Belgien: Nach 493 Tagen Verhandlung – Sieben Parteien bilden neue Regierungskoalition

Der flämische Liberale und bisherige Finanzminister Alexander De Croo wird mehr als 16 Monate nach der Parlamentswahl neuer belgischer Ministerpräsident. Sieben Parteien einigten sich auf ein Koalitionsabkommen, wie ein Sprecher des belgischen Königshauses mitteilte.
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Der PS-Vorsitzende Paul Magnette und Open Vld's Alexander De Croo stellten sich während einer Pressekonferenz der Koalitins-Vorsitzenden vor, nachdem sie am Mittwoch, dem 30. September 2020, nach einer letzten Nacht der Verhandlungen in Brüssel eine Einigung für eine Vivaldi-Regierung gefunden haben.Foto: THIERRY ROGE/BELGA MAG/AFP über Getty Images
Epoch Times30. September 2020

Belgien bekommt 493 Tage nach der Parlamentswahl eine neue Regierung – die bisherige ist seit Dezember 2018 nur geschäftsführend im Amt. Ministerpräsident wird der flämische Liberale und bisherige Finanzminister Alexander De Croo, wie dessen Konkurrent um das Amt, Paul Magnette, am Mittwoch mitteilte. Sieben Parteien einigten sich am Morgen nach Angaben eines Sprechers des belgischen Königshauses auf ein Koalitionsabkommen. Die Amtseinführung soll am Donnerstagvormittag stattfinden.

Zu den sieben Parteien zählen die Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen jeweils in zweifachem Format – flämisch- und französischsprachig. Dazu kommen die flämischen Christdemokraten. Die Einigung hatte sich in den vergangenen Wochen abgezeichnet, in Anlehnung an die Vier Jahreszeiten des Komponisten Antonio Vivaldi wurde das Gebilde Vivaldi-Koalition getauft.

Nicht Teil der Regierung sind die beiden größten Parteien Flanderns: die national-konservative N-VA und der rechts-konservative Vlaams Belang. Eine Regierungsbildung der N-VA gemeinsam mit der größten Partei in Süd-Belgien, den französischsprachigen Sozialisten, war im August endgültig gescheitert.

Bis zuletzt blieb die Besetzung des Regierungchefpostens offen

Bis zuletzt war die Personalie des Regierungschefs der Vivaldi-Koalition offen geblieben. Infrage war dafür auch der Parteichef der wallonischen Sozialisten, Magnette, gekommen. Magnette gab nun bekannt, dass der 44-jährige De Croo den Vorzug erhalten habe. Der Liberale war seit 2012 durchgehend Minister in verschiedenen belgischen Regierungen. De Croo beerbt damit die geschäftsführende Ministerpräsidentin Sophie Wilmès.

Belgien ist ein politisch gespaltenes Land und hat den Ruf, unregierbar zu sein. Seit Dezember 2018 ist die aktuelle Minderheitsregierung nur geschäftsführend im Amt. Die vorherige Koalition unter Beteiligung der N-VA war fünf Monate vor Ende der Legislaturperiode am Streit um die Migrationspolitik zerbrochen.

Bei den Parlamentswahlen im Mai 2019 rückten die beiden Landesteile politisch dann noch weiter auseinander: Im flämischen Norden blieb die N-VA stärkste Kraft, verlor aber viele Stimmen an die Rechts-Konservativen. Im französischsprachen Süden gewannen die Sozialisten, stark schnitten dort auch die Kommunisten ab. In der Hauptstadtregion Brüssel wurden außerdem die Grünen stärkste Kraft.

Von flämischen Abgeordneten trägt nur eine Minderheit Vivaldi-Koalition mit

Die Wahl eines Flamen zum Ministerpräsidenten trägt auch der Tatsache Rechnung, dass sich die neue Koalitionsregierung auf eine Mehrheit der französischsprachigen Abgeordneten stützt und auf diese Weise ein Zeichen der Ausgewogenheit setzen will. Von den flämischen Abgeordneten trägt nur eine Minderheit die Vivaldi-Koalition mit.

Der Vlaams Belang hatte am Wochenende bereits zu Demonstrationen gegen die sich abzeichnende Vivaldi-Koalition aufgerufen. Tausende Anhänger der Rechten versammelten sich am Sonntag auf einem Parkplatz im Norden von Brüssel. Auch die N-VA kritisiert das Vivaldi-Bündnis als „zu links“ und „anti-flämisch“. Parteichef Bart De Wever kündigte an, die Regierung von der Oppositionsbank aus „kaputt“ zu machen.

Belgien blickt auf eine lange Geschichte politischer Instabilität zurück. Zwischen 2010 und 2011 blieb das Land 541 Tage ohne Regierung, diesmal blieb die Dauer der Regierungsbildung mit 493 Tagen knapp unter dieser Marke. (afp)



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