NZZ: Deutschlands Politik fehlt es an Gespür – „Universale Werte“ können Heimat nicht ersetzen

Deutsche Politiker scheinen ein geringes Maß an Volkstümlichkeit und möglichst abstrakte Diskurse für den Qualitätsausweis einer Demokratie zu halten, meint Reinhard Mohr in der NZZ. Tatsächlich seien es jedoch Realitätssinn und Glaubwürdigkeit, die darunter litten.
Titelbild
Berglandschaft - Heimat der Bayern.Foto: iStock
Von 1. Februar 2020

Anfang der 1950er Jahre, in der Adenauer-Ära, als Deutschland Millionen Vertriebene aus den alten Ostgebieten des Deutschen Reiches integrieren musste und mitten im Wiederaufbau der zerbombten Städte steckte, wurde der Heimatfilm „Grün ist die Heide“ zu einer der beliebtesten Produktionen des deutschen Nachkriegskinos. Jeder dritte Westdeutsche soll den Film gesehen haben.

Die sentimentale Romanze, in der die Sehnsucht nach einer heilen, einfachen Welt ebenso wie die Trauer der Vertriebenen um die verlorene Heimat Ausdruck fand – untermalt von eindrucksvollen Landschaftsaufnahmen aus der Lüneburger Heide und der Musik der „Heidelerchen“ -, traf den Nerv der deutschen Nachkriegsgesellschaft. Auch ähnliche Produktionen wie das „Schwarzwaldmädel“ oder der „Förster vom Silberwald“ wurden damals zu großen Erfolgen. Obwohl die Kritiken an der „kitschigen Heimatschnulze“ in den Medien immer gehässiger wurden, konnten deutsche Heimatfilme der 1950er Jahre noch nach Jahrzehnten hohe Einschaltquoten beim Fernsehpublikum erzielen.

Millionen sehen den „Bergdoktor“ – nur wenige bekennen sich dazu

Noch heute zeigt sich ein ähnliches Phänomen: Anfang des Jahres begann das ZDF, eine neue Staffel der Serie „Der Bergdoktor“ zu senden. Wie das Portal „T-Online“ berichtet, sahen 6,55 Millionen Zuschauer die erste Folge, was einem Marktanteil von 20 Prozent entsprach. Dazu kommen Bergretter-Serien, die ebenfalls zum Quotenerfolg werden und dabei zum Teil auch unter jüngeren Zuschauern Anklang finden.

Für Publizist Reinhard Mohr, der diesen Umstand in einem Gastkommentar für die „Neue Zürcher Zeitung“ (NZZ) aufgreift, stellt diese ungebrochene Liebe der Deutschen zum Gefühligen und Bodenständigen einen auffallenden Gegensatz zum Auftreten und zur Rhetorik der politisch-medialen Klasse in Deutschland. Was noch dazukomme, sei die vor allem unter Akademikern zu beobachtende Angst, offen zuzugeben, solche Sendungen zu sehen – um nicht in den Verdacht zu geraten, als „harmoniesüchtiger, sentimentaler Heile-Welt-Reaktionär“ zu gelten.

Diese Heimlichkeit sieht Mohr als Teil eines Problems, unter dem Deutschland insgesamt leide und das sich als wachsende Kluft zwischen den tatsächlichen Wünschen und Erfahrungen der Bevölkerung auf der einen und der Situationsbeschreibung in Politik, Medien, Kirchen oder bei „zivilgesellschaftlichen Akteuren“ umschreiben lasse.

Zufriedenheit hängt nicht von Steuerbelastung für „die Reichen“ ab

Produktionen wie der „Bergdoktor“ bedienen Sehnsüchte der Menschen, von denen die politische und mediale Klasse nichts wissen wollten: einen Platz zu haben, an dem man zu Hause sei, in dem man mit den passenden Leuten zusammenlebe, die Verhältnisse klein, geordnet und überschaubar seien – „beachtet und respektiert von der politischen Führung im Lande, die im besten Fall eine glaubwürdige Autorität verkörpert“.

Es gehe den Menschen, so betont Mohr, eben „nicht nur um ‚soziale Gerechtigkeit‘, sondern um das Gefühl der Menschen, ernst genommen und verstanden zu werden“. In einem Land, in dem jedoch bereits der Begriff der „Heimat“ selbst seit Jahr und Tag problematisiert werde, hätten immer mehr Bürger den Eindruck, ihre politischen Repräsentanten würden sich in einer selbstgeschaffenen Parallelwelt abschotten.

Besonders bezeichnend für diesen Zustand seien Ablauf und Inhalte des SPD-Bundesparteitages vom Dezember des Vorjahres gewesen. „Irritierend ist allein schon die Sprache, mit der in all den Reden der Zustand der Republik beschrieben wird“, meint Mohr. „Vor lauter Ungleichheit, Ungerechtigkeit, Elend und Armut fühlte man sich an Venezuela oder Burkina Faso erinnert – nicht an das wirtschaftsstärkste Land Europas, das seit Jahrzehnten von Sozialdemokraten mitregiert wird.“

„Windbürgergeld“ als Ausdruck einer Themenverfehlung

Höhere Steuern, ein höherer Mindestlohn und höhere Renten würden die Menschen hingegen wieder mit sich und ihrer Umgebung zufrieden machen. Dabei würden bereits heute 35 Milliarden Euro Kindergeld pro Jahr bezahlt und 150 Milliarden des Bundeshaushalts seien für weitere Sozialleistungen von der Rente mit 63 über Mütterrente und Erziehungsgeld bis hin zum Unterhaltsvorschuss eingeplant.

Die Politik vernachlässige emotionale Aspekte und versuche, Unbehagen mit Milliardengeschenken gegenzusteuern, weil man mit Blick auf die Erfahrungen von Weimar Angst habe, „bei einer globalen Wirtschaftskrise, womöglich im Zusammenwirken mit Terrorattacken und dramatischen Veränderungen des Weltklimas, könnten die Dämme der Demokratie in Deutschland brechen“.

Gerade dann wäre jedoch „ein gebetsmühlenhafter Universalismus der ‚Werte‘, der sich mit einer abstrakten, protestantisch-deutschen Hypermoral und dem aggressiven Partikularismus immer neuer Minderheiten verbindet“, der falsche Weg, die Gefahr zu bannen.

Auch die emotionalisierten Auftritte von „Fridays for Future“ und die Panikrhetorik ob einer angeblich drohenden Klimakatastrophe will Mohr nicht als Zugeständnis an die Gefühlswelten gelten lassen. Gerade diese decke sich nicht mit dem Erfahrungshorizont einfacher Bevölkerungsschichten – zumal ihre Konsequenzen selbst in einem Heimatverlust endeten, den man, Stichwort „Windbürgergeld“, mithilfe von Geldgeschenken abfedern wolle:

„Der Verlust von Landschaft und dörflicher Kultur, historischen Sichtachsen und sentimentalen Erinnerungen an freie Felder, Wege und Wiesen der Kindheit spielt keine Rolle in dieser technokratischen Kalkulation, die nichts weniger als die Weltrettung aus dem Geist der deutschen ‚Energiewende‘ anstrebt, die ohne Atomstrom aus Frankreich gar nicht auskommt.“

„Compassion“ als vernachlässigter Schlüsselfaktor?

Selbst ein Intellektueller wie Willy Brandt habe im Bundestagswahlkampf 1972 an den Stolz der Menschen auf ihr Land appelliert. Sein ehemaliger Klaus Harpprecht sprach in diesem Zusammenhang von „compassion“ als Schlüsselqualität – ein Begriff, den später in den USA auch George W. Bush verwendete, als er von einem „Compassionate Conservatism“ sprach. Gemeint ist dabei eine Form von Gespür für die Befindlichkeiten einfacher Bürger, die Empathie, Nähe, Mitgefühl und Leidenschaft miteinander vereine.

Stattdessen setze die politisch-mediale Klasse des Landes weiter auf glattgebügeltes Auftreten und intellektuelle Phrasen im Sinne eines „globalen Denkens“ prinzipieller Ortlosigkeit, Austauschbarkeit und Entgrenzung, das keinen Platz mehr für Traditionen und Sentimentalitäten lasse. Yoram Hazony führte dieses Phänomen, das auch in anderen westlichen Staaten vielfach beklagt wird, auf das Denken Immanuel Kants zurück, dem zufolge sich die Menschheit, um die vermeintliche letztgültige Wahrheit in allen Fragen des Lebens finden zu können, von allem Ketten der Vergangenheit lösen müsse – also auch Geschichte, Tradition und Erfahrung.

Phänomen zeigt sich auch in der Rechten selbst

Mohr resümiert, dass gerade die Parteien des linksgrünen Spektrums auf diese Weise den Begriff der „Identität“ aufgegeben – und ihn Kräften wie den „Identitären“ oder diesen nahestehenden rechtsgerichteten Parteien überlassen hätten.

Mit dieser Diagnose trifft der Essayist jedoch die Situation auf der Rechten selbst möglicherweise nicht ganz präzise. Immerhin scheint sich der Widerstreit zwischen technokratischer Rationalität und sehnsuchtsschwangerer Sentimentalität auch dorthin fortzupflanzen. So liegen beispielsweise zwischen einem die Phänomene des Lebens primär in Statistiken fassenden Thilo Sarrazin und dem nationalromantischen Pathos eines Björn Höcke doch auch einige Welten.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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