„Open Arms“: Politisches Manöver inmitten Regierungskrise spielt Schlepperbanden in die Hände

Die privaten Aktivisten der Nichtregierungsorganisation „Open Arms“ haben es geschafft, die an Bord befindlichen Migranten in Italien an Land zu bringen. Politikwissenschaftler Peter Graf Kielmansegg sieht das Manöver durchaus kritisch. Gegenüber der FAZ spricht er von den unheiligen Allianzen zwischen Schlepperbanden und Europäern und einem Sogeffekt.
Titelbild
Migranten warten an Bord des spanischen Rettungsschiffs «Open Arms» auf das Anlegen.Foto: Valerio Nicolosi/AP/dpa
Von 21. August 2019

Inmitten einer Regierungskrise in Italien ist es der Nichtregierungsorganisation „Proactiva Open Arms“ mithilfe der Staatsanwaltschaft von Agrigent gelungen, eine Landung ihres NGO-Schiffes im Hafen von Lampedusa zu erzwingen. Dies berichtet die „Welt“ am Mittwochmorgen (21.8.).

Italienischen Nachrichtenagenturen zufolge habe der Staatsanwalt von Agrigent, Luigi Patronaggio, nach einem Besuch auf dem Schiff die vorläufige Beschlagnahmung und Anlandung angeordnet. Auch wenn das Schiff dauerhaft beschlagnahmt bleiben sollte, hatten die Aktivisten damit ihr Ziel erreicht:

Das Boot gelangte in den sizilianischen Hafen und die 83 an Bord verbliebenen Migranten konnten Medienberichten zufolge damit das Hoheitsgebiet eines EU-Staates betreten. Zuvor hatten Italien und Malta Menschen, die sich in prekärem gesundheitlichem Zustand befanden, an Land bringen lassen.

Zustände an Bord, vor denen NGOs Migranten angeblich retten wollten?

In den Tagen zuvor waren mehr als ein Dutzend Migranten von Bord gesprungen und hatten versucht, schwimmend die mehrere hundert Meter entfernte Insel zu erreichen. Die italienische Küstenwache barg sie und brachte sie an Land, um ihnen ärztliche Behandlung zu ermöglichen.

Oscar Camps, Gründer der NGO, klagte auf Twitter, die Situation der Migranten an Bord ähnele „der eines libyschen Lagers“, sie seien „18 Tage in einer Eisenkiste eingesperrt“ gewesen, Wasser und Lebensmittel rationiert.

Bis dato hatten NGO-Aktivisten die kurz vor der Küste Libyens aufgegriffenen Migranten nicht – wie es zu deren Rettung ausreichen würde – ans wenige Kilometer entfernte afrikanische Festland zurückgebracht.

Stattdessen fuhren sie mit ihnen über das Mittelmeer in Richtung Europa, stets damit begründet, dass die Zustände in Libyen unzumutbar wären.

Darüber hinaus wurden dem NGO-Schiff, das bereits mehrere Tagen vor Lampedusa lag, nach der bereits zuvor absehbaren Weigerung Italiens, angeboten in Spanien einzulaufen, etwa auf Mallorca oder Menorca.

Die NGO lehnte diese Option ab, angeblich weil die Vorräte an Bord für die Weiterfahrt nicht mehr ausreichten. Am heutigen Mittwoch sollte zudem ein Marineschiff aus Spanien in See stechen, um die Migranten in Empfang zu nehmen. Mehrere EU-Staaten hatten derweil angeboten die Migranten aufzunehmen.

Die Staatsanwaltschaft von Agrigent kam diesem nun mit ihrer Anordnung zuvor. Außerdem soll diese gegen Innenminister Matteo Salvini wegen angeblichen Amtsmissbrauchs ermitteln.

Keine Verpflichtung zur Aufnahme in Europa

Salvini vermutet einmal mehr ein politisches Manöver. Bereits zuvor waren ähnliche Bemühungen, seine rigorose Ablehnung der Verbringung vor der Küste Afrikas aufgegriffener Migranten nach Europa zu kriminalisieren, gescheitert. Eine Verpflichtung, privaten „Seenotrettern“ die Häfen zu öffnen, besteht nicht.

Es gibt ein „Internationales Übereinkommen von 1974 zum Schutz des menschlichen Lebens auf See“ und ein „Internationales Übereinkommen von 1979 zur Seenotrettung“ (SAR-Konvention 1979), die sich mit Verpflichtungen und Modalitäten im Umgang mit Schiffbrüchigen befassen.

