Am Freitag droht der harte Brexit

Wenn die EU keiner Verlängerung der Brexit-Verhandlungen zustimmt, dann droht am Freitag der harte Brexit. Das bedeutet: Zollkontrollen, Lieferschwierigkeiten, Veränderungen im Versicherungsbereich. Weiterhin gibt es Übergangsregelungen zur Arbeitsförderung, zur Altersteilzeit und zur Arbeitnehmerüberlassung.
Titelbild
Harter Brexit oder geordneter Brexit? Noch immer ist das politische Ringen im britischen Parlament nicht beendet.Foto: Andrew Mccaren/London News Pictures via ZUMA/dpa
Epoch Times9. April 2019

Großbritannien droht am Freitag ohne Austrittsvertrag aus der EU zu fallen, wenn bei einem Sondergipfel am Mittwoch in Brüssel nicht alle anderen 27 EU-Staaten einer erneuten Verschiebung des Brexit zustimmen. Bundesregierung und Unternehmen haben bereits seit längerem Vorsichtsmaßnahmen für den Fall eines harten Brexit ohne Abkommen getroffen.

Großbritanniens Premierministerin Theresa May bemühte sich am Dienstag weiter um Unterstützung für eine erneute Verschiebung des britischen EU-Austritts. Dazu wurde May zunächst in Berlin von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) empfangen, später war ein Besuch bei Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron geplant.

Zollkontrollen und Lieferschwierigkeiten

Am unmittelbarsten werden die Folgen an den See- und Flughäfen zu spüren sein. Warensendungen aus und nach Großbritannien müssen dann wieder vom Zoll kontrolliert werden. Die deutsche Zollverwaltung hat deshalb 900 zusätzliche Stellen bewilligt bekommen. Zahlreiche Unternehmen haben ihre Mitarbeiter im Zollrecht geschult. Viele Firmen haben in Großbritannien ihre Lagerbestände deutlich aufgestockt, um Lieferschwierigkeiten vorzubeugen.

Am härtesten betroffen wäre die Autoindustrie. BMW hat beispielsweise schon vor längerem angekündigt, die jährliche Routine-Schließung seiner britischen Werke für Mini und Rolls-Royce zu Wartungszwecken direkt auf die Zeit nach dem Brexit zu verlegen. Der Autobauer hat sich zudem Luftfracht-Kapazitäten gesichert, um seine Fabriken im Zweifel per Luftbrücke zu versorgen. Der Luftverkehr soll durch eine Übergangsregelung der EU garantiert werden.

Der Zulieferer Schaeffler hingegen hat mit Verweis auf den Brexit angekündigt, zwei von drei Werken in Großbritannien zu schließen und die Produktion ins Ausland zu verlagern. Auch viele andere Unternehmen ziehen bereits Investitionen von der Insel ab.

Wie weiter mit den Finanzen?

London ist das wichtigste Finanzzentrum Europas. Mit dem Brexit verlieren die dortigen Banken den Zugang zur Eurozone. Die Bundesbank gibt dennoch Entwarnung: „Einen Versorgungsengpass mit Finanzdienstleistungen oder gar eine Kreditklemme wird es nicht geben“, sagt Vorstand Joachim Wuermeling.

Die Banken hätten entsprechend vorgesorgt, indem sie vollwertige Niederlassungen in Frankfurt oder anderen Städten innerhalb der EU gründeten. Zudem darf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) britischen Unternehmen im Bank- und Versicherungsbereich erlauben, ihr Bestandsgeschäft für einen Übergangszeitraum bis spätestens Ende 2020 fortzuführen.

Da durch den Brexit das Neugeschäft etwa mit Krediten oder Wertpapieren in London von Deutschland aus künftig nicht mehr möglich sein wird, müssen viele Verträge umgeschrieben werden. Darum sollten sich betroffene Unternehmenskunden schnellstmöglich kümmern. Für Verbraucher sieht die Bundesbank hingegen wenig Handlungsbedarf.

Im Steuerbereich hat die Bundesregierung Nachteile für Steuerpflichtige allein durch den Brexit per Gesetz ausgeschlossen. Dennoch können Unternehmen nach dem Brexit eine insgesamt höhere Steuerbelastung haben, etwa bei Gewinnausschüttungen von Tochtergesellschaften. Deutsche Unternehmen mit britischer Rechtsform können für eine Übergangszeit vereinfacht in eine andere Rechtsform wechseln.

Sozialversicherung?

Mit dem Austritt Großbritanniens aus der EU entfällt die Rechtsgrundlage für gemeinsame Regelungen zur sozialen Sicherung. Das Parlament hat deshalb Übergangsregelungen für Deutsche und Briten beschlossen, die im jeweils anderen Land leben und arbeiten. Sie sollen auch nach einem ungeregelten Brexit keine Nachteile erleiden. Bereits bestehender Sozialversicherungsschutz und Anrechnungszeiten sollen erhalten bleiben.

Das gilt für alle, die vor dem Austritt in der britischen oder deutschen gesetzlichen Kranken-, Pflege-, Arbeitslosen, Renten- und Unfallversicherung versichert waren. Das Gesetz enthält außerdem Übergangsregelungen zur Arbeitsförderung, zur Altersteilzeit und zur Arbeitnehmerüberlassung.

Azubis und Studierende

Auszubildende und Studierende müssen eine im jeweils anderen Land begonnene Ausbildung nicht abbrechen. Sie sollen bis zum Ausbildungsabschluss BAföG erhalten. Auch die Erasmus-Förderung soll für zum Austrittszeitpunkt laufende Studien- und Praktikumsaufenthalte weiterlaufen.

Aufenthalte im Vereinigten Königreich, die nach dem Austrittsdatum beginnen, sind aber nicht gesichert. Manche Universitäten und Schulen haben wegen der Brexit-Unsicherheiten Austauschprogramme ausgesetzt.

Doppelte Staatsbürgerschaft

Britische und deutsche Bewerber, die vor dem Austrittsdatum in einem der Länder einen Einbürgerungsantrag stellen, sollen ihre bisherige Staatsangehörigkeit beibehalten dürfen, auch wenn die Entscheidung über den Antrag erst nach dem Austritt erfolgt. Sie müssen aber alle weiteren Voraussetzungen wie die Mindestaufenthaltszeit vor dem Austritt erfüllt haben. (afp)



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion