Analyse: Tsipras riskiert alles oder nichts

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Alexis Tsipras.Foto: LOUISA GOULIAMAKI/AFP/Getty Images
Epoch Times21. August 2015
Alexis Tsipras ist immer für eine Überraschung gut. Mit seinem Rücktritt ebnete er den Weg für den Showdown mit seinen politischen Gegnern, innerhalb und außerhalb seiner Partei.

Gleichzeitig zeigt sich Tsipras von seiner sanften Seite: Er wendet sich ans Volk und entschuldigt sich für seine Fehler. Er sei aber derjenige, der gekämpft habe bei den schwierigen Verhandlungen mit den Gläubigern. Seine Vorgänger hätten nur „Ja“ gesagt. Deswegen fordert er ein frisches starkes Mandat. Wozu? Um bald über die Umstrukturierung des griechischen Schuldenberges mit den Gläubigern zu verhandeln.

Mit dem Schachzug zwingt Tsipras seine Gegner in der Partei, sich zu zeigen. Der linke Flügel seiner Partei – 25 Abgeordnete – spaltete sich am Freitag ab und will rasch eine neue Linkspartei, die Volkseinheit (LAE), bilden. Bislang hätten die allzu Linken in der Linkspartei Syriza ein „surreales“ Spiel gespielt – wie Tsipras es nennt. Alle Sparprogramme lehnten sie ab und stimmten dagegen. Bei allen anderen Themen blieben sie auf Parteikurs. Sie seien schuld daran, dass die erste linke griechische Regierung fallen musste, sagen enge Tsipras-Mitarbeiter.

Der linke Flügel unter dem Ex-Kommunisten Panagiotis Lafazanis habe eine Art politischen Partisanenkrieg in der Syriza-Partei geführt, sagen Kritiker. Tsipras suche nun die direkte Konfrontation – „die Front und nicht den Kampf aus dem Hinterhalt“, sagt ein hoher Funktionär der Linkspartei. Lafazanis antwortet darauf: „Warum will Tsipras Expresswahlen? Weil das Volk noch nicht die neuen harten Sparmaßnahmen zu spüren bekommt, die auf die Menschen zukommen“, sagte er bei einer Pressekonferenz am Freitag.     

Tsipras gibt zwar auch viele Fehler zu. Er habe aber mit einer Übermacht (Berlin) kämpfen und sich fügen müssen, damit das Land nicht untergehe und aus der Eurozone fliege. Seine Vorgänger hätten „Ja“ gesagt, noch bevor die Gläubiger überhaupt Sparmaßnahmen vorgeschlagen hätten, heißt es seitens der engen Mitarbeiter.

Tsipras‘ Gegner zeigen sich am Freitag etwas ratlos. Der Chef der stärksten Oppositionspartei, Evangelos Meimarakis, wollte prüfen, ob er nach dem Rücktritts des Premiers eine andere Regierung bilden könnte, die das Vertrauen des jetzigen Parlaments erhielte. Die Zahlen zeigen, dass dies praktisch unmöglich ist.

Das Ende des formellen Verfahrens bis zur offiziellen Verkündung der Wahlen könnte noch einige Tage dauern. Die Verfassung sieht vor, dass auch die dritte Partei drei Tage lang Zeit haben muss zu sondieren, ob eine andere Regierung gebildet werden kann. 

Die meisten kleineren Parteien haben bereits erklärt, sie würden mit niemandem zusammenarbeiten. „Da wo wir jetzt angelangt sind, sind Wahlen die beste Lösung“, hieß es seitens der liberalen Partei To Potami. Andere Parteien warfen Tsipras vor, er versuche zulasten des Landes sein innerparteiliches Problem zu lösen. Was das Land jetzt brauche, sei Stabilität und keine Wahl, heißt es auch von Konservativen und Sozialisten.

Tsipras macht keinen Hehl daraus, was nach einem Wahlsieg seiner Partei kommen würde: Die schwierigen Zeiten seien nicht vorüber, das sollten alle wissen. Es könnte aber der Anfang vom Ende des Debakels sein, sagte er in seiner Ansprache. Ob Tsipras‘ Taktik aufgehen wird, darüber wird das griechische Volk bald entscheiden. Als wahrscheinliches Datum gilt der 20. September.

Analysten kommentierten am Freitag, Tsipras sei ein Vollblutpolitiker und gehe nun aufs Ganze. Dabei riskiere er, dass das Votum im September ein anderes Ergebnis bringt als von ihm erhofft. In Athen werden mit Spannung die ersten Umfragen erwartet.

Und die Bürger? „Ich habe die Schnauze voll von den Politikern und ihren Wahlen“, sagt Petros Ioannidis, ein 77 Jahre alter Rentner im Stadtteil Vyronas. „Tsipras wird es noch mal schaffen“, erwidert sein Nachbar, der 48-jährige Mimis Xenidis. Er ist Anstreicher und hat nur hin und wieder Arbeit. „Tsipras ist die letzte Hoffnung“, sagt der überzeugte Linkswähler. Sicher ist: Es werden spannende Wahlen.

(dpa)


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