Darin wird grundsätzlich jeder Schiffsführer, der über eine solche Notsituation informiert ist und in der Lage ist, vor Ort Hilfe zu leisten, nach seinen Möglichkeiten zur unverzüglichen Hilfe verpflichtet.

Zudem enthalten Abkommen dieser Art Bestimmungen zur koordinierten Rettung aus der Luft und die Verpflichtung, „Hilfesuchende schnell an einen sicheren Platz zu bringen“.

Der Begriff der „Sicherheit“ ist in diesem Zusammenhang auf die körperliche Integrität und die konkrete Gefahrensituation bezogen.

Eine Aussicht auf ein beschwerdefreies Leben in einem Staat mit großzügigen Sozialleistungen ist davon nicht umfasst. Entsprechend beschränkt sich die Verpflichtung darauf, die Schiffbrüchigen in den nächsterreichbaren Hafen zu bringen.

Das „Internationale Übereinkommen zur Seenotrettung“ verlangt „Hilfesuchende schnell an einen sicheren Platz zu bringen“ – mit anderen Worten: den nächsten Hafen ansteuern. Foto: iStock / ET

Eine Verpflichtung, diese in weit entfernte Staaten zu bringen, besteht nicht. Dies gilt für Fälle spontaner Seenotrettung wie auch für organisierte Rettungsmissionen. Solche ins Leben zu rufen, sind Staaten oder Staatengemeinschaften wie die EU berechtigt, aber nicht verpflichtet.

Mit den Missionen „Mare Nostrum“, „Triton“, „Themis“ und „Sophia“ haben die EU oder einzelne Mitgliedstaaten solche ins Leben gerufen, die sowohl der Grenzsicherung als auch der Rettung dienen sollten. Insgesamt sollen im Rahmen dieser Operationen bis zu 260 000 Personen aufgegriffen worden sein.

Arbeitsteilung zwischen Schleppern in Afrika und Ideologen in Europa

In der Druckausgabe der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ schildert Politikwissenschaftler Peter Graf Kielmansegg, warum die Einrichtung einer solchen permanenten Mission nicht der Weisheit letzter Schluss sein könne.

Es gehe im Zusammenhang mit der „Seenotrettung“ selten darum, verzweifelte Menschen zu retten, die sich aus tiefster Not heraus in die Fluten begeben, ohne zu wissen, ob sie noch den nächsten Morgen erleben.

Vielmehr gebe es eine unheilige Allianz zwischen Schlepperbanden, die das Schleusen von Menschen an die libysche Küste als lukratives Geschäftsmodell entdeckt haben.

Ihre Komplizen sind Europäer, die aus ideologischen Gründen die größtmögliche Zahl an Migranten in die EU bringen wollen, weil sie der Auffassung sind, Europa müsse durch die Aufnahme und Versorgung der Migranten Genugtuung für die Verbrechen seiner kolonialen Vergangenheit leisten.

Zwischen beiden habe sich eine Art Arbeitsteilung ergeben und die eine Seite arbeitet der anderen in die Hände. Je nahtloser die Zusammenarbeit klappt, umso größer ist der Pull-Effekt, der Menschen aus afrikanischen Ländern ins Mittelmeer lockt.

Kielmannsegg beschreibt das Dilemma wie folgt:

Europa sieht sich einer permanenten moralischen Erpressung ausgesetzt, die von kriminellen Schleuserbanden planmäßig inszeniert wird. Sie bringen Migranten mit deren Einverständnis absichtlich in Seenot und lösen damit einen menschenrechtlichen Imperativ aus, auf den Europa reagieren muss.“

Der Hippie unter den Staaten

Eilt Europa nicht zur Hilfe, wird es für den Tod der Migranten verantwortlich gemacht. „Rettet“ Europa aber und bringt die Menschen in europäischen Häfen an Land, leiste es den entscheidenden Beitrag dazu, dass das Kalkül der Schlepper aufgeht und immer mehr Menschen aufs Mittelmeer gelockt werden.

Wenn Rettung aus Seenot die Eintrittskarte nach Europa ist, dann werden Menschen sich ohne Ende in vorgeplante Seenot begeben und was immer Europa tut, nicht alle werden gerettet werden können. Die Schlepper verdienen, und Europa versinkt immer tiefer in moralischer Selbstanklage.“

Deutschland als – frei nach dem britischen Historiker Anthony Glees – der „Hippie unter den Staaten“, der Gefühle vor Überlegungen vor Vernunft setzt, wird in Europa dabei vielfach eher als Teil des Problems denn als Teil der Lösung wahrgenommen.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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