48-Stunden-Frist: Präsident Macron in Regierungskrise immer mehr unter Druck
Macron hat dem zurückgetretenen Premier eine 48-Stunden-Frist gesetzt, um einen Ausweg aus der politischen Krise zu finden. Frankreichs Präsident ist an der Spitze seines Landes zunehmend isoliert.
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Frankreichs Präsident Macron sieht sich Rücktrittsforderungen ausgesetzt.
In der Regierungskrise in Frankreich gerät Präsident Emmanuel Macron immer stärker unter Druck. Während der zurückgetretene Premier Sébastien Lecornu mit den Parteispitzen Beratungen über einen Ausweg aus der Krise aufnahm, gehen bisherige Vertraute vom Präsidenten klar auf Distanz zu ihm.
Macron, der in den Umfragen derzeit schlecht abschneidet, kann nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten. Nach einer Umfrage des Instituts Odoxa-Backbone befürworten 70 Prozent der Befragten einen Rücktritt.
Früherer Premierminister fordert Macron zum Rücktritt auf
Macrons früherer Premierminister Édouard Philippe (2017-2020), Chef der von ihm gegründeten Partei Horizonte, rief den Präsidenten auf, nach der Verabschiedung eines Haushalts „vorgezogene Präsidentschaftswahlen“ auszurufen. „Die Lösung für die Krise liegt bei ihm“, sagte Philippe dem Sender RTL.
„In einer Situation, in der die Autorität des Staates so sehr in Frage gestellt wird, muss (der Präsident) eine Entscheidung treffen, die seinem Amt gerecht wird“, sagte der Mitte-Rechts-Politiker, der bei den kommenden Präsidentschaftswahlen selbst kandidieren will. Dies ermögliche Macron „einen geordneten Abgang“.
Die seit sechs Monaten andauernde Krise dürfe nicht bis zur Präsidentschaftswahl in eineinhalb Jahren verlängert werden.
Kritik auch von Gabriel Attal
Auch der ehemalige Premierminister Gabriel Attal (Januar-September 2024) kritisiert Macron offen. „Ich verstehe die Entscheidungen des Präsidenten nicht mehr“, sagte Attal am Montagabend dem Sender TF1.
Erst habe Macron im Sommer 2024 die Nationalversammlung aufgelöst und Neuwahlen ausgerufen, „und seitdem gibt es Entscheidungen, die den Eindruck erwecken, dass er mit aller Kraft an der Macht festhalten will“, sagte Attal, der ebenso Ambitionen hegt, für das höchste Staatsamt zu kandidieren.
Attal distanzierte sich allerdings von dem Rücktrittsaufruf. Einen Präsidenten zum Rücktritt zu bewegen, „würde das demokratische Gleichgewicht gefährden“, sagte er.
Präsident Macron schließt Rücktritt bislang aus
Rücktrittsforderungen hatte Macron nach dem Rückzug des Premiers bereits von Frankreichs Linkspartei und dem RN von Marine Le Pen erhalten. Einen Rücktritt schloss Macron auch jüngst noch kategorisch aus – er betonte, er sei direkt vom Volk gewählt und werde sein Amt bis zum regulären Ende im Frühjahr 2027 ausüben.
Allerdings hatte er am 6. Oktober angekündigt, dass er „seine Verantwortung übernehmen“ werde, falls die Bemühungen von Lecornu zur Lösung der Politikkrise scheiterten.
Es wird davon ausgegangen, dass Macron dann die Nationalversammlung auflöst und Neuwahlen ausruft. Denn ein weiterer Regierungschef könnte schnell in die Lage seiner Vorgänger geraten. Keines der politischen Lager hat in der französischen Nationalversammlung eine Mehrheit.
Erst mal verschaffte sich Macron jedoch nach dem überraschenden Rücktritt von Lecornu Luft und beauftragte ihn, bis Mittwochabend Gespräche mit den politischen Kräften zur Stabilisierung des Landes zu führen und einen Ausweg aus der Krise zu finden.
Lecornu traf sich am Morgen mit den Parteivorsitzenden von Macrons Mitte-Bündnis sowie den Vorsitzenden der beiden Kammern des Parlaments. Am Nachmittag und Mittwochfrüh werde er sich mit Verantwortlichen der übrigen Parteien beraten, erklärte Lecornu.
Le Pens Rassemblement National (RN) schlug die Einladung aus. Diese Verhandlungen dienten „nicht den Interessen der Franzosen, sondern denen des Präsidenten“, erklärte der RN. Marine Le Pen bekräftigte ihre Forderung nach Neuwahlen.
Frankreichs zurückgetretener Premier Lecornu berät mit den Parteien über einen Ausweg aus der Regierungskrise (Archivbild).
Foto: Stephane Mahe/Reuters Pool/AP/dpa
Haushalt im Mittelpunkt der Krisengespräche
Lecornu schlug den Parteispitzen nach eigenen Angaben vor, die Diskussionen auf den Haushaltsplan für das kommende Jahr und die Zukunft des französischen Überseegebiets Neukaledonien zu konzentrieren.
„Alle Anwesenden waren sich über diese beiden dringenden Probleme einig und bekundeten den Willen, eine schnelle Lösung zu finden.“ Das hoch verschuldete Frankreich muss dringend einen Sparhaushalt auf den Weg bringen und nach Unruhen soll das für Paris geopolitisch wichtige Neukaledonien einen eigenständigen Status erhalten.
Lecornu war erst vor vier Wochen als Regierungschef gestartet, davor war er Verteidigungsminister. Die Zusammensetzung seines am Sonntagabend vorgestellten Kabinetts stieß bei den Konservativen jedoch auf Kritik.
Der Vorsitzende der Républicains, der im Amt bestätigte Innenminister Bruno Retailleau, hatte mit einem Rückzug seiner Partei aus der neuen Regierung gedroht, weil er diese dort nur unzureichend vertreten sah. Noch vor einer Krisensitzung der Konservativen warf Lecornu hin und hielt den Parteien danach eine politische Blockadehaltung vor.
Der mit der Zusammensetzung der neuen Regierung unzufriedene Chef der Konservativen, Bruno Retailleau, hatte den Rücktritt von Frankreichs Premier provoziert (Archivbild).
Foto: Thibault Camus/AP/dpa
Inzwischen schließen die Konservativen nicht aus, dass Retailleau in eine künftige Regierung zurückkehren könnte, berichtete der Sender BFMTV.
Hohe Staatsverschuldung
Frankreich steckt bereits seit mehr als einem Jahr – seit der Neuwahl im Sommer 2024 – politisch in der Klemme. Dabei erfordert insbesondere die hohe Staatsverschuldung des Landes, dass die Parteien an einem Strang ziehen und sich über einen Sparkurs verständigen.
Ob es Lecornu binnen 48 Stunden gelingt, die zerstrittenen Parteien in Kernpunkten nun doch noch auf eine Linie zu bringen, die die Bildung einer Regierung ermöglicht, war zunächst offen – und ist äußerst fraglich. Zum Zwischenstand seiner Gespräche wurde nichts bekannt.
Das linksgrüne Lager konnte sich bislang nicht auf eine gemeinsame Position einigen. Während die Linken sowohl Neuwahlen als auch die Absetzung des Präsidenten fordern, hoffen Sozialisten und Grüne noch darauf, dass Macron einen Premierminister aus ihren Reihen ernennen könnte. „Wir sind bereit, gemeinsam zu regieren, um eine Politik des sozialen und ökologischen Fortschritts und der Steuergerechtigkeit zu betreiben, bei der wir dem Parlament wieder seinen rechtmäßigen Platz einräumen werden.“
Bei der vorgezogenen Parlamentswahl im Sommer 2024 hatte das Regierungslager seine relative Mehrheit verloren. Seitdem ist die Nationalversammlung in drei zerstrittene Blöcke gespalten: das Regierungslager, die Linken sowie die Konservativen. Diese Spaltung hat die Verabschiedung des nötigen Sparhaushalts für 2026 bislang verhindert. (dpa/afp/red)
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