Forscher der TU München bestimmen Schutzengel-Proteine der Augen

Die Augenlinse des Menschen besteht aus einer hoch konzentrierten Proteinlösung. Wissenschaftler der Technischen Universität München (TUM) haben erstmals die genaue Struktur des Proteins alpha-A-Kristallin ermittelt und dabei eine weitere wichtige Funktion entdeckt.
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Münchner Forscher identifizierten "Schutzengel-Proteine" im menschlichen Auge.Foto: iStock
Epoch Times30. Januar 2020

Die Brechkraft der menschlichen Augenlinse beruht auf einer hochkonzentrierten Eiweißlösung. Diese Proteine werden in der Embryonalentwicklung angelegt und müssen dann ein Leben lang funktionieren, weil die Linse keine Maschinerie zum Auf- und Abbau von Proteinen besitzt.

Werden die Linsenproteine geschädigt, kommt es zu Grauem Star – einer Eintrübung der Augenlinse – und Alterssichtigkeit. Schutzproteine sorgen deshalb dafür, dass die Proteine des Auges auch bei ungünstigen Umwelteinflüssen ihre Form bewahren.

„Die beiden Schutzproteine alpha-A- und alpha-B-Kristallin machen rund 30 Prozent der Proteine im menschlichen Auge aus“ und sind für die Funktion der Linse enorm wichtig, sagte Christoph Kaiser, Erstautor der Publikation im Fachjournal Nature Structural and Molecular Biology.

Struktur einer wandlungsfähigen Anstandsdame

Seit mehr als 40 Jahren versuchten Forscher vergeblich, die Struktur des alpha-A-Kristallins zu ermitteln. Der Durchbruch gelang nun einem Forschungsteam um die beiden TUM-Professoren Sevil Weinkauf, Professorin für Elektronenmikroskopie und Johannes Buchner, Professor für Biotechnologie, durch Kombination von Kryo-Elektronenmikroskopie, Massenspektrometrie, NMR-Spektroskopie und molekularer Modellierung.

Menschliches alpha-A-Kristallin liegt in Strukturen aus je 12, 16 und 20 Untereinheiten vor (v.l.n.r.). Foto: Christoph Kaiser / TUM

„Das alpha-A-Kristallin ist extrem vielgestaltig“, sagt Sevil Weinkauf. „Das macht es sehr schwierig, die Struktur zu ermitteln. Erst durch die Entwicklung einer neuen Strategie zur Datenanalyse konnten wir zeigen, dass es in Lösung in verschiedenen Strukturen mit 12, 16 oder 20 Untereinheiten vorliegt.“

Die typische Funktion von Schutzproteinen ist es, anderen Proteinen bei Stress, beispielsweise durch hohe Temperaturen, dabei zu helfen, ihre Form zu bewahren. Man nennt sie daher auch Chaperone, zu Deutsch Anstandsdamen.

Auch alpha-A- und alpha-B-Kristallin haben diese Funktion. Darüber hinaus besitzt menschliches alpha-A-Kristallin zwei Cysteinreste, deren Schwefelatome Disulfidbrücken bilden können. Eingehendere biochemische Untersuchungen zeigten, dass sich diese Verbrückung erheblich auf verschiedene Eigenschaften des Proteinmoleküls auswirkt.

Anstoß für weitere Forschung

„Eine gängige Theorie ist, dass die Disulfidbrücken Ergebnis einer Schädigung des Proteins beispielsweise durch Sauerstoff sind“, sagt Johannes Buchner. „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass das alpha-A-Kristallin eine aktive Rolle zum Schutz anderer Proteine vor Oxidation spielen könnte.“

Dr. Christoph Kaiser (rechts) beim Transfer eines Kryo-Proteinpräparates und Dr. Carsten Peters (links) an einem Transmissionselektronenmikroskop. Foto: Andreas Heddergott / TUM

Die Untersuchungen des Forschungsteams zeigten, dass oxidiertes alpha-A-Kristallin die vorhandene Disulfidbrücke sogar auf andere Proteine übertragen kann. „Diese Fähigkeit entspricht der einer Proteindisulfid-Oxidase“, sagt Christoph Kaiser. „Alpha-A-Kristallin kann also den Redoxzustand anderer Linsenproteine beeinflussen. Diese Funktion erklärt auch, dass schon im Embryo etwa die Hälfte der alpha-A-Kristalline solche Disulfidbrücken besitzt.“

„Rund 35 Prozent aller Erblindungen sind auf den „Grauen Star“ zurückzuführen“, sagt Sevil Weinkauf. „Das molekulare Verständnis der Funktionen der Augenlinsenproteine ist eine wichtige Grundlage, um Präventions- und Therapiestrategien zu entwickeln. Die Erkenntnis, dass alpha-A-Kristallin auch beim Oxidationsschutz eine wichtige Rolle spielt, wird nun weitere Forschung nach sich ziehen.“ (ts)



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