erfahrungen heraus besteht ein gewisses Grund-Misstrauen gegenüber den Nachbarn Deutschland und Russland. Würde man die Kohle, aus der, wie die „Welt“ schildert, 79 Prozent der Energieversorgung des Landes stammen, aufgeben, hätte das nicht nur steigende Preise und Mehrbelastungen für die Bürger zur Folge. Zu befürchten wäre außerdem eine steigende Importabhängigkeit – von der unter anderem auch Russland profitieren könnte.

Zudem hat Polen den Anteil der Erneuerbaren am Gesamtportfolio von fünf Prozent in den 1990er Jahren auf 19 Prozent heute ausgebaut. In Anbetracht des Umstandes, dass Brüssel sich bereits mit seinem wachen Interesse an der geplanten Justizreform und Beanstandungen anderer innenpolitischer Weichenstellungen an der Weichsel nicht beliebter gemacht hat, ist davon auszugehen, dass Polen sich für eine Zustimmung zum Green Deal weitreichende Zugeständnisse ausbedingen wird. Zudem wird man sich in Warschau auch den geplanten Einstieg in die Kernenergie nicht ausreden lassen.

Auch die Tschechische Republik setzt auf die Kernkraft. Dies hatte auch Premierminister Andrej Babiš im Dezember deutlich gemacht, als er betonte, das Land brauche „Elektrizität für Menschen, Unternehmen und um zu heizen“ – und dass dies die Priorität sei. Tschechien ist nicht nur in der Lage, sich durch seine zwei Atomkraftwerke, die 33 Prozent der Energie des Landes produzieren und erweitert werden sollen, und durch seine Kohle, aus der 51 Prozent stammen, selbst zu versorgen. Tschechien ist selbst Energieexporteur – nicht zuletzt nach Deutschland und Österreich.

Ungarn: EU soll ihr Prestigeprojekt aus eigener Tasche bezahlen

Polen und Tschechien sind nicht die einzigen osteuropäischen Länder, die ihre Energiepolitik zwar neu aufstellen, aber dabei die Versorgungssicherheit und die Bezahlbarkeit von Strom nicht gefährden wollen.

Ungarn ist grundsätzlich entschlossen, perspektivisch seine Energieversorgung von fossilen Brennstoffen wegzubewegen und deren Anteil auf etwa zehn Prozent zu drosseln – von derzeit 35 Prozent. Der Anteil der Erneuerbaren soll, wie das Kabinett jüngst beschloss, bis 2030 von 14 auf 21 Prozent steigen. Am Ausbau der Kernkraft, die jetzt schon den Löwenanteil der Energieversorgung im Land gewährleistet, will Ungarn festhalten. Wenn Ungarn seine Versorgung bis 2050 „klimaneutral“ umbauen solle, was Kosten von etwa 150 Milliarden Euro verursachen würde, müsse sich die EU in erheblichem Umfang selbst daran beteiligen, betonte Premierminister Viktor Orban.

In Bulgarien, wo der für den „Klimaschutz“ zuständige Minister Neno Dimow in der Vorwoche unter dem Verdacht des Missmanagements in der Wasserwirtschaft und der Beteiligung an illegalen grenzüberschreitenden Systemen zur Müllentsorgung verhaftet wurde, liegt man bezüglich des Anteils regenerativer Energien mit 19 Prozent gut im Rennen. Zu 45 Prozent ist das Land jedoch von der Kohle abhängig. Auch hier wird – insbesondere vor dem Hintergrund des geringen CO2-Ausstoßes privater Haushalte – darauf insistiert, dass die EU die Verwirklichung ihrer Klimadoktrin in erster Linie aus eigener Tasche finanzieren solle.

„Einseitiges Rechtsgeschäft zu Lasten der Bürger und der Steuerzahler“

Ähnliches gilt für Rumänien, wo der Kohleanteil bei 27 Prozent liegt und jener der Erneuerbaren bei 24 – die großen Kohlekraftwerke jedoch als besonders emissionsintensiv gelten. Bis 2030 will die Regierung ihren CO2-Ausstoß auf 40 Prozent unter das Level von 1990 senken – dem Jahr nach Beseitigung der Ceausescu-Diktatur.

In Litauen hatte die EU-Kommission der Regierung bereits im Zuge des Beitrittsprozesses die Zusage abgenötigt, das Kernkraftwerk Ignalina abzuschalten, das zuvor noch zu etwa 90 Prozent die Energieversorgung des Landes gewährleistet hatte. Seither muss Litauen 70 Prozent seines Stromes importieren, hauptsächlich aus Schweden, und gehört zu den Ländern mit den höchsten Stromkosten.

Vor dem Hintergrund der offiziellen Vorstellung des „Green Deals“ durch die EU-Kommission am Dienstag (14.1.) hat AfD-Bundessprecher und MdEP Jörg Meuthen im Gespräch mit dem BR einmal mehr die Sinnhaftigkeit des Projekts infrage gestellt. Schon der Begriff sei ein Etikettenschwindel. Zum einen sei mit einer Verbesserung der Ökobilanz nicht zu rechnen, da nicht zuletzt für Windparks jetzt schon bestehende Ökosysteme beseitigt würden. Zum anderen handele es sich nicht um einen „Deal“, sondern um ein „einseitiges Rechtsgeschäft zu Lasten der Bürger und der Steuerzahler“.

Grünen-Abgeordnete Ska Keller würdigte im gleichen Format zwar die klimapolitische Entschlossenheit der Kommissionspräsidentin, erklärte aber, noch auf die dazugehörigen konkrete Inhalte zu warten. Dass wenig an Aussagen zu einer Reform der Agrarpolitik komme und die EU an Handelsabkommen wie Mercosur festhalte, lasse befürchten, dass wichtige Weichenstellungen ausblieben.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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