NATO-Geburtstagsfeier mit viel Streitpotenzial – Moskau zeigt sich amüsiert

Am Dienstag will die NATO 70 Jahre ihrer "Erfolgsgeschichte" feiern. Doch drei Dinge bereiten dem Bündnis Probleme: Trump, die Türkei und Macron, meinte ein NATO-Diplomat.
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Die Gräben zwischen den NATO-Partnern sind tief. Lassen sie sich nicht überbrücken, werde Putin der lachende Dritte sein, meinte ein NATO-Diplomat.Foto: Bet_Noire/iStock
Epoch Times1. Dezember 2019

Ihren 70. Geburtstag wollte die NATO eigentlich als „Erfolgsgeschichte“ feiern. Doch der Gipfel der Staats- und Regierungschefs ab Dienstag bei London ist von Konflikten innerhalb der mächtigsten Militärallianz der Welt überschattet.

Weiter schwelt der Streit mit US-Präsident Donald Trump über die Verteidigungsausgaben, die Türkei überrumpelte die Verbündeten mit dem Einmarsch in Syrien und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron attestiert dem Bündnis gar den „Hirntod“.

Sieben Jahrzehnte nach der NATO-Gründung sollte der Gipfel ursprünglich beweisen, dass die Organisation zukunftsfähig ist. Der Weltraum wird neues militärisches Einsatzgebiet, die Allianz bekommt erstmals eigene Aufklärungsdrohnen und beginnt, ihre Position gegenüber der aufstrebenden Militärmacht China zu definieren. Doch nun stellt sich die Sinnfrage.

NATO-Diplomat: Trump, die Türkei und Macron bereiten Probleme

„Drei Dinge bereiten Probleme“, sagt ein NATO-Diplomat: „Das Verhalten von Donald Trump, die Türkei und Macron. „Sie destabilisieren ein ohnehin schwieriges Gleichgewicht.“ Beim Gipfel gehe es deshalb „um Schadensbegrenzung“, sagt ein weiterer Bündnis-Diplomat. „Wir müssen in London Einigkeit zeigen.“

„Obsolet“ nannte Trump die NATO zu Beginn seiner Amtszeit 2017. Seitdem wird er nicht müde, die europäischen Bündnispartner zu höheren Verteidigungsausgaben zu treiben. Dabei hat er regelmäßig Deutschland im Visier: Beim letzten Gipfel warf er Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor, Milliarden an Russlands Präsident Wladimir Putin für Gaskäufe zu zahlen, um sich dann auf Kosten der USA vor den Russen beschützen zu lassen.

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg versuchte, den US-Präsidenten vor diesem Gipfel mit Erfolgsmeldungen ruhigzustellen: Zusätzlich 130 Milliarden Dollar hätten die europäischen Verbündeten und Kanada im Zeitraum 2016 bis 2020 in ihren Verteidigungsbudgets mobilisiert, sagt er. Bis 2024 würden es sogar 400 Milliarden Dollar. Dies sei „beispiellos“.

Doch die Deutschen werden das NATO-Ausgabenziel von zwei Prozent der Wirtschaftsleistung trotz milliardenschwerer Zuwächse auch im nächsten Jahrzehnt nicht erreichen.

Dass Trump das Thema weiter wichtig ist, zeigt sein Programm: Am Mittwoch gibt es ein Arbeitsmittagessen mit dem US-Präsidenten, aber nur mit den acht europäischen Ländern, die das Zwei-Prozent-Ziel bereits geschafft haben. Merkel könnte also schnell wieder in die Schusslinie geraten. „Bei Trump weiß man nie“, heißt es im Bündnis.

Macron: EU kann sich auch selber verteidigen

Macrons „Hirntod“-Äußerung speiste sich unterdessen aus Verärgerung darüber, dass die Türkei ohne Abstimmung ihre „Aggression“ in Nordsyrien gestartet hat und die USA ihre Truppen ohne „jegliche Koordinierung“ aus der Region abzogen. Der französische Präsident fragte sich gleichzeitig, welche Bedeutung die Beistandsklausel des NATO-Vertrags noch habe, und fand, dass Europa sich auch selber verteidigen könne.

Die schonungslose Analyse schockte das Bündnis. Vor allem osteuropäische NATO-Mitglieder, die sich unmittelbar durch Russland bedroht sehen, reagierten mit offener Kritik. Widerspruch kam auch von Merkel. „Das ist nicht meine Sicht der Kooperation in der NATO“, sagte sie.

Moskau zeigt sich amüsiert

Direkt vor dem Gipfel eskalierte der Streit. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan bescheinigte Macron seinerseits den „Hirntod“. Damit gibt es dringenden Gesprächsbedarf in London. Ein für Dienstag geplantes Vierer-Treffen mit Macron, Erdogan, Merkel und dem britischen Premier Boris Johnson, bei dem es um Syrien gehen soll, hat nun eine neue Qualität.

Washington beobachtet derweil mit Sorge, dass sich die Türkei immer mehr an Russland annähert. Auch sonst im Bündnis stieß die Entscheidung Ankaras, russische S-400-Raketenabwehrsysteme zu kaufen, auf Unverständnis.

Lassen sich die Gräben nicht überbrücken, könnte aus der NATO-Geburtstagsfeier ein Krisentreffen werden. Dann sei Russlands Präsident Putin der lachende Dritte, sagt ein Diplomat. Amüsiert zeigte sich bereits sein Außenminister Sergej Lawrow über die „Hirntod“-Debatte und kündigte an: „Sobald die NATO sich wieder erholt hat, werden wir sie nicht warten lassen“. (afp)

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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