Algeriens ewiger Staatschef in der Krise

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Anti-Regierungsprotest in Algerien. 10. März 2019.Foto: BERTRAND GUAY/AFP/Getty Images
Epoch Times12. März 2019

Seit 20 Jahren steht der mittlerweile 82-jährige Abdelaziz Bouteflika als Staatschef an der Spitze Algeriens. Jetzt zwangen ihn wochenlange Straßenproteste zum Verzicht auf seine Kandidatur für ein fünftes Mandat. Die Präsidentschaftswahl wurde vom 18. April auf unbestimmte Zeit verschoben. Das heißt, der seit 1999 regierende Bouteflika will zunächst auch nach dem Ende seiner derzeitigen Amtszeit am 28. April an der Macht bleiben.

Bouteflika gilt vielen Algeriern als der Mann, dem sie das Ende der „nationalen Tragödie“ verdanken. Damit sind die Jahre des Gewaltkonflikts zwischen Sicherheitskräften und bewaffneten islamistischen Gruppen gemeint. Dabei wurden nach behördlichen Schätzungen zwischen 1992 und 2002 etwa 200.000 Menschen getötet. Unter Bouteflikas Herrschaft wurden Amnestiegesetze für aufständische Islamisten beschlossen, die der Gewalt abschworen.

Seit 1999 im Amt

Bouteflika war im April 1999 – unterstützt von der Armee und der aus der Befreiungsbewegung hervorgegangenen Partei Nationale Befreiungsfront (FLN) – erstmals zum Staatschef gewählt worden. Seine sechs Mitbewerber hatten schon vorher zurückgezogen, weil sie mit Wahlbetrug rechneten. 2004 und 2009 wurde Bouteflika, der sich gerne als Volkstribun gab und seine Zuhörer mit aufpeitschenden Reden auf Arabisch und Französisch mitriss, mit jeweils glänzenden Ergebnissen im Amt bestätigt.

Besonders umstritten war die Wiederwahl 2009. Bouteflika setzte eine Verfassungsänderung durch, damit er für ein drittes Mandat antreten konnte. Seine Gegner sprachen von einem „Staatsstreich per Verfassung“. Mehrere Oppositionsparteien boykottierten die Wahl, bei der Bouteflika laut amtlichem Endergebnis rund 90 Prozent der Stimmen einfuhr.

Geboren wurde Bouteflika am 2. März 1937 im marokkanischen Oujda, wo seine aus Nordalgerien stammenden Eltern ein Dampfbad betrieben. Bereits im Alter von 19 Jahren kämpfte er mit dem Kriegsnamen „Abdelkader Mali“ als Kommandeur der Nationalen Befreiungsarmee gegen die französischen Kolonialherren.

Als Algerien im Jahr 1962 unabhängig wurde, wurde Bouteflika im Alter von 25 Jahren Minister für Sport und Tourismus. Ein Jahr später übernahm er den Posten des Außenministers, den er bis 1979 innehatte.

1965 unterstützte Bouteflika den Militärputsch des damaligen Verteidigungsministers Houari Boumedienne gegen den ersten Präsidenten des unabhängigen Algerien, Ahmed Ben Bella. Nach Boumediennes Tod im Jahr 1978 verhinderte das Militär, dass Bouteflika seinem Ziehvater als Staatspräsident nachfolgte.

Drei Jahre später gab Bouteflika alle politischen Funktionen auf und ging ins Exil nach Dubai und Genf. Erst 1989 kehrte er nach Algerien zurück. 1994 wollte die Armee den ehemaligen Offizier an die Staatsspitze holen, doch dieser ließ sich damit noch fünf Jahre Zeit.

Bouteflika bewies taktisches Geschick

Als der Arabische Frühling 2011 die Region erschütterte, bewies der von seinen Gegnern als Marionette des Militärs geschmähte Präsident taktisches Geschick. Während seine Kollegen in den Nachbarstaaten auf Unterdrückung setzten, kündigte er Reformen an. Zwar wurden diese von der Opposition als unzureichend kritisiert, doch weitere Proteste blieben zunächst aus. Menschenrechtsgruppen kritisieren unterdessen bis heute eine Repression von Opposition und Medien.

Die Parlamentswahl im Mai 2012 gewann Bouteflikas FLN mit deutlichem Vorsprung. Er selbst blieb fest im Sattel und regierte weiter mit harter Hand.

Auch aus seiner vierten Präsidentschaftswahl 2014 ging Bouteflika als klarer Sieger hervor. Dabei hatte es bis in den Sicherheitsapparat Widerstand gegen seine Kandidatur gegeben.

Ein kranker Staatschef

Ein Jahr zuvor hatte Bouteflika einen Schlaganfall erlitten. Er verbrachte drei Monate lang in Paris im Krankenhaus, war nur noch ein Schatten seiner selbst und praktisch verstummt. In der Öffentlichkeit trat der im Rollstuhl sitzende Staatschef danach kaum noch auf.

Mit seiner Kandidatur für ein fünftes Mandat brachte der gebrechliche Greis große Teile der Gesellschaft gegen sich auf. Und für Reformen gibt es – anders als 2011 – angesichts gefallener Ölpreise und leerer Staatskassen nur wenig Spielraum. (afp)



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