Berlusconi zeigt, wie es geht

Entschuldigungen, Reparationen und Wiedergutmachung
Titelbild
Der libysche Staatschef Muammar al-Gaddhafi und der italienische Premierminister Silvio Berlusconi (l.) unterzeichnen am 30. August 2008 in Bengasi an Libyens Mittelmeerküste eine Vereinbarung. (Mahmud Turkia/AFP/Getty Images)
Von 30. September 2008

Nur wenige Dinge können Politikern und Diplomaten mehr Schauer über den Rücken jagen, als die Worte auszusprechen „Es tut uns leid“. Dennoch ist Italien das letzte in einer Reihe von Ländern, das sich für vergangene Verbrechen entschuldigt und vor einem Monat seine Schuld zugab am Tod und an der Vertreibung von Tausenden während der dreissigjährigen Besatzungszeit in Libyen, die 1943 endete. „Es ist eine materielle und emotionale Anerkennung der Vergehen, die unser Land dem ihrigen während der Kolonialzeit angetan hat“, sagte der italienische Premierminister Silvio Berlusconi als formale Entschuldigung während einer Feierlichkeit in der lybischen Küstenstadt Bengasi.

Er ging noch einen Schritt weiter und bot Libyen ein Schadensersatzpaket in Höhe von fünf Milliarden US-Dollar an, einschließlich Geld für Infrastruktur, Stipendien für Studenten sowie Pensionen für lybische Soldaten, die Italien im Zweiten Weltkrieg dienten. „Diese Vereinbarung ebnet den Weg für eine weitere Zusammenarbeit“, fügte Berlusconi hinzu.

Hier liegt die Kontroverse von Entschuldigungen. Während es so aussieht, als ob es in politischen Kreisen bei weitem kein so großes Tabu mehr ist, „Es tut mir leid“ zu sagen – Australien, Kanada und die Vereinigten Staaten haben in diesem Jahr ebenso formale Entschuldigungen ausgesprochen – bleibt die Frage der Reparationszahlungen schwierig. Wie kann ein Land heutzutage seine schlimmsten Fehler der Vergangenheit wiedergutmachen?

Italiens Schadensersatzpaket dient als nützliches Beispiel. Und zwar deshalb, weil Versprechen wie das von Berlusconi, Entwicklungsprojekte und Bildungs- oder soziale Programme zu unterstützen, die gesamte Lebensqualität der noch davon Betroffenen verbessert. Und wenn alles gesagt oder getan ist, trägt dies viel mehr dazu bei, die schlechten Taten der Vergangenheit zu korrigieren, als ein einfaches „Es tut mir leid“ oder eine einmalige Reparationszahlung. Direkte Zahlungen an Opfer von Unterdrückung, die häufigste Form politischer Reue, können tatsächlich einzelnen Opfern helfen. Aber sie können nicht die großen sozialen Altlasten wie weit verbreitete Armut und Ungleichheit beseitigen, die das vergangene Unrecht hinterlassen hat. Es wirft auch unzählige berechtigte Fragen auf, wer wie lange für etwas verantwortlich gemacht werden kann.

Das bedeutet sicherlich nicht, dass jede Grausamkeit wiedergutgemacht werden kann – das wäre sogar für die engagiertesten Staatschefs eine große Aufgabe. Aber wenn wir die Auswirkungen unserer Beteiligung an einer der schlimmsten Verfehlungen der modernen Geschichte, von Kolonialismus und Sklaverei bis zur Unterdrückung Einheimischer, in Angriff nehmen, können wir dafür sorgen, dass ihre schlimmen Auswirkungen nicht länger andauern. Und tatsächlich können Investitionen in Entwicklung und soziale Programme mehr bewirken, als nur Wunden zu heilen. Sie verbessern das Wohlbefinden der Menschen und erhöhen den Lebensstandard eines Landes – Dinge, die jedem nützen.

In diesem Sinne entschuldigte sich auch Australiens Premierminister Kevin Rudd im Februar für Jahrzehnte der offensichtlich rassistischen Gesetze und einer Regierungspolitik, die den Aboriginies des Landes „viel Kummer, Leid und Verluste zufügte“. Auch er ging einen Schritt weiter, indem er versprach die erschütternde Lücke von 17 Jahren bei der Lebenserwartung zwischen den Aboriginies und den anderen Australiern zu schließen sowie die Säuglingssterblichkeit, die die höchste im Lande ist, um die Hälfte zu senken.Während es noch abzuwarten ist, ob Rudd sein Versprechen einhält, ging seine Entschuldigung einen Schritt in Richtung Verbesserung der Lebensbedingungen, nachdem Premierminister John Howard bei diesem Thema ein Jahrzehnt lang gemauert hatte.
Kanada, das sich dieses Jahr auch für seine schlechte Behandlung der Einheimischen entschuldigte, muss diesen Schritt noch machen. Dort sagte man, den Überlebenden der lang anhaltenden Diskriminierung durch die Regierung würden fast zwei Milliarden Dollar an Schadenersatz gezahlt, allerdings zögert man weiterhin, die Rechte der Einheimischen anzuerkennen.

Es war eines von nur vier Ländern, die sich weigerten, voriges Jahr weigerten, die UN-Deklaration über die Rechte indigener Völker zu ratifizieren, ein Verhalten, das von vielen Aboriginies und Amnesty International verurteilt wurde. Die USA, deren Repräsentantenhaus sich im Juli für Amerikas Rolle im Sklavenhandel entschuldigte, sind von jeder Wiedergutmachung, die über eine Entschuldigung hinausgeht, noch weit entfernt. Es erscheint ziemlich merkwürdig, dass der äußerst wohlhabende und unbestreitbar konservative Berlusconi hierfür ein Beispiel liefert, und es stellt sich schnell die Frage, ob er dabei Hintergedanken hat. Aber man kann unmöglich die Vorteile bestreiten, die Italiens Entwicklungspaket für Studenten, Kriegsveteranen und arme Libyer haben wird. Und deshalb sollten Nationen ernsthaft vergangene Fehler wiedergutmachen und denen helfen, die es nötig haben. Italiens Weg ist nachahmenswert.

Chris Mallinos ist Journalist aus Toronto, dessen Arbeiten in sechs Kontinenten und in sieben Sprachen erschienen sind. Sie können seine Homepage unter www.chrismallinos.com einsehen.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